Island 2022 - lässt einfach nicht locker ...
... und das, obwohl das Thema doch eigentlich tot geritten ist ...
Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen ...
Seit mindestens drei Islandbesuchen denke ich mir, dass es nun doch endlich genug sei. Doch keine Chance: Der Suchtfaktor ist einfach zu groß. Was gibt es noch zu schreiben, was über Island nicht schon längst geschrieben wäre? Ich bin ja selber Wiederholungstäter, bei dem Island sehr hartnäckig und nachhaltig wirkt, darum wird mir wohl immer wieder etwas einfallen.
Zuerst die Entwicklung: Eigentlich will ich schon lange zum Baikalsee nach Russland. Das gestaltet sich aber im Moment nicht so einfach. Darum geht es wieder mal nach Island. Irgendwo muss man ja hin?? Mal wieder ein Plan B: Er beinhaltet den Sommer in Island zu verbringen. Kein schlechter Plan B in meinen Augen, denn ich habe mir schon lange einige Wege in Island herausgesucht, die ich mal fahren könnte und Island ist immer eine Reise wert. Meine sechste Reise nach Island wird das also werden ...
Besondere Begegnungen und Ereignisse sorgen für den Stoff aus dem Artikel sind, auch wenn ich doch eigentlich über Island nicht mehr schreiben wollte. Mir begegneten bereits in Dänemark auf dem Weg nach Island zwei Vespa Fahrer aus Italien, die ihre alten Roller aus den 80er Jahren mit vielen modernen Teilen von Malossi restauriert hatten. Von Malossi gesponsort wollten sie einen Bericht über ihre Tour machen. So eine Vespa kann zwar auch der italophilste Motorradmensch wie ich nicht als "Motorrad" bezeichnen, aber ein italienischer Klassiker ist sie ja doch, oder ? Dies nur vorab als Beispiel, wie viele schöne Begegnungen selbst in bekannten Gegenden auf Reisen möglich sind. Wir hatten schon zu Beginn ein paar Tage unseren Spaß auf der Fähre. Zwei wirklich nette Kerle ...
Fähre mal anders ...
In Hirtshals auf die Fähre MS Norröna nach Island zu fahren geht inzwischen ohne Aufwand: Nicht mal mehr ein papierenes Ticket braucht man, die Buchung reicht. Früher war das richtig Papierkram, den man bereits an der Pforte zum Hafen in Hirtshals erledigen musste. Jetzt erkennt einen die Dame im Schalter bereits am Autokennzeichen, fragt kurz nach dem Namen und übergibt einem alles inkl. Kabinenschlüssel. Dauer keine Minute. Moderne Zeiten ..!
In der Warteschlange vor der Fähre war es kurzweilig wie immer: Man befindet sich ja in einer Schlange mit lauter gleichgesinnten Spinnern und vielen Geländewagen. Die Zeit vergeht wie im Flug.
Nach der Übergabe eines Kabinenschlüssels dachte ich bis zum Schluss, alles verliefe wie geplant: Jedoch stellte sich der vermeintliche Kabinenschlüssel als Zugang zu den Couchettes heraus. Ein Upgradeversuch war erfolglos, denn das Schiff war ausgebucht. Nun hatte ich aber dummerweise nicht mal ein Kopfkissen dabei, geschweige denn eine Decke. Ich hatte ja "Kabine" angeklickt. Man hat mir aber in Aussicht gestellt, dass es vielleicht am nächsten Morgen nach dem Anlegen in Tórshavn ein Upgrade geben könnte. Mit der Fleecejacke und angekleidet zu schlafen ist erst mal kein Problem bei den Temperaturen im Schiff. Wichtig ist die Matratze, um nicht auf dem Boden liegen zu müssen und die gibt es bei den Couchettes ja.
Letzten Endes war ich froh, nach den Corona-Querelen dieses Oneway Ticket überhaupt bekommen zu haben. Die Rückfahrt ließe sich von Island aus schon irgendwie regeln. Meine Idee war Standby an der Fähre in Seyðisfjörður zu warten und den Platz von nicht erschienenen Reisenden einzunehmen. An anderen Fähren machte ich das schon öfter, es ging immer und die Smyril-Line empfahl es mir hier ebenfalls. Auch hier auf der Fähre liefen immer noch Menschen mit Corona-Gesichtsmasken herum, obwohl alle Maßnahmen längst beendet wurden. In Island schon sehr früh: Man fragt sich unwillkürlich, ob Island das richtige Ziel ist, wenn man so viel Angst vor dem Leben hat ...
