Dänemark 2003:
Schwerpunkt: Hinterlassenschaften - Deutsche Spuren in Norddänemark ...
Bereits bei unserer Tour Skandinavien 2000 waren wir auf Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg gestoßen: Im Norden von Norwegen hatten wir die ehemalige Festung Gamvik besucht - beredtes Zeugnis früherer deutscher Aktivitäten am Eismeer ...
Und auch diesmal geht es eigentlich wieder um Norwegen: Denn das, was wir heute in Dänemark vorfinden, steht in unmittelbarem Zusammenhang zu eben diesem damaligen Geschehen in Norwegen.
Bei all diesen Aktivitäten ging es vor allem um Seemacht, die gewährleisten sollte, dass die strategischen Vorhaben der deutschen Führung auch umgesetzt werden konnten. Kommen wir noch einmal auf das Buch zurück, das wir bereits in Hinblick auf die Geschehnisse in Norwegen zitiert haben.
Aus: "Seemacht" v. E.B.Potter, Ch.W.Nimitz, J.Rohwer, Kapitel 28: Der zweite Weltkrieg: Überwasser-Operationen im Atlantik 1939-1943, Die Invasion Norwegens:
"Aber noch eine weitere geographische Gegebenheit, die vielleicht nicht so offensichtlich ist, machte die Benutzung der norwegischen Gewässer für Deutschland fast noch lebenswichtiger.
Die norwegische Küste zwischen Egersund und dem Nordkap bietet einen rund 1000 Seemeilen langen, an den meisten Stellen geschützten Weg zwischen den der Küste vorgelagerten Inseln und dem Festland. Dieser Weg, bekannt als `the Leads´ hat Norwegen schon seit den Zeiten der Wikinger als Hauptverbindungsweg gedient. Er wurde auch von den Deutschen in beiden Weltkriegen benutzt. ...
Sehr viel größere Bedeutung hatte dieser Weg in den geschützten norwegischen Gewässern dagegen für die deutsche Handelsschiffahrt, sei es für die aus Übersee ... eingetroffenen Schiffe, oder sei es für die Erzschiffahrt von Narvik. ...
Die ... Fälle zeigten, daß die Leads nicht so sicher waren, wie es scheinen mochte. Schließlich trafen in Deutschland Berichte des Nachrichtendienstes ein, daß die Engländer planten, die Leads zu verminen. Die deutsche Seite befürchtete, daß die Norweger sich fügen würden. Hitler faßte den Entschluß zur Invasion Norwegens und Dänemarks, und am 21. Februar 1940 wurde der Stab für die Vorbereitung dieser Operation `Weserübung´ aufgestellt. ...
Dänemark leistete nur geringen Widerstand. 1000 Soldaten landeten in Kopenhagen, und eine kleinere Gruppe an der Westseite von Seeland, wo sie schnell die entscheidenden Positionen und Verbindungseinrichtungen besetzten. ..."
Soviel zur Vorgeschichte der Besetzung von Dänemark, deren Spuren wir heute noch im Norden des Landes finden.
Bunkermuseum und Batterien Hanstholm I und II
Aus den Informationsschriften des Bunkermuseums:
"Außer den zwei großen Häfen bei Esbjerg und Frederikshavn betrachteten die Deutschen auch die Einfahrt zum Limfjord und das Gebiet Hanstholm mit dem inganggesetzten Hafenbau als taktisch besonders wichtige Gebiete.
Und daher begann die deutsche Kriegsflotte gleich am ersten Tag nach der Besetzung Dänemarks am 9. April 1940 die Erkundung bezüglich der Aufstellung von zwei Kanonenbatterien; eine auf der Südspitze von Agger Tange (Anm. der Red.: Thyborøn, an der Einfahrt in den Limfjord, siehe Karte unten) und eine bei Hanstholm. ... Ab 30. Juni 1940 erhielten die Batterien jedoch die Namen `Thyborøn´ und `Hanstholm´. ... (In Hanstholm) wurde die 17cm-Batterie als `Hanstholm I´ bezeichnet, und die 38cm-Batterie erhielt den Namen `Hanstholm II´ ...".
Es ist diese Batterie "Hanstholm II", die wir nun mitsamt dem dortigen Bunkermuseum (N57.120° E008.618°) besichtigen, während wir auf die Fähre warten - eine noch heute gewaltige Anlage, die einst im Frühling 1942 in den "Westwall" integriert wurde, was auch den Beginn des "Atlantikwalls" darstellte. Vom Charakter her handelt es sich um eine Seeziel-Batterie, wie wir sie bereits schon einmal im Zusammenhang mit der Festung Gamvik in unserem Modellkeller vorgestellt haben.
Die Anlage in Hanstholm gilt als Nordeuropas größte Festungsanlage. Sie hatte bei Kriegsende eine Fläche von 9 qkm sowie eine Besatzung von mehr als 3000 Mann und verfügte über vier 38cm-Geschütze. Mit einer Reichweite von 55 km sollte die Batterie gemeinsam mit der im südnorwegischen Kristiansand gelegenen 38cm-Batterie die etwa 120 km breite Einfahrt zum Skagerrak sperren. Ein derartiges 38cm-Geschütz wies eine Rohrlänge von 19 m auf und wog 110 Tonnen. Und noch ein interessantes Detail für Militärhistoriker: Bei diesen 38cm-Geschützen handelte es sich um solche, wie sie sonst auf Schlachtschiffen installiert wurden - allein die Bismarck hatte 8 derartige Geschütze in Doppellafetten an Bord, wie unser Modell des berühmten Schlachtschiffs zeigt ...
