Die Norröna wartet ...
Von hier oben, dicht beim Museumscenter Hanstholm, hatten wir sie schon liegen sehen: Die Norröna. Ungerührt von weißen Schaumkronen, die man auch von der Höhe hinter der 38cm-Batterie aus deutlich erkennen kann, liegt das mächtige neue Schiff an seinem Kai - davor der übliche Trubel der Be- und Entladung, nur mit dem Feldstecher sichtbar ...
Doch nun stehen wir wieder in der Abfertigungsschlange: Hinter uns wie durch eine unsichtbare Regiehand der Isländer mit seinem mächtigen Gefährt, den wir schon auf dem Parkplatz vor dem Museumscenter kennen gelernt hatten.
Unübersehbar mit seinem höher gelegten 38-Zoll-bereiften Toyota und dem unverkennbaren Klappwohnwagen dahinter, den wir in den Folgewochen auf der Insel noch häufiger sehen werden.
Eine ganze Traube Schaulustiger umlagert sein Fahrzeug - für ihn wohl eine ganz normale Veranstaltung mittlerweile: Er hatte uns bei unserer Unterhaltung auf dem Parkplatz erzählt, dass er auf der Heimreise von einem Dänemark-Urlaub sei und wir konnten uns vorstellen, welches Aufsehen er wohl auf jedem Campingplatz erregt hatte, wenn er mit seinem "Isländer" und seinem riesigen Klappwohnwagen vorfuhr ...
Hinter uns also der Isländer, nicht weit vor uns eine andere Gruppe, die wir noch häufiger antreffen während der nächsten Tage und die unseren Bericht ergänzen werden: Der Veranstalter der "Steinbeisser Trophy" (Motto: "Nur die Harten kommen in den Garten"), Rainer Seefried, steht dort mitsamt seiner Familie und zwei weiteren Fahrzeugen.
Diese Teilnehmer wollen mit "OFF-ROAD-Adventure Tours" zum Offroad der extremeren Art mit modifizierten Fahrzeugen nach Island aufbrechen.
Das Programm dieser Gruppenreise hatten wir während der letzten Wochen bereits studieren können, es beginnt gleichzeitig mit unserer Tour und wird gemeinsam mit uns wieder auf der letzten Fähre enden.
Etwas gewundert hatten wir uns, wie man dieses Programm in der zur Verfügung stehenden Zeit bewältigen will: Offenbar sollen auch hier nur "die Harten in den Garten" kommen - wie sonst ist die geforderte Wattiefe von mehr als 80 cm zu erklären, die als Teilnahmevoraussetzung genannt wird?
Aber mehr zu den Erlebnissen der "Steinbeissers" später: Ihr Bericht wird - wie eingangs bereits erwähnt - den unsrigen ergänzen ...
Neben uns in der Warteschlange: Ein isländischer Familien-Pkw mit Anhänger, randvoll bepackt mit Urlaubsutensilien. Auffällig in der Familie mit zwei Kindern ist der Junge, der offenbar zunehmende Probleme hat, je näher der Abfahrtzeitpunkt der Fähre rückt. Schließlich läuft er heulend davon, der Mutter gelingt es nicht mehr, ihn fest zu halten. Der Sohn wird wieder zurück geholt, er läuft wieder weg, die Szene wiederholt sich. Irgend wann wird ein Offizieller der Smyril Line geholt, er redet beruhigend auf das Kind ein, geht dann mit ihm und der Mutter davon.
Der Vater, der sich später an Bord als Musiklehrer aus dem isländischen Laugarvatn vorstellt, wohin er uns auch einladen wird, erzählt uns bald darauf vom Problem seines Sohns: Er leidet unter extremer Klaustrophobie und diese Platzangst hindert ihn daran, das Schiff zu besteigen. Die vorher offenbar sorgsam dosierte Tablettengabe hat diesmal nicht zur gewünschten Zeit die erwartete Wirkung erzielt. Der Sohn wird nun vom Schiffsarzt betreut, später werden wir ihn an Deck in erheblich besserem Zustand wiedersehen ...
Das "Embarking" der neuen, größeren Norröna, die erst seit April dieses Jahres im Einsatz ist, kann heute mit allen mitfahrenden Personen und den gesamten Familien erfolgen - welch ein Fortschritt im Vergleich zu früheren Zeiten, als jeweils nur ein Fahrer mit dem Fahrzeug an Bord durfte und sich alle anderen Mitreisenden getrennt von diesem an Bord begeben mussten, weil es unter Deck derart eng zuging ...
Wir steigen aus unter Deck: Wir sind froh, dass der Isländer hinter uns seine Handbremse gut anzieht, denn nicht auszudenken, wie unser guter Explorer aussehen würde, wenn dieser Bigfoot-Toyo hinter uns bei starkem Seegang durch die Heckklappe käme ...
Irgend wann legt die Norröna ab: Erst zu diesem Zeitpunkt darf die Decksbar öffnen, an der wieder das beim Explorer Team obligatorische Ablege-Bier fällig ist. Das Ablegemanöver ist für Landratten beeindruckend: Im recht kleinen Hafenbecken von Hanstholm dreht das Schiff auf der Stelle, um den Bug bei heftigem Gegenwind schließlich durch die enge Ausfahrt zu manövrieren.
Der Wind pfeift allen, die noch an Deck ausharren, heftig um die Ohren. Die unten gut sichtbaren Wellen scheinen dem Schiff nicht im Geringste anhaben zu können - und doch wird deutlicher Seegang spürbar, als der geschützte Hafenbereich von Hanstholm hinter uns kleiner und kleiner wird.
Am Heck bemüht sich ein Besatzungsmitglied fast vergeblich, die knatternde Fahne einzuholen - wir sind auf dem Weg ..!
© 2003-2004 Text/Bilder J. de Haas
- Schwerpunkt: Die neue Norröna - Ein Schiff für den Nordatlantik ...
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