Mit dem Hundeschlitten durchs verschneite schwedische Fjäll ...


Montag, 27.12.1999: Anreise nach Sörberget

Kurz vor der Abfahrt erreichen uns letzte Nachrichten aus Sörberget: Wir haben Schnee und MINUS 29°C!

Brrr! Da empfiehlt es sich, schon für die Anreise die komplette Garderobe anzuziehen: Thermounterwäsche, Wollstrumpfhose, Wollübersocken,  warme Winterhose, Wollpullover, Winterjacke, Mütze, Handschuhe, Schal usw. Erinnerung an meine Kinderzeit werden wach, als Mütter und Großmütter mit "zieh dich warm an Kind!" nervten.

Schon steht das Taxi vor der Tür - ordentlich geheizt - denn der Taxifahrer sitzt selbst leicht bekleidet drin. Er ist wohl Spezialist für Urlauber, die in den Süden jetten wollen und will schon auf der Fahrt zum Flughafen südlich warmes Flair verbreiten. Zuerst meint er noch, er möchte gerne mitreisen, doch als wir ihm das Ziel Oslo mit Weiterfahrt nach Mittelschweden nennen, wird er unsicher und meint, der Süden wäre ihm doch lieber. Bis zum Flughafen München wird es zunehmend wärmer und bei Ankunft gibt der Taxifahrer dann zu, dass er es mit der Heizung (ca. PLUS 30°C) wohl etwas übertrieben hat. Gut, dass die richtige Thermounterwäsche auch bei Hitze kein Problem ist!

Relativ pünktlich sitzen wir im Flieger und vertrödeln zwar noch 15 Minuten auf dem Rollfeld, aber dann geht es endlich los. Irgendwie ist uns warm. Einbildung? Schnell wird mit dem  Suunto Vector, der auch bei dieser Tour natürlich wieder dabei ist, nachgemessen. Keine Einbildung! Wir haben exakt PLUS  27°C! Nach mehr als einer Stunde Flugzeit fragen wir die Stewardess schließlich, ob diese Bordtemperatur auf dieser Strecke normal sei. Etwas genervt meint sie, dass auch ihr heiß wäre und sie  bei der Temperatur auch noch arbeiten müsse. Aber immerhin, sie geht ins Cockpit und der Erfolg stellt sich ein: Gut 20 Minuten vor der Landung wird es deutlich kühler im Flugzeug. Skandinavien, wir kommen schon wieder - mit der (fast) richtigen Umgebungstemperatur!

Gegen 13:50 Uhr Ortszeit landen wir auf dem neuen Flughafen Oslo / Gardemoen. Sehr pünktlich erwartet uns Nicole Burger von Funny Trail Adventures am Flughafen - der versprochene Husky-Kopf auf dem Holzschild ist nicht zu übersehen!

Die Husky-Farm in Sörberget ...

Es schneit, die Straßenverhältnisse sind auf dem ersten Stück noch ganz gut, aber ab Elverum wird die Schneedecke auf der Straße immer dicker und die Dunkelheit bricht herein. Über einen tief verschneiten Pass fahren wir rüber nach Schweden. Aufgrund der Schneeverhältnisse ist es zwar nicht spiegelglatt, aber die Bremswirkung ist doch herabgesetzt. Wir fragen, wie es mit Wildwechsel auf der Strecke aussieht. Nicole hat noch nie einen Elch an dieser Strecke getroffen. Kaum hat sie das zu Ende gesagt, kommt schon ein junger Elch aus dem Wald gesprungen. Zu unser aller Glück rennt er zuerst parallel zur Straße, um dann anstatt vor die Motorhaube wieder zurück in seinen Wald zu springen. Wir atmen auf!

Weiter geht es durch die verschneite Nacht. Nach vier Stunden abenteuerlicher Autofahrt kommen wir auf Sörbergets Husky Farm in 510 m Höhe bei Särna/Idre in der schwedischen Provinz Dalarna an (N61°39.17000´ E013°10.16800´) - nur ca. 90 km Luftlinie entfernt von unserem vorletzten Camp unserer Tour Skandinavien 99 am Femund See im letzten August ...

Wir werden freundlich begrüßt vom Hundeempfangskommitee: Casto, Didi und Pepper sowie Stefan Falter, der mehrfache Gewinner und Teilnehmer verschiedener Hundeschlittenrennen, der 1996 von Deutschland nach Schweden ausgewandert ist und hier seine Husky-Farm betreibt.

