Eine Seefahrt mit dem Zug ...

Ein herrliches Frühstückbuffet erwartet uns am Morgen, man kann sogar seine Eier selbst kochen! Zwar sehen die Damen vom Service ein wenig finster und herrisch drein, aber sie sind wirklich um unser Wohlergehen bemüht und sorgen dafür, dass es an nichts mangelt.

Heute besuchen wir den letzten Winzer auf der unserer Liste: Domaine Vial-Magnères. Es ist nicht einfach in dieser Kellerei einen Besuchstermin zu bekommen - und schon gar nicht zur Erntezeit - denn der Chef Olivier Saperas arbeitet nebenbei Fulltime als Lebensmittelchemiker in Perpignan. Seit vier Generationen ist die Kellerei in Familienbesitz. Auf 10 Ha, die auf mehrere kleine steile Weinberge mit Schieferböden entlang der Küste verteilt sind, werden die Trauben - fast nur Grenache - angebaut.

Besuch bei Vial-Magnères ...
Vial-Magnères: Kurze Wege von Produktion zu Degustation ... ... und in den Verkauf

In dieser Domaine wurde Geschichte geschrieben: Der Vater Bernard Saperas war der erste Winzer, der weißen Banyuls herstellte. Er verstarb 2013 während der Ernte, ist aber trotzdem überall noch präsent.

Wein wird in der 1960 erbauten Kellerei traditionell produziert, auf kleinstem Raum. Am Eingang findet sich ein lustiges Bild, das ein Freund der Familie malte, quasi als Gegenleistung dafür, dass er immer wieder hier zusammen mit Gaby Vial, dem Großvater des Chefs, die eine oder andere Flasche Wein geleert hat ...

Vom Eingang aus sieht man schon die Gärtanks und großen Fässer, oben drüber befinden sich die kleinen Fässer zum Ausbau der Weine, wenige Schritte davon entfernt ist der Weinshop und ein weiterer Raum mit Fässern, daneben der liebevoll gestaltete Degustationsraum. Auf so kleinem Raum entstehen Weine, die weltweit in Sternelokalen kredenzt werden, wie die ausliegenden Speise- und Weinkarten belegen.

Man lässt den Weinen Zeit sich zu entwickeln und falls sich Hefe bildet, lässt man diese auch gewähren. Sollte das ganze Ergebnis nicht den hohen Ansprüchen genügen, wird Essig draus gemacht - eine Art Balsamico. Es verkommt nichts.

Wir probieren uns durch das Sortiment:

Rotwein

Rotwein:

  • Petit Couscouril aus 2012 (Grenache)
             Weißwein

Weißwein:

  • Petit Couscouril aus 2013 (Grenache blanc, Grenache gris)

Rosé

Rosé:

  • Petit Couscouril aus 2013 (Grenache)

    

Süßwein

Süßwein:

  • Rimage Ambré
  • Banyuls Grand Cru
  • Banyuls Tradition

Nach der Verkostung kann man verstehen, warum die Weine so begehrt sind!

Bei der Abfahrt von der Domaine gibt es eine schlechte Nachricht: Unser geplanter Bootsausflug fällt ins Wasser, denn der Wind hat dermaßen aufgefrischt, dass der Bootsführer keine Touristen fahren möchte und alle Beteuerungen, wie seefest wir doch sind, können den Veranstalter nicht umstimmen.

Aber das bringt Gerhild Burkard nicht aus dem Konzept: In Coullioure gibt es einen kleinen Zug, der durch den Ort und den Berg hoch zum Fort Saint-Elme fährt, das im 16. Jhdt. erbaut wurde. Auch hier hat der uns mittlerweile bestens bekannte Festungsbaumeister Vauban ca. 100 Jahre später einige Verbesserungen vorgenommen.

Es beginnt zu tröpfeln, schnell steigen wir ein und zockeln durch enge Gassen des Orts, Weinberge und Garrigue hinauf. Oben angekommen steigen wir aus, um den weiten Blick auf die Bucht und Coullioure zu genießen. Da kann man verstehen, dass schon in der Steinzeit hier Siedlungen entstanden und der Hafen seit der Antike eine große strategische Bedeutung hatte.

Zusammen mit uns steigt auch eine spanischen Reisegruppe aus, die unbedingt ein Gruppenfoto machen will. Gerhild - Vollblutreiseführerin - übernimmt kurz das Kommando, stimmt den Trupp ein und verhilft ihnen so zu tollen Bildern mit ausgelassener Stimmung.