Im Hafen der Färöer, in Tórshavn, bekam ich einen Eindruck von der Unaufgeregtheit, die mir bevorstand. Ich sah das Ganze ja schon einige Male und konnte darum entspannt die Menschen beobachten, ohne begeistert selbst Bilder zu machen. Viele Reisende standen auf dem Deck oder drückten sich an Fenstern die Nasen platt. War ich die ersten Male auch so? Wahrscheinlich schon, aber ich habe sicher keine Selfies gemacht und künstlich in mein Handy gegrinst!? Ich liebe es inzwischen bei Selfies anderer im Hintergrund mit eindeutigen Gesten zu stehen und stelle mir vor, wie groß die Überraschung sein mag, wenn zuhause begutachtet wird, wo man war und den Hintergrund erkennt ...
Ich freue mich schon auf die Ankunft am Eingang zu Seyðisfjörður, wenn Island auftaucht. Ich kann mich gut erinnern, wie wir beim ersten Mal alle begeistert an Deck standen und Einigen beim Anblick der Schneefelder auf den Bergen die Gesichtszüge entgleisten. Es war gut erkennbar, dass man sich das SO wohl nicht vorgestellt hatte!
Für mich ist es trotzdem ein seltsames Gefühl: Ich fühlte mich nicht wie ein Urlauber, denn ich kann ja bleiben, so lange ich will. Ich habe ja noch nicht mal die Rückfahrt gebucht. Rentnerdasein hat auch Vorteile, obwohl man ja bekanntermaßen dann überhaupt keine Zeit für irgendwas mehr hat. Dazu kommt noch, dass ich das alles in Island ja gut kenne und mit einem gewissen Vergnügen die Gespräche anderer und ihre Einschätzungen der Dinge in Island zur Kenntnis nehme. Auch das fördert meine Unaufgeregtheit trotz des spektakulären Aufenthalts, der mich erwartet. Island ist einfach immer spektakulär.
Pünktlich zum Einlaufen in den Fjord riss die Wolkendecke auf und es war bei Sonnenschein so umwerfend wie jedes Mal. Zu meinem Erstaunen wurde ich jedoch zum ersten Mal beim Verlassen des Schiffes von den Zöllnern heraus gewunken. Ich dachte, die würden mich jetzt sofort filzen und ich überlegte unwillkürlich, ob der Whisky wohl gut genug im Auto versteckt sei?
Ich wurde jedoch gar nicht gefilzt, sondern man erklärte mir, dass ich mein Auto registrieren müsse, da ich nur ein Oneway Ticket habe. Man wolle ja nicht, dass ich mein Auto hier unter der Hand verkaufe und zurückfliege. Als ob ich den Landy hergeben würde! Am Zoll wusste man also über Dinge längst Bescheid, die mir gar nicht präsent waren. Die Registrierung kostete nichts und es ergab sich ein sehr nettes Gespräch mit den äußerst hilfsbereiten Zöllnern, als sie anhand der Aufkleber am Auto bemerkten, dass ich wohl schon öfter da gewesen bin.
Zum sechsten Mal auf der Insel ...
Seit diesem Morgen bin ich nun also zum sechsten Mal (!) in Island. Ich dachte mir, ich könnte alles recht entspannt angehen und Leute beobachten. Aber dieses umwerfende Land zieht einen immer wieder in seinen Bann. Jetzt mache ich doch wieder Bilder von Motiven, die ich eigentlich längst fotografiert habe und mehrfach besitze. Ich habe mir extra zu Beginn eine Strecke ausgesucht, die nicht kannte ... vermeintlich. Denn plötzlich war da ein Museum, in dem ich schon mal war. Dieses Land ist wirklich eine Ausnahme in jeder Hinsicht: Hier kommt man an und denkt sich nichts Besonderes, denn man kennt ja schon alles und dann zieht es einem doch einfach die Füße weg. So mancher Anblick haut einen einfach um. Dieses Land stellt irgendetwas mit einem an ...
