Die Wild Atlantic Tour ...
Der heutige Morgen bringt Klarheit: Der überaus freundliche und gesprächige Warden vom Westport House Camping bedauert sehr, aber leider hat sich die Situation nicht verbessert und das Campingareal ist ab heute bis auf den letzten Platz reserviert und voll. Was können wir also machen? Wir kommen eh nur her zwischen den Rundfahrten mit Roland und brauchen deshalb eigentlich nur einen Parkplatz für unser Fahrzeug.
Und so kommt dann die Lösung zustande, die später offensichtlich noch für jede Menge weiterer Ankömmlinge gilt, wobei wir allerdings die ersten auf dem Parkplatz vor dem Campingplatz sind: Der wird nämlich ab sofort zum "Overflow Camping Car and Caravan Park" erklärt mit voller Nutzung der Infrastruktur des Camps und einer "Parkgebühr". Wir schlagen zu beim "Überlauf-Camping" und sind somit die Ersten vor der Einfahrt - passend zum Rummel vor dem Ferienende ist nebenan sogar ein Kirmeskarussel aufgebaut - hier ist echt was los! ..!
Kurz danach die nächste unerwartete Nachricht am Morgen: Roland muss erst noch einen plötzlich erkrankten Freund, der offizieller Halter von Rolands Benz ist, zum Arzt fahren (Autofahren für Ältere in Irland ist eine eigene lange, traurige Geschichte, die wir hier und heute nicht erzählen wollen ). Aus diesem Grund wird unsere erste Rundfahrt durch Connemara an diesem Tag später beginnen und wir können erst einmal Richtung Westport Hafen zum Frühstück aufbrechen.
Vorbei an "The Helm" geht´s noch ein paar Schritte weiter, bis wir ein kleines Bistro erreichen, das für ein Frühstück ideal erscheint: "Five of Full" heißt heute morgen erstmals die Devise und wir lassen uns Toast, Spiegeleier, Wurst, Bohnen und mehr schmecken - so kann man´s aushalten!
Da unser heutiges Treffen mit Roland noch etwas auf sich warten lässt, haben wir nach dem Frühstück Gelegenheit für einen kleinen Rundgang im rundum sanierten Hafenviertel. Bei strahlendem Sonnenschein locken wieder mal fantastische Ausblicke, selbst der Croagh Patrick gibt sich die Ehre und zeigt sogar von hier aus das Bauwerk auf seiner Spitze: Strahlend weiß liegt dort oben das St. Patrick´s Oratory ...
Später nähert sich der Benz von Roland unserem Aussichtspunkt: Von hier aus werden wir nun in den Norden Connemaras aufbrechen, wo auch der berühmte Wild Atlantic Way auf uns wartet und wir bis Achill Island fahren wollen.
Zunächst ist aber ein Lieblingskloster von Roland unser erstes Ziel: In der Tat idyllisch liegt die Ruine vom Burrishoole Friary, das auch mit seinem beeindruckenden und zugleich typisch irischen Friedhof samt zerfallenen historischen Gemäuern den Reisenden fesseln kann. Das in der Nähe von Newport liegende und im 15. Jahrhundert gegründete Dominikanerkloster befindet sich direkt am Burrishoole Channel, einem kleinen Meeresarm, der die Verbindung von zwei nahen Seen zum Atlantik bildet und einen noch genutzten und geschützten natürlichen Hafen darstellt. Der Blick fällt hier auf Kreuze nah am Wasser, die gemeinsam mit den farbigen Booten in diesem Hafen eine sehr spezielle Atmosphäre schaffen, die den Betrachter in den Bann schlägt.
Auf dem Weg hierher und wieder zurück fallen erneut wieder die oft abstrusen irischen Verkehrsregelungen auf: Ein teilweise mit gras bewachsener schmaler und auch kurviger Weg trägt an dieser Stelle die stolze Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/Std - die Friedhöfe hierzulande sind zwar großartig und beeindruckend - aber will man sie so auf die Schnelle füllen ..? Allerdings erscheint manches dieser Verkehrszeichen nicht wirlich ernstgemeint - und offenbar tun das zum Glück auch nicht alle Autofahrer dieses Landes. Ebenfalls auffällig sind die weißen Schilder mit blauer Schrift, auf die man überall hier in der Region immer wieder trifft: Offensichtlich spielen selbst in diesem Land Sicherheitsaspekte eine so große Rolle, dass man überall groß auf die Telefonnummern der nächsten Garda Station hingewiesen wird - Polizeipräsenz wichtig?