... und unsere BlockhütteAuf uns wartet nur wenige Schritte vom Farmhaus entfernt eine Blockhütte - von Stefan selbst erbaut - in der ein bullernder Holzofen bereits angenehme Wärme verbreitet. Auch das gemütliche Farmhaus haben Stefan und Nicole selbst umgebaut mit eigenem Brunnen und beheizter Wasserleitung ins Haus - braucht man hier draußen alles!

Im Farmhaus erwarten uns noch zwei weitere Gäste, die bereits schon eine Woche hier verbracht haben. An dieser Stelle senden wir unsere Grüße an Manuel, der die Hundeschlittentour von seinen Eltern zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Mit vollem Einsatz hat er Stefan und uns geholfen, dass wir alle - selbst im Chaos - noch viel Spaß hatten!

Nach kräftigem Essen (Stefan, du kannst nicht nur deine Hunde bestens beköstigen!) gibt es heute Abend bereits die erste Lektion. Stefan holt ein Hundegeschirr und erklärt, wie man es den Hunden überzieht. Didi, die nach zwei guten Wintern als Schlittenhündin beschlossen hat, aus dem Business aus- und ins Wohnzimmer umzusteigen - es macht ihr einfach keinen Spaß - muss uns als Anschauungs- und Übungshund dienen. Sie befürchtet wohl, dass sie wieder vor den Schlitten soll und lässt sich nur widerwillig das Geschirr an- und ausziehen. Zwar knurrt sie nicht und ist auch sonst recht still, aber scheint sie nicht einen echt angewiderten Gesichtsausdruck zu haben, heute Abend ..?

Stefan, Schlittenhunde sind sein Leben!Schon kurz darauf bringt uns Nicole Thermoanzüge und -stiefel, die wir von nun an jeden Tag draußen tragen werden. Immerhin sind Temperaturen zwischen -20° und -30°C zu erwarten, denn wir befinden uns hier an einem skandinavischen "Kältepol", bis ziemlich genau hierhin reichen laut Klimakarte die Ausläufer des "Subpolaren Klimas". In voller Montur gehen wir zum Zwinger. Am Tor erwartet uns Frosty - schneeweiß - und schaut Jürgen tief in die Augen, das ist Liebe auf den ersten Blick!

Stefan öffnet die Zwingertüren - eigentlich eher Schleusentore - und von überall kommen 10, 20, 40 und mehr Schlittenhunde (Siberian und Alaskan Huskies) auf uns zugelaufen. Wie in der Ankündigung beschrieben, sind sie tatsächlich überwältigend freundlich. Sie kommen angelaufen, wollen wissen, wie man riecht, springen hoch und Schlapp, denn einige wollen auch wissen, wie man schmeckt. Man kann sich dem Charme der Hunde nicht verschließen und jeder Gast wird von fast jedem Hund ausgiebig begrüßt. Dabei dürfen wir uns natürlich umschauen, wen wir in unserem Gespann haben möchten, aber seien wir mal ehrlich: Stefan beobachtet in dem Tumult genau, welche Hunde uns aussuchen und uns akzeptieren. Er wird für uns bis zum Morgen die Teams zusammenstellen ...

Auf die Schnelle werden sie uns vorgestellt: Panda, Chocolate, Frosty, Lippi, Wolf, Socke, Kevin, Siggen, Marvin, Louna, Louis, Lisa, Blue, Cika usw. Wir sind verwirrt, aber Stefan meint, er wäre schon zufrieden, wenn wir nach der Woche die Namen unseres Gespanns kennen.

Gute Nacht!Zusammen mit Stefan werden wir mit insgesamt 5 Hundeschlittengespannen auf  Tour gehen. Jeder Teilnehmer hat sein eigenes Hundeteam, für das er während der gesamten Tour verantwortlich ist.

Hinter dem Zwinger liegt die Arena, in der die Schlitten stehen und dann am Morgen die Gespanne zusammen gestellt werden. Als wir den Zwinger verlassen, beginnen die Hunde ein wolfähnliches Geheul. Das sei die Verabschiedung zur "Guten Nacht" von den Hunden, meint Stefan. Sie heulen aber öfter, nicht nur zur guten Nacht, viel besser als die bei uns übliche Kläfferei. Wir werden es noch oft hören ...


© Text/Bilder 2000 S. Zerlauth