Wie immer entschied ich in Egilsstaðir an der Ringstraße nach Wetterlage, in welche Richtung ich fahren würde. Eine feste Routenplanung ist in Island quasi der Garant für schlechtes Wetter. Man schaut deshalb im Internet, wo das Wetter schön sein wird und da fährt man hin. Auf diese Weise kommt man auch überall herum. Ich bin erst nach Süden, weil das Wetter da besser zu sein versprach. Leider nicht wirklich lange. Es reichte aber komfortabel und sehr schön für Hvannagil, eine wunderschöne Schlucht im Stafafell. "The Golden Valley" wird die Schlucht auf neuhochdeutsch auch genannt.
Dann wieder nach Nordosten und raus auf die Halbinsel Langanes, immer der Sonne hinterher: Auf dem Weg noch schnell im Museum Bustarfell vorbei geschaut, das einen recht starken Eindruck hinterlässt, wie man in Island sehr lange lebte und baute. Bis 1966 war der Hof bewohnt. Viele Wände der Gebäude sind aus Grassoden aufgeschichtet, der gegen die Kälte im Winter hervorragend isoliert. Man könnte nun auch sagen, dass mich das schlechte Wetter vor sich her trieb, aber bei mir war es echt immer angenehm!
Draußen auf der Halbinsel im äußersten Nordosten war das Wetter dann doch sehr schlecht. Ich konnte nicht draußen bleiben, weil es zu sehr stürmte, obwohl ich das im verlassenen Fischerdorf Skálar eigentlich vorhatte. Kein Wunder, dass das Dorf 1955 verlassen wurde!
Auf der Anhöhe vor dem Dorf liegen die Überreste einer verlassenen Radarstation der Amerikaner. Wie so häufig wurde alles, was technisch nicht mehr nutzbar war, einfach zurückgelassen und verfällt. Geschichtsträchtiger Boden ist es vielleicht genau aus diesem Grund, denn hier betrieben die Amerikaner eine ihrer ersten Radarstationen im zweiten Weltkrieg. Der Ort Skálar selbst besteht nur noch aus wenigen Gebäuderesten und hat bei diesem Wetter etwas gespenstisches. 1955 wurde er endgültig verlassen. Der reine Fischereiort hat die Umstellung von Seglern auf Motorkutter wirtschaftlich nicht lange überstanden. Die Motorkutter konnten fast überall anlanden, auch dort, wo mehr Fische waren. Skálar hatte nur den Vorteil, dass es für die Segler gut anzulaufen war. Die Halbinsel Langanes selbst ist ein sehr beliebter Platz für Vogelbeobachtung.
Ich bin nach einem Besuch in Ystafell, meinem Lieblingsautomuseum (und auch dem von Sepp? ), in einem kleinen Hotel angekommen, nachdem ich nun etwas kränkelte. Zwei Nächte im warmen Hotelzimmer direkt an der N1 würden mir gut tun. Was für ein Glück, ein Hotel zu finden! Es gibt zwar Unterkünfte an jeder Ecke, aber alle waren ausgebucht. Ohne die Buchungshilfsmittel im Internet ist man verloren, denn mit "Trial and Error" hat man keine Chance. Einfach hinfahren und fragen ist aussichtslos, weil es da sowieso nur eine Schlüsselbox und kein Personal gibt. Der Portier hat ausgedient. Wieder drängt sich die Frage nach dem Massentourismus in Island auf, der ja wohl die Ursache für so etwas sein muss. So ist das Wesen des Tourismus ohne Zweifel, aber wenn sogar völlig ohne Massen das Verhältnis zwischen Betten und Touristen ausgeglichen ist, dann ist auch alles voll. Dass sich die Unterkünfte an der N1 konzentrieren, versteht sich. Nach wie vor ist es also wichtig, sein eigenes Bett immer dabei zu haben und schon spürt man von den oft und viel zitierten "Massen" nur noch an wenigen Hotspots etwas, die man leicht umgehen kann. Wer dort hinfährt, ist dann auch ein wenig selbst schuld. Sich am Mailänder Dom über Massentourismus zu beschweren, ist ja auch etwas realitätsfern ...
Zurück zum Museum Ystafell: Es ist in meinen Augen ein sehr spezielles Automuseum. Drin in der Halle ist alles schön restauriert und so, wie es in einem Museum eben aussehen muss ... nichts wirklich Besonderes also. Es beinhaltet ausschließlich Fahrzeuge, die in Island gefahren wurden, sogar den einzigen DeLorean Islands, der als Werbemittel eines Edelstahlhändlers importiert wurde. Keine 8.000 km hat er drauf.