Im Kinosaal schauen wir uns Originalausschnitte alter Wochenschauen und anderer Filme an, die mit dem Geschehen rund um die Festung Hanstholm in Verbindung stehen. Die Filmvorführungen finden ebenfalls im Dokumentationscenter statt, das direkt neben dem Museumsbunker steht, der den einstigen 3. Geschützstand der Anlage enthält.
Wir fahren nicht mit der Feldbahn, die seinerzeit zum Transport von Munition diente, sondern machen einen Rundgang über das Gelände, in den unterirdischen Katakomben und oben auf dem Drehkranz des Geschützstandes. Die beste Übersicht über die gesamte Anlage gewinnt man zweifellos am Modell, eines davon zeigt den Geschützstand im Querschnitt und befindet sich ebenfalls in einem der Räume der Batterie.
Hanstholm I und II waren in der Tat beeindruckende Festungsanlagen, die aber wie so oft bei derartigen Bauten eigentlich kaum einem tatsächlichem Zweck gedient haben: So gab die Batterie Hanstholm I ihren ersten und letzten "ernst gemeinten" Schuss im Mai 1941 ab, der als Warnschuss auf einen dänischen Fischkutter abgefeuert wurde. Nicht ohne Grund wurde der Bereich spöttisch als "Sahnefront" bezeichnet - so gut war die Versorgung und so wenig Krieg fand hier tatsächlich statt.
Zumeist Schießübungen folgten in den späteren Jahren, nach einem Umzug der Stellung im Jahr 1944 wurde aus diesen Geschützräumen nie mehr geschossen ...
Das Bunkermuseum bei Thyholm am Oddesund
Nicht weit von Struer entfernt liegt das Bunkermuseum am Oddesund (56.58° E008.552°) - auch das ein Zeugnis des Versuchs, nicht nur die Seeherrschaft in diesem Bereich Dänemarks für Deutschland zu sichern. Wie wir bereits oben zitiert haben, war die Festung `Thyborøn´ den Befestigungen am Oddesund vorgelagert und sollte die eigentliche Einfahrt in den Limfjord verteidigen. Hier jedoch ging es um die Sicherung der Oddesundbrücke gegen Luftangriffe, da es sich bei dieser um einen strategisch wichtigen Knotenpunkt für den Land- und Seeverkehr handelte. Bei einer Verteidigung gegen Angriffe von See hätte ein potentieller Eindringling zunächst an Thyborøn vorbei in den Limfjord eindringen müssen ...
Der hier stehende Museumsbunker diente der deutschen Luftwaffe als Kommandobunker für die Flakbatterie westlich der Oddesundbrücke. Eine ähnliche Batterie wurde östlich der Brücke erbaut - hier sind jedoch 4 der 5 Bunker inzwischen abgerissen worden. Sie erwiesen sich aufgrund ihrer soliden Bausweise insgesamt als so schwer zu entfernen, dass man sich entschloss, die restlichen Bunker als Museum zu präsentieren.
Der Bunker mit der "Regelbau"-Bezeichnung "L410A" wurde erst im Sommer 1944 erbaut, insgesamt gab es in Dänemark 17 Anlagen dieses Typs. Mit 2 m starken Decken und Außenwänden ausgestattet, hatte der Bunker eine Besatzung von 16 Soldaten. Der ursprünglich für eine 3,7cm-Flak ausgelegte Bau wurde schließlich mit einer 2cm Vierlingskanone ausgestattet. Bei einer maximalen Schießhöhe von 3,7 km erreichte man damit eine Reichweite von nahezu 5 km.
Ganz in der Nähe suchen wir noch einen weiteren Bunker auf: Diesmal ist es ein ebenfalls 1944 erbauter "L411A", einer von insgesamt 26 Scheinwerferbunkern in Dänemark. Auch hier finden sich 2 m starke Decken und Außenwände, untergebracht war darin ein Suchscheinwerfer, der Flugzeuge und verdächtige Schiffe ausmachen sollte. Zur Benutzung musste er zunächst aus der Panzerpforte des Bunkers heraus gerollt werden, der somit im Wesentlichen als "Garage" fungierte.
Die Stromversorgung des Scheinwerfers erfolgte über einen Dieselgenerator im Bunker, außerdem war hier ein Aufenthaltsraum für die Mannschaft vorhanden. Neben einem Turm für einen MG-Stand verfügt der Bunker auch über Schießscharten zur Verteidigung im Nahkampf. Während des Krieges war die Anlage überwiegend mit Sand und Kies bedeckt, jetzt ist sie weitgehend frei gelegt.
Nicht bekannt ist uns, ob aus der Bunkeranlage am Oddesund jemals ein Schuss auf den "Feind" abgegeben wurde - wundern würde es uns nicht, wenn auch diese "Hinterlassenschaft" wie all die anderen nur für Schießübungen benutzt wurde - eben auch Zeugen wirrer und finsterer Tage ...
Nachtrag, Januar 04: Weitere Dokumentationen
Wie sich bereits anlässlich unseres Beitrags über die Stellung Gamvik in Norwegen gezeigt hat, finden sich eine Fülle weiterer Informationen zu den hier angesprochenen Themen im Deutschen Atlantikwall-Archiv/Köln, wo sich ein eigener Abschnitt mit dem Bereich Dänemark befasst.
© 2003-2004 J. de Haas, Plan Dokumentationscenter Hanstholm.
Texte aus Museumsbroschüren/-tafeln Hanstholm / Oddesund
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