Eine Bahnfahrt, die ist lustig ... Gerhild: Souveräne Weinberatung, perfekte Entertainerin ...
Fort Saint-Elme und die Mühle von Coullioure ... Chateau Royal mit Wehrkirche ...

Da der Regen aufgehört hat, beschließen wir durch die Weinberge zu Fuß in den Ort hinabzusteigen. Der Fahrer der Bahn bestärkt uns und erklärt, da man die Wehrtürme auf den umliegenden Bergen sehen kann, wird es nachhaltig aufhören zu regnen. Wir glauben dem alten Wetterfex.

Auf halbem Weg befindet sich die Windmühle von Coullioure aus dem 14. Jhdt.: Einst eine Getreidemühle wurde sie vor dem Verfall gerettet und ist heute eine funktionstüchtige Olivenölmühle. Vorbei am Museum für moderne Kunst sind wir bald wieder in der Bucht La Ballette.

Man muss aufpassen, dass man keine nassen Füße bekommt, denn die Wellen überspülen den Weg am wuchtigen Chateau Royal (auch hier hat Vauban das eine oder andere umgebaut), dessen Geschichte sich bis 673 n. Chr. zurückverfolgen lässt. Zusammen mit dem Anblick der Wehrkirche Notre-Dame-des-Anges und der Kapelle St.-Vincent ahnt man, dass dieser Fischerort historisch viel erlebt hat.

Zahlreiche Maler wie Georges Braque, Raoul Dufy, Henri Matisse, Maurice Utrillo und Pablo Picasso hielten sich hier auf, da die Farbigkeit des Orts und der Umgebung sie inspirierte. Eine Kunstinstallation von Marc-André 2 Figueres würdigt die Maler, überall stehen Bilderrahmen, so dass jeder sein eigenes Motiv finden und daraus ein Bild machen kann.

Windgeschützt im Hafen genießen wir draußen noch einen Aperitif, bevor wir am Abend das Sternelokal La Ballette besuchen.

St.-Vincent und der alte Leuchtturm ... Der Rahmen für das Kunstwerk wartet schon ...
Markttag in Coullioure ... Bahnfahrt ins Ungewisse ...

Es herrscht eine schöne Abendstimmung, der Regen hat sich tatsächlich verzogen. Ein herrlicher Blick aus dem Speiseraum auf die Bucht und die beleuchteten Gebäude verspricht einen schönen Abschiedsabend.

Auch hier hat man ein mehrgängiges Menü für uns vorbereitet, doch leider keine Menükarten, so dass man dem Kellner sehr genau zuhören muss, um zu wissen, was einen auf dem Teller erwartet. Das Essen ist geschmacklich eher puristisch, keine Explosionen von Gewürzkombinationen, sondern intensiver Geschmack des jeweiligen Grundprodukts. Nicht bei allen Teilnehmern findet diese Zusammenstellung den gewohnten Anklang. Zusammen mit dem Sommelier wählt Gerhild als Weißwein Le Clos des Vignes von Domaine Gardiès aus 2013 (Grenache blanc, Grenache gris, Macabeu, Roussanne) und als Rotwein Quadratur von Coume del Mas aus 2011 (Grenache, Mourvèdre, Carignan) - wie üblich eine perfekte Weinbegleitung.

Leider neigt sich nun auch diese Weinreise dem Ende entgegen. Auch diesmal ein voller Erfolg! Wir haben so viel gelernt, so viel Regionales in Bioqualität genossen, wir waren bei den zur Zeit angesagtesten Weingütern, wir haben gesehen, wie die heiß diskutierten Naturweine entstehen und vor allem: wir haben sie verkostet. Der Weinhorizont hat sich wieder mal erweitert ...

Wir bleiben noch in der Region, denn wir haben eine Bootstour auf dem Canal du Midi geplant und müssen ganz ohne unsere Sommelière, Reiseleiterin, Simultandolmetscherin, Chauffeurin, und Entertainerin Gerhild Burkard auskommen - schwere Zeiten!

Es ist Sonntagmorgen, wir verabschieden uns von allen und ziehen zuerst zum Markt, um uns schon mal ein wenig für unsere Bootstour mit Leckereien einzudecken. Hier herrscht munteres Treiben, Straßenmusiker spielen auf, Freunde treffen sich auf ein paar frische Austern mit einem Glas Weißwein. Betörender Duft von allerlei Gebäck zieht über die Marktschirme. Wir können das nur kurz genießen, denn wir müssen weiter zum Bahnhof, zu unserem Zug nach Agde, hinein in ein neues Abenteuer ...


© 2016 Sixta Zerlauth