Noch eine Tagestour: Richtung Süden ...
Der Tag beginnt mit einem wundervollen gemeinsamen Frühstück im Resturant des Orts-Kaufhauses: Wieder mal ist natürlich das hier besonders gut schmeckende "Five of Full"-Sortiment vom Irish Breakfast angesagt, bevor wir uns aufmachen zur heutigen Tagestour.
Diesmal soll es Richtung Süden gehen, natürlich auch wieder auf dem "Wild Atlantic Way", der uns zunächst ins Doolough Valley führt. Die Fahrt durch die unberührt wirkende idyllische Landschaft ist während dieses dunstig-trüben Tagesauftakts ein ganz besonderes Erlebnis. Wir passieren zwei Seen, die eingebettet zwischen verhangenen Bergrücken liegen - das Ambiente passt heute irgendwie fantastisch zur ganz und gar nicht hellen Vergangenheit dieser Region ...
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Als wir an einem verwitterten Steinkreuz in nebligem Umfeld Halt machen und aussteigen, werden dem Besucher die Tragödien voll bewusst, die sich in dieser Landschaft abgespielt haben. Das Kreuz wurde zum Gedenken an die Opfer der "Doolough Tragedy" errichtet, die es im Jahr 1849 gab, als sich während der Großen Hungersnot Hunderte von Menschen in der Ortschaft Louisburgh sammelten und von da aus aufbrachen zum Marsch Richtung Delphi Lodge, um dort bei den Verantwortlichen um Nahrungsmittel zu bitten. Sie machten den Marsch allerdings vergeblich, denn sie mussten mit leeren Händen zurückkehren und etliche der Bittsteller kamen bei diesem Marsch ums Leben, viele verhungerten und erfroren in diesem Doolough Valley.
Wir sehen uns um in der Umgebung und man kann sich auch ohne viel
Fantasie durchaus schon
vorstellen, dass man hier einst Leichen gefunden haben soll, die
noch Gras zwischen den Zähnen hatten, das sie wohl als letztes zu
essen versucht hatten ...
Ganz klar, dass wir nach diesen Eindrücken hier nun weiter müssen zu eben dieser Delphi Lodge, wo einst die Verantwortlichen residierten und wo heute das komfortable Delphi Lodge Country House Hotel liegt.
Wir erreichen das von fantastischer Landschaft umgebene prächtige Landhaus Hotel und parken vor dem Haus: Verkauft wird dort heute auch hervorragender Lachs, so dass sich durchaus ein Anlass ergibt, das Landhaus auch einmal zu betreten. Gediegene Atmosphäre erwartet den Gast und man kann sich unschwer vorstellen, dass nicht nur leidenschaftliche Angler und Fliegenfischer in diesem Hause gern absteigen, das bei aller Abgeschiedenheit mehr als ausreichenden Komfort bereithält ...
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Roland erkundigt sich nach den aktuellen Lachspreisen, gekauft wird anschließend allerdings nichts, so dass sich wenigstens die Möglichkeit zu einigen Fotos in dieser noblen Umgebung und vor dem Haus ergibt, das wir nun wieder Richtung Südosten verlassen.
Auf landschaftliche Idylle müssen wir heute auf dem weiteren Weg zu keiner Zeit verzichten, was wieder einmal deutlich wird, als wir uns dem nächsten Ziel nähern: Wir erreichen den Erriff River, berühmt für seine Fliegenfischerei und als eines der besten Gewässer Irland für den Lachsfang.
Lange kann man hier das urwüchsige Bachbett betrachten und unter der Asleagh Brücke, die sich über diesen Fluss spannt, die unten stehenden Fliegenfischer beobachten. Irgendwann müssen wir uns allerdings von dieser grandiosen Umgebung verabschieden, denn Roland plant nun mal wieder einen Pubbesuch: Wir nähern uns jetzt der berühmten Gaynor´s Bar in Leenane.
In der Tat erwartet uns hier an der Straße ein ganz besonderes
Ambiente: Hinter dem mit Unmengen von Kappen zugehängten Bartresen
herrscht reges Treiben und wir lassen uns an einem Tisch am Rande
des Gastraums nieder. In Hinblick auf den weiteren Tagesverlauf wird
vorsichtshalber ausnahmsweise auf Guinnes und Smithwick´s verzichtet
und stattdessen fällt die Entscheidung zu einer Runde Tee - kaum zu
glauben, aber auch so etwas kann hier viel Vergnügen bereiten!
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Nach der Stärkung in Gaynor´s Bar führt uns die Reise weiter nach Südwesten, zu einer bereits in den Siebzigern besuchten Attraktion, die von außen unverändert wie damals wirkt, allerdings mittlerweile wohl vollständig touristisch "verseucht" ist: Vor dem Kylemore Abbey, unserem nächsten Ziel, herrscht ein unglaubliches Treiben: Parkplatzwächter scheuchen jedes zu langsam fahrende oder gar haltende Fahrzeug weiter, um dem nicht abreißenden Strom von Besuchern zügige Ein- und Ausfahrt vor diesem Touristenziel zu ermöglichen.
Wir nähern uns nun der ältesten irischen Benediktinerinnenabtei: Das im Jahr 1665 gegründete Kloster ist erst nach mehreren Umzügen in dem 1871 fertiggestellten Schloss Kylemore angesiedelt.
Roland findet (wie immer!) wie durch ein Wunder sofort einen
Parkplatz auf diesem übervollen Gelände. Was uns schon seit unserer
Ankunft in Westport auffällt: Dieser Roland muss einen ganz
besonders hervorragenden Draht und beste Beziehungen zu den Göttern der
Parkplätze haben, denn es verging noch kein Augenblick und keine
noch so unmögliche Ecke, wo dieser wackere Benz-Fahrer nicht sofort
und problemlos einen Parkplatz fand - über welche Kräfte mag
dieser Mann verfügen, die andere nicht haben ..?

Was dem uralten
Irland-Reisenden und Hobby-Kartonmodellbauer in diesem wie auch in allen anderen
Shops heute erneut auffällt: Es gibt heutzutage leider