Aber hinter der Halle ist als wahre Sehenswürdigkeit ein traumhafter Schrottplatz, den man wahrlich nur als künstlerisches Stillleben bezeichnen kann. Er hat in seiner Morbidität etwas kunstvolles und wimmelt nur so von verfallenen Raritäten und Eigenbauten, die sich zusammen mit der Natur kunstvoll arrangiert haben. Müsste man so etwas neu herstellen, es würde nicht gelingen.
Bereits zum vierten Mal war ich da. Beim dritten Besuch traf ich den Besitzer und unterhielt mich mit ihm. Ich sagte ihm fast bedauernd, dass ich schon öfter hier war, aber diesmal nur auf den Schrottplatz gehen werde, denn eigentlich finde ich den ja "viel toller als das Museum selbst". Er antwortete grinsend "ich auch"!
Gleich um die Ecke ist der Godafoss und er ist als eines der Touristenhighlights exemplarisch für die großen Sehenswürdigkeiten Islands. Am Godafoss ist die Hölle los: Einmal anschauen muss man ihn, ist er doch ein wunderschöner Wasserfall. Der Sage nach haben hier im Wasserfall die Wikinger um das Jahr 1000 herum ihre Götzenbilder entsorgt, nachdem sie christianisiert wurden. Aber jeder weitere Besuch bestätigt nur den gleichen Eindruck: Schöner Wasserfall mit Touristennepp. Selber schuld ... trotzdem bei weitem nicht so viel wie am Mailänder Dom! Und: Andere Wasserfälle wie z.B. der Gjallandi auf dem nebenstehenden Bild sind ja nicht so überlaufen ...
Natürlich durfte ein Besuch bei meinen Freunden in Kópavogur nicht fehlen: Das war also das nächste Ziel. Ich blieb ein paar Tage bei ihnen, aber sie mussten ja tagsüber arbeiten und so machte ich ein paar Tagestouren.
Die Lobster Soup im Bryggjan in Grindavík war wieder Klasse! Am Fagradalsfjall Vulkan sind nach dem Ausbruch von 2021 immer noch viele Touristen. Die Parkplätze, die extra für die Besucher des Ausbruches angelegt wurden, existieren ja noch. Natürlich musste ich da auch hin. Aber es tut sich nichts mehr. Nicht mal mehr Rauch. Es lohnt sich wirklich nicht mehr (später mehr dazu!). Da ist in der Leirhnjukurspalte im Norden an der Krafla mehr geboten, obwohl der Ausbruch Jahrzehnte her ist ...
Gletscherlauf ...
Wie schon bei jedem Besuch habe ich natürlich auch diesmal wieder Bilder vom Gigjökull gemacht und bin nach Þórsmörk gefahren. Hier kam der Gletscherlauf des Eyjafjallajökull-Ausbruches 2010, bei dem ich war, herunter und hat das Gesicht der Gletscherlagune völlig verändert. Eigentlich durch Glück war ich im Jahr vor dem Ausbruch an genau derselben Stelle und habe ein Bild gemacht, das die Grundlage für diese Fotoserie wurde.
Zur besseren Verdeutlichung habe ich eine markante Felskante rot markiert. Ich würde mal schätzen, dass es vom Wasserspiegel bis zur Markierung ca. 15 Meter sind.
Inzwischen scheint die Entwicklung nicht mehr so spektakulär zu sein, außer dass die Flussdurchquerung in der Mitte des Bildes von 2022 tückisch sein kann. Man sollte tunlichst nicht am Morgen bei wenig Wasser hin fahren und am Nachmittag bei viel Wasser nicht mehr zurückkommen. Aber der nächste Morgen kommt bestimmt, dann kann man wieder durch ... wenn der Ablauf vom Gletscher durch die Kälte der Nacht wieder weniger ist. Während des Tages steigt der Wasserstand durch die Tagestemperaturen am Gletscher. Deutlich erkennbar ist jedoch, wie schnell sich die Vegetation erholt hat, weil die Asche des Eyjafjallajökull entgegen den Befürchtungen damals ein guter Dünger war ...
© 2022 Sigi Heider