Die Nationalstraße N59 führt uns nun nach Westen in Richtung des Ortes Mullranny (u.a. auch Mallaranny genannt), wo wir kurz darauf an einen wunderbaren Strand gegenüber der Clew Bay gelangen. "Rossmurrevagh Machair Sand Plains" ist der Name der großartigen Sanddünen-Landschaft, die hier am Meer liegt und die mit dem Gütezeichen "Blaue Flagge" ausgezeichnet ist. Im August werden hier häufig ökologische Exkursionen angeboten, bei denen man das hiesige Biotop im Rahmen einer Wanderung kennenlernen kann. Eine ganze Menge von Badegästen hat sich mittlerweile angesammelt und so wundert es nicht, dass sich neben uns auch eine Station der Wasserwacht befindet. Roland lässt sich sich von einer Besuchergruppe nicht lange bitten, von ihnen ein Bild vor dem malerischen Hintergrund des Strandes zu machen, der wirklich zum Verweilen einlädt.
Wir aber wollen weiter: Zu den Klängen der "Best of Paddy Reilley"-CD cruisen wir gemütlich den wunderbaren, hier "Atlantic Drive" genannten Abschnitt der Südküste der Currane Halbinsel entlang, die Achill Island vorgelagert ist. Die großartigen irischen Folksongs dieser CD passen wunderbar zur Faszination der Küste, die heute einen weiten Blick über die grandiose Landschaft am Atlantik bis hinüber zum Clare Island bietet.
Die Stelle, wo wir kurz danach halten und aussteigen, ist touristisch aufbereitet. Es gibt Hinweisschilder, die neben einem der am Atlantic Way üblichen, künstlerisch gestalteten Metallgestelle auf einen Aussichtspunkt hinweist. Wir haben den Spanish Armada Viewpoint erreicht: Die Gedenktafeln dieses Punktes erinnern u.a. an die San Nicolas Prodaneli, ein Schiff der spanischen Armada, das im Sommer 1588 hier in der Nähe auf Grund lief bei einer Umseglung der Britischen Inseln nach verlorener Schlacht gegen die Engländer.
Es geht weiter gen Norden Richtung Achill Sound, wir bewegen uns parallel zur südöstlichen Küste von Achill Island, auf die sich während unserer Fahrt wieder einmal ein faszinierender Blick ergibt: Wir können Ruinen verlassener Stein-Cottages erkennen, die wohl auch zur Zeit der Großen Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts in Irland verlassen wurden. Wem mögen nun all diese Grundstücke gehören? Roland erzählt uns dazu die eine oder andere interessante Geschichte. Wer sich hier ein Grundstück kauft, muss viel beachten und vielleicht sogar klären, ob eventuell noch Rechte ehemaliger Auswanderer geltend gemacht werden können, was auch gilt, wenn man es in der Zwischenzeit bebaut hat - alles wichtige Aspekte für potentielle Aus- bzw. Einwanderer in diesem Land ..!
Wir erreichen die Michael-Davitt-Bridge, eine Drehbrücke, die hinüber führt nach Achill Island und damit die einzige Verbindung zum Festlandbereich vom County Mayo darstellt. Direkt dahinter befindet sich das kleine Dorf Achill Sound, das im hier überall zu lesenden Gälisch auch den Namen Gob a Choire trägt.
Roland hält direkt hinter der Brücke gegenüber von "Patrick Sweeney´s Super Valu", um eine Kleinigkeit einzukaufen. Eine bald erforderliche Tankmöglichkeit gibt es hier aber offenbar nicht in unmittelbarer Nähe. Nach seinem Einkauf schlendern wir gemeinsam zurück zur Drehbrücke, um von dort aus den Ausblick zu genießen. Wir erreichen einen großen Parkplatz direkt an der Brücke und staunen. Offenbar haben sich hier einige deutsche Defender eingefunden, der erste davon hat sich offenbar deutlich verfahren: Riesengroß prangt den Seiten des natürlich mit Safari Schnorchel ausgestatteten Fahrzeugs das Schild "Sahara-Reisen". Sind die darunter aufgeführten Nafri-Paradiese Algerien, Libyen und Tunesien etwa zur Zeit nicht mehr so aktuell, dass man nun schon in Irland nach passenden Gelegenheiten für Geländewagen-Reisen suchen muss? Vermutlich allerdings wohl eine ziemlich unergiebige Angelegenheit ...
Direkt daneben ein weiterer Defender mit Karlsruher Kennzeichen: Darauf eine sehr auffällige Wohnkabine mit recht ungewöhnlichem "Lichtmanagement", einer Art "Schaufensterlook". Das gesamte Heck scheint hier offensichtlich aus einer großen Fensterscheibe zu bestehen, und auch auf den Seite befinden sich ein großes Fenster sowie eine große Glastür, alles jedoch wie die Heckscheibe mit dichten Vorhängen versehen, die keinen Blick ins Innere erlauben.
