Italien     Frankreich  Italien / Frankreich: Westalpen, September 2020

Zu Pässen, Pisten und Tälern in den Cinque Valli und der Haute-Provence


Nachdem unsere letzte Tour das Interesse an den Cinque Valli geweckt hatte, wollten wir beim nächsten Mal die Gegend intensiver und bei besserem Wetter erkunden. Überraschend können wir uns bereits drei Wochen nach unserem letzten Aufenthalt in der Gegend erneut auf den Weg machen, denn rund um Mitte September 2020 bietet sich uns dazu noch einmal die Gelegenheit ...

Von Nizza kommend fahren wir gen Norden über Isola nach Isola 2000, einem aus dem Boden gestampften Skiressort. Im Sommer zeigt ein solcher Ort seine hässlichen Seiten: Breite Schneisen durchbrechen den ehemaligen Bannwald und sorgen im Winter für freie Bahn der Skifahrer. Vereinzelte Baumgruppen stehen wie einsame Verkehrsinseln in der Landschaft. Im Winter mag dies ja schön sein, wenn jedoch kein Schnee die verletzte Natur bedeckt, fährt man am besten schnell die letzten 350 Höhenmeter weiter zum Colle della Lombarda (2.350 m). Auf der Nordseite öffnet sich die Landschaft und ein weites Hochtal empfängt uns: Hier gibt es viele freie Stellplätze mit Panoramablick und wir haben die Qual der Wahl. Die Nordseite des Passes ist auf jeden Fall eine Reise wert.

Die Hochebene lädt am nächsten Tag zu einer ausgedehnten Tour auf einem Bergkamm ein. Der Vorteil solcher Wege ist, dass die Höhenunterschiede überschaubar sind und wir zugleich Panoramablicke ohne Ende haben ...

Einladung zur Bergkamm-Tour ... Unsere Strecke ...

Natürlich sind auf diesen Höhen über 2.000 m die Nächte kalt und unser Optimismus in eine höhentaugliche Heizung (siehe die Lobeshymnen dazu im letzten Bericht! ) wird tief enttäuscht: Statt regulärer Verbrennung bevorzugt die Heizung den Fehler F01 (kein Heizungsstart); wohl wegen zu starker Verrußung durch Sauerstoffmangel. Es bleibt abends also kalt im Toyo, ein wenig hilft die Gasflamme beim Kochen, aber wir kochen ja auch nicht stundenlang. Wir kennen dies noch von unserer letzten USA-Reise und ertragen F01 deshalb mit Fassung. Die Stellplatzwahl der kommenden Tage wird davon geprägt, wie früh die Sonne auf das Auto scheint; vorher wird nicht aufgestanden ...

Auf der Nordseite des Lombarde-Passes liegt in einer Höhe von 2.075 m das wohl höchstgelegene ehemalige Kloster der Alpen: St. Anna di Vinadio.

Früher war die im 11. Jahrhundert gegründete Anlage ein wichtiger Stützpunkt bei Alpenüberquerungen. Heute ist es ein religiöser Wallfahrtsort, begehrter Endpunkt für leistungsstarke Radlfahrer, kurvenliebende Biker und bietet Wanderern Unterkunft. Es liegt am GTA (Grande Traversata delle Alpini), einem 1.000 km langen Weitwanderweg durch die Westalpen bis nach Ventimiglia.

Übernachtungsplatz an alten Militäranlagen nahe des Colle ValcaveraAuch Wohnmobile sind hier willkommen, allerdings nur für 3-4 Monate im Jahr. Im Winter liegen hier mehrere Meter Schnee, Postkarten zeigen Skifahrer direkt neben dem Kirchturm stehend, das Kirchengebäude selbst tief eingeschneit.

Wir erreichen die Cinque Valli, so werden die fünf Täler westlich von Turin bis Cuneo genannt. Wir fahren hinab in das südlichste der Täler, das Valle Stura. Von Demonte aus führt ein schmales Sträßchen zum Colle Valcavera (2.420 m). An dieser Passhöhe mussten wir drei Wochen zuvor wegen schlechtem Wetter umdrehen (siehe dazu in unseren letzten Bericht die beiden vorletzten Bilder).

Heute empfängt uns zu unserer Freude Sonnenschein mit Fernsicht; hier beginnt die Piste der Maira-Stura-Kammstraße (siehe dazu auch den Alpenstraßenführer Denzel Nr. 378, aktuelle 27. Auflage). Die Piste führt 20 km in dieser Höhe durch einsame Hochebenen und spektakuläre Landschaften. Die Strecke ist an Wochentagen frei und für Fahrzeuge mit ausreichender Bodenfreiheit befahrbar. Es ist nur zu hoffen, dass dies noch lange so bleibt und die Reisenden achtsam mit der Natur umgehen. Für uns zählt diese Strecke zu den eindrucksvollsten der Alpen ...

