Zurück an die Rhône:
Der Papstpalast von Avignon
Nachdem wir bereits bei unserer Reise Frankreich 2010 vor Ort in Avignon waren, gab es auch bei unserer Weinreise 2013 an die Rhône ein Wiedersehen: Diesmal waren wir auch drin, im Papstpalast von Avignon ...
Und da wir ein Modell dieses beeindruckenden Bauwerks unbedingt auch in unserem Modellkeller haben wollten, war die Beschaffung ein Muss: Nicht nur als Festung, sondern auch als Symbol einer "Zeitenwende" in der katholischen Kirchengeschichte bekommt dem Papstpalast von Avignon, dem "Palais des Papes", eine große Bedeutung zu. Anfang des 14. Jahrhunderts war der Papst Clemens V. der erste einer ganzen Reihe von Päpsten, die in Frankreich bleiben wollten statt in Italien, wo Anarchie herrschte und eine päpstliche Machtausübung zu dieser Zeit unmöglich erschien.
Obwohl Clemens V. bereits im Jahr 1309 in Avignon eintraf, wurde der Bau des Palastes erst vom übernächsten Nachfolger Benedikt XII. im Jahre 1335 begonnen. Der imposante Bau wurde an der Stelle des ehemaligen Bischofspalastes seines Vorgängers errichtet. Er bildete später den nördlichen Teil des Papstpalastes und wird auch als "Alter Palast" bezeichnet. Benedikts Nachfolger Clemens VI. wiederum war dann der zweite päpstliche Baumeister, der seinen Sitz erheblich erweiterte und zwei neue große Gebäudeflügel an das bestehende Bauwerk anfügen ließ, den "Neuen Palast".
Mitte des vierzehnten Jahrhunderts war der Palast nahezu vervollständigt und die gesamte Stadt Avignon in den päpstlichen Besitz übergegangen. Der Papstpalast selbst war zu dieser Zeit einer der prächtigsten Höfe und eines der größten Feudalschlösser des Mittelalters. Der Nachfolger von Clemens VI. schließlich, Papst Innozent VI. (1352-1362), war derjenige, der den Bau seiner Vorgänger noch durch Hinzufügen von zwei Türmen ergänzte. Dessen Nachfolger Urban V. (1362-1370) wiederum war nur noch mit zusätzlichen Gärten an der Ostseite des Palastes befasst, womit der letzte Bauabschnitt beendet war. Erst Urbans Nachfolger Gregor XI. verlegte den Papstsitz im Jahr 1376 wieder zurück nach Rom, wobei jedoch "Gegenpäpste" im Rahmen des "Großen Schismas" (1378 bis 1417) in Avignon verblieben.
Besonders auffallend natürlich beim Papstpalast: der Festungscharakter des Bauwerks. Die Verteidigungsrolle ist durch die hohen Mauern unübersehbar, gewaltige Türme und eine gezackte Brüstung dominieren das Erscheinungsbild. Schießscharten, Wehrgänge, Wurföffnungen und Pechnasen, nur wenige Fenster beim "Alten Palast" und Schutzvorrichtungen an den Haupteingängen erinnern daran, dass es sich hier auch um eine gewaltige Festung handelt, die in ihrem Bestehen auch zwei Belagerungen standhalten musste.
Später folgte dann ein Niedergang in mehreren Schritten: Der Vernachlässigung des Bauwerks im 16. Jahrhundert folgte die Umwandlung in ein Gefängnis während der Französischen Revolution. Später schließlich erfolgten Umbauten des Palastes und fast ein Jahrhundert lang die Nutzung als Kaserne mit einhergehenden Zerstörungen und Verstümmelungen wesentlicher Bestandteile der Anlage. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts ging der Papstpalast in den Besitz der Stadt Avignon über, die sich mit einer eigenen Abteilung für Denkmalpflege um die Restaurierung des Bauwerks kümmert.
Ein beeindruckender Teil der mittelalterlichen und kirchlichen Geschichte, die den Besucher des Palastes umweht, sobald man sich mit Massen anderer Touristen durch das gewaltige Gebäude bewegt - wohl dem, der wie wir von einer kundigen Führerin mit vielen Einzelheiten des Gebäudes und der Geschichte vertraut gemacht werden. Spannende Erzählungen sind da sicher, wie etwa die über die "Haute Cuisine", die "Große Küche" mit quadratischem Grundriss, einem pyramidenähnlichen Gewölbe und einem sehr auffälligen hohen Schornstein. Der fällt an der Nordostseite des Palastes ins Auge und den muss man sich ansehen, bevor man sich in den davor liegenden Konsistoriensaal / Grand Tinel begibt, den großen Speisesaal mit fast 50 Metern Länge und 10 Metern Breite, bevor man dann weiter geht zum ... usw. usw.
Vom einstigen Ehrenkonservator des Papstpalastes, Sylvain Gagnière, stammt eine ausführliche Beschreibung des Bauwerkes und seiner Geschichte im Heft des von uns gebauten Kartonmodells. Das ist wie bei unserem neuen Modell von Schloss Chambord (Nachtrag 09/2020) und dem dritten französischen Modell des Hospices de Beaune ein Heft aus der Collection "Architecture Modélisme" der "Editions L´Instant Durable 2012" No. 26 und verfügt über 28 farbige Schnittbögen.
Das Modell wurde von uns bei HMV Kartonmodellbau zum Preis von 33,- EUR bezogen und hat den Maßstab 1:300. Empfehlenswert ist, das fertige Modell auf eine dünne Holzplatte von 60 x 45 cm zu kleben, was ungefähr der angegebenen Grundfläche von 58 x 43 cm entspricht. Wie schon beim Hospice fällt auf, wie exakt das Modell gearbeitet ist, das jedoch vom Komplexitätsgrad her als "schwierig" eingestuft wird ...
Zu beachten ist da die Reihenfolge des Aufbaus der einzelnen Module und ihrer Endmontage, die schon als kompliziert bezeichnet werden kann, da viele Teile des Gebäudekomplexes eine ganze Reihe von Verbindungsstellen zu anderen Modulen haben. Hilfreich ist dabei, wenn der Kreuzgang des "Alten Palastes" auf einen Kartonständer montiert wird, der den Anbau der höhenversetzten anderen Elemente erlaubt - wir haben dafür ganz einfach eine Toilettenpapier-Papprolle verwendet, die diesen Zweck bestens erfüllt.
Das beeindruckende Modell (ISBN-Nummer 2-86404-048-4) mit den Innenhöfen des nördlichen Kreuzgangs (Alter Palast) und dem größeren Audienzplatz mit dem "Fenêtre des Indulgences", dem Fenster von dem aus der Papst seinen Segen erteilte, im Süden (Neuer Palast), hat eine Höhe von über 20 cm.
Wie schon beim Hospice erwähnt, gibt es aus dieser hervorragenden Kartonmodellbau-Edition auch noch jede Menge andere hochinteressante Papiermodelle von Kathedralen, Abbeys und vielen anderen bekannten Bauwerken - ein Leckerbissen für begeisterte Kartonmodellbau-Liebhaber!
Leider stand beim Zusammenbau des Modells nur noch ein Restbestand des bislang besten Kartonklebers Wiccoll zur Verfügung, der nicht mehr hergestellt wird. Der derzeit verfügbare Ersatzkleber Kittifix von der Leipziger Möko-Klebstoff GmbH konnte bei diesem Modell noch nicht ausreichend getestet werden, macht aber bisher einen guten Eindruck ...
© 2013 - 2020 J. de Haas
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen finden sich in unserer Autorenübersicht!