Schnell lernen wir den verantwortlichen Designer des hier stehenden Prototyps der MARQ-Wohnkabine kennen: Diplom-Designer Philipp Hartmann, Geschäftsführer der QUANTIS GmbH aus Karlsruhe hat diese Kabine entwickelt und diese mittlerweile nicht nur auf diversen Messen und Treffen vorgeführt, sondern natürlich auch beim Explorer Magazin Wiedergänger ausführlich beworben. Er kennt aber auch unser Magazin, jedoch erschienen wir wohl nicht kommerziell genug für eine entsprechende Vorstellung seiner Kabine, wie er uns wissen lässt ...
Nun, wieder einmal erinnern wir uns an einen uralten Beitrag in unserem Magazin. Als Wohnkabine käme für uns ein solcher fahrbarer Ausstellungsraum allerdings eher nicht in Frage, aber wenn wir eines Tages einmal eine bundesweite Ausstellungsreise mit dem Explorer Magazin Modellkeller planen sollten, dann wäre ein rollender Showroom dafür natürlich sehr geeignet - auch wenn dieser als Leerkabinen-Prototyp erst bei Preisen ab 21.000 Euro aufwärts beginnt ..!
Philipp Hartmann übergibt einige für uns wohl eher geeignete Infos zu seinem Luxusgríll Fire-Q, der inzwischen u.a. auch als "Landy-Edition" zu haben ist - schließlich möchte ein Defender-Fahrer auch stilvoll unterwegs sein! Der Designer ist der Meinung, dass wir vielleicht über diesen Grill berichten wollen. Da das aber bereits in diversen Publikationen erfolgte (u.a. Testausschreibung bereits im Allradler 4/15, Testbericht dann ein Jahr später (!) in Heft 04/16 für das nicht ganz billige Gerät zu 139,- EUR + Tasche 36,- EUR + Anzündblech 14,- EUR), müssen wir uns nicht unbedingt auch anschließen. Sollte es eines Tages allerdings eine Fortsetzung unserer sehr beliebten Kleinen Defender-Kurse geben, dann wird sicher auch eine "Landy-Edition" unterwegs dabei sein!
Weiter geht die Reise auf Achill Island, wir finden auch später eine Tankstelle und können in Ruhe weiter über die Insel cruisen. Bis in deren Norden wollen wir allerdings heute nicht vordringen und so wird es leider auch keinen Abstecher zum Heinrich Böll Cottage bei Doogort geben, wo er sein legendäres "Irisches Tagebuch" schrieb, das man bereits vor Jahrzehnten nach den ersten Irland-Exkursionen verschlang ...
Stattdessen erleben wir nun den nächsten Höhepunkt landschaftlicher Schönheit: Wir erreichen die Ashleam Bay, die sicherlich ebenfalls zu den spektakulärsten Küstenaussichten Irlands gehört. Einige Kilometer hinter dem Ort Cloughmore steigt die Straße kurvenreich und steil an, am höchsten Punkt befindet sich wieder einmal ein Aussichtspunkt mit Hinweistafeln und atemberaubenden Blick hinunter auf die Bay. Diese Bucht hat einen Kieselstrand umgeben von steilen Felsklippen und bietet einen Anblick, der den Besucher zum langen Aufenthalt verleiten kann. Eher belustigend sind hier allerdings die aufgestellten Rettungsringe, die man offensichtlich etwaigen Hunderte von Metern entfernt in der Bucht treibenden verzweifelten Schwimmern im Notfall zuwerfen soll - es wird wohl deutlich besser sein, wenn man auf solche Wurfrekorde verzichten kann!
Auf der Rückfahrt Richtung Achill Sound passieren wir noch einen auffälligen alleinstehenden Festungsturm: Der Kildavnet Tower aus dem 15. Jahrhundert ist dreistöckig und rund 12 m hoch, am oberen Ende gestützt durch Strebepfeiler. Der Turm gilt als das Zuhause und "War Castle" der berüchtigten und legendären Piratenkönigin Grace O'Malley (1530-1603). Strategisch günstig gelegen zur Überwachung der Gewässer rund um Achill Sound und die Clew Bay war dieser Turm einer von mehreren ähnlichen Anlagen, mit denen man einst den gesamten Küstenbereich vor der Westküste des County Mayo kontrollieren konnte ...
Bevor wir die Insel endgültig verlassen, fallen am Rande des Gewässers noch flatternde Fahnen auf, die eine Statue am Wegesrand umwehen. Vor der dort auch hängenden US-Flagge sind selbstverständlich US-Bürger unterwegs, die diesen Ort erkunden: Es ist die Statue des amerikanischen Boxers Johnny Kilbane aus Cleveland und auf den Grund für diese Statue ausgerechnet hier muss man erst mal kommen: Die Familie dieses im Jahr 1889 in den USA geborenen Boxers stammte aus Achill ..!