Das Valle Maira ist das zweite Tal der Cinque Valli und Startpunkt zur Anfahrt auf den Colle di Sampéyre (2.280 m). Die kleine, durchweg asphaltierte Passstraße bildet den Übergang in das dritte Tal, das Valle Varaita.

Auf der Passhöhe kreuzen wir die Varaita-Maira-Kammstraße (Denzel Nr. 375), eine 30 km lange Piste, die dem langgestreckten Bergkamm zwischen beiden Tälern folgt und von 1.700 m bis auf 2.285 m ansteigt. Wir verzichten auf diese Strecke, finden aber auf der Passhöhe einen ruhigen Platz zum Nächtigen, mit freiem Blick auf den Monviso (3.840 m), den weitaus höchsten Berg der Region, an dem der Fluss Po entspringt.

Einsame Hochebenen ... Durch die Täler der Cique Valli Monviso; vom Colle di Sampéyre aus

Wir fahren am nächsten Tag hinab in das Valle Varaita, Tal Nr. 3, und suchen uns am Fuße des Colle dell´ Agnello einen Nachtplatz auf 1.500 m Höhe. Die fehlende Heizung wirkt sich langsam auf unsere Kondition aus, abends und morgens ist es doch recht frisch im Toyo ...

Der Colle dell´ Agnello zählt zu den höchsten Alpenpässen und führt über eine Höhe von 2.746 m nach Frankreich. Die Passhöhe selbst bietet wenig Raum zum Verweilen, dafür öffnet sich die Westseite weit mit Blick auf die französischen Alpen mit bis zu 4.100 m Höhe.

Wir finden einen abseits gelegenen Stellplatz mit Abend- und Morgensonne; im Windschatten einer kleinen Kapelle und mit Gottes Segen kann ich unsere Brotvorräte ergänzen ...

Im Windschatten einer kleinen Kapelle ... ... werden die Brotvorräte ergänzt ... Festungsanlage Mont-Dauphin

Wir sind inzwischen in der Haut-Provence angekommen; haben die Pässe hinter uns gelassen und von nun an geht’s bergab in Richtung Mittelmeer. Der erste Halt ist die Festungsanlage Mont-Dauphin. Das heutige UNESCO-Weltkulturerbe wurde im Jahr 1690 von Vauban erbaut, dem berühmten Festungsarchitekten von König Ludwig XIV, dem man im Explorer Magazin bereits auch an vielen anderen Orten begegnet ist, so z.B. in Frankreich am Canal du Midi, in Belfort, Verdun und Coullioure, aber auch in Luxemburg oder Burghausen. Auf einem Hochplateau gelegen schützen die mächtigen Festungsmauern den kleinen Ort.

Für uns geht es danach weiter nach Sisteron, einem an der Route Napoleon gelegenen weiteren Festungsort, über die seinerzeit Napoleon nach seiner Flucht von Elba in Richtung Paris eilte, um dort die Macht zurückzuerobern ...

Die malerische Altstadt und die Zitadelle, hoch über dem Fluss Durance gelegen, laden zu einem Bummel ein, wenngleich zu Coronazeiten der Maskenzwang in der Innenstadt den Spaß doch um einiges trübt ...

Jetzt ist es nicht mehr weit zur Klosteranlage Salagon: Die Anlage, deren Grundmauern bis in die Römerzeit reichen, wird sorgfältig gepflegt und es ist eine Freude und Inspiration, sich durch die gut dokumentierten ethnobotanischen Anlagen und alten Gemäuer treiben zu lassen. 1.700 verschiedene Pflanzen sind hier nach Themengebieten geordnet und wunderschön angelegt.

Wir verbringen hier zwei Nächte und lassen so unsere Tour über Pisten, Pässe und Täler entspannt ausklingen ...

Alte Gemäuer ... ... rund um die Klosteranlage Salagon ...
1.700 Pflanzen, geordnet nach Themengebieten ... Eine wunderschöne Anlage ...

Nachtrag: Geht doch ..!?

Später auf Meereshöhe sprang die Heizung unter starkem Qualen wieder an und brannte sich danach wieder frei ...


© 2020 Hans-Jörg Wiebe


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Hans-Jörg finden sich in unserer Autorenübersicht!