Wir lassen Achill Island hinter uns und wollen vor der Rückfahrt nach Westport noch kurz irgendwo einkehren. Roland schlägt einen Zwischenhalt in Newport vor, den wir gerne annehmen: In Kelly´s Kitchen können wir etwas zu uns nehmen und dabei auch Bilder an der Wand´betrachten, die außer dem War Castle der Piratenkönigin auch die Geschichte der Familie der Schauspielerin Grace Kelly zum Thema haben: Deren Vater stammte aus einer irischen Auswandererfamilie aus eben diesem Newport, in dem wir uns gerade befinden: Nun, die Welt ist halt kleiner als man denkt ...
Der Ort hat noch weitere Geschichten zu erzählen: Gegenüber des Lokals befindet sich eine hauswandgroße Malerei, die auf andere geschichtliche Ereignisse hinweist. Der Priester Manus Sweeney aus Newport wurde hier am Marktplatz im Jahr 1799 gehängt und danach im von uns bereits besuchten Kloster Burrishoole beerdigt. Dieser Mann wurde einst verdächtigt, mit Franzosen paktiert zu haben, die bei einem Armutsaufstand der Iren gegen die britische Herrschaft im 18. Jahrhundert die Aufständischen unterstützen wollten - harte Zeiten damals!
Nun aber zurück nach Westport: Roland will uns zum Abschluss unserer heutigen Exkursion noch seinen Golfclub zeigen, in dem er schon seit langem Mitglied ist. Bereits vor dem Clubhaus bekommen wir eine Vorstellung von den militärischen Dienstgraden, die hier herrschen: Parkpläztze sind reserviert nicht nur für den (natürlich! ) männlichen "Vice Captain", sondern dieser Club hat auch einen weiblichen "Lady Vice Captain" - und da kann man auch ganz sicher sein: So eine darf hierzulande auch Auto fahren!
Im Club lernen wir einige andere Mitglieder kennen und bekommen später dank Roland auch einen Grundkurs zu diversen wichtigen Golf-Fachbegriffen: Wir erfahren etwas zu "Abschlägen", besuchen die "Driving Range", sehen das "Fairway", lernen den "Greenkeeper" kennen, schauen uns das "Grün" auch an, lernen alles über das "Handicap", sehen das "Hole", bemerken "Pitches", durchgeführt mit einem "Wedge", staunen über die enorme, kaum vorstellbare Distanz eines "Longest Drive", an die man vorher nie geglaubt hätte und lassen uns das "Rough" zeigen.
Wir bekommen etliche Platzregeln erklärt und schauen uns auch das größte "Wasserhindernis" an, das vermutlich das Hafenbecken von Westport genau vor dem Golfplatz ist. Während uns noch der Kopf von Fachbegriffen schwirrt, besuchen wir zuletzt das "19. Loch", das Clubhaus, auf einen Drink. Zur Belohnung für unser Interesse und als großartige Erinnerung an diesen unvergesslichen Tag bekommen wir von Roland schließlich zu guter Letzt auch noch jeder einen original Golfball vom Westport Golfclub geschenkt - und auch der hat nun seinen Ehrenplatz in unserer schon umfangreichen Sammlung von Reisemitbringseln ..!
Roland bringt uns nach diesem doch recht anspruchsvollen Erlebnistag vorübergehend zurück zu unserem "Overflow" Campingparkplatz, der sich mittlerweile gut gefüllt hat und wo sich ein britischer "Weißware"-Nachbar ohne Not bis auf rund 1,50 Meter an uns angenähert hat - fühlte sich offenbar sonst irgendwie allein auf weiter Flur. Aufgeregte Planung im noch besetzten Womo-Cockpit zeigt allerdings, dass man hier wohl nicht länger stehen bleiben will und in der Tat werden wir diese Camper später nicht mehr wiedersehen - an uns völlig überraschend und unerwartet am Platz Aufgetauchte lag es wirklich nicht, wir schwören!
Roland holt uns auch heute Abend wieder gegen 22:00 Uhr zur Pub-Tour ab - diesmal geht´s zu McCarthy´s Lodge & Bar, die zu dieser Zeit ebenfalls zum "Singing Pub" wird. Bei etlichen Guinness, Smithwicks und anderen passenden Getränken wird noch viel diskutiert über diesen ausgefüllten Reisetag und eines steht auch jetzt fest, bevor uns Roland wieder zurück fährt zum gemütlichen "Overflow"-Camp: Morgen gibt´s den nächsten Trip, diesmal in die Gegenrichtung!
© 2017 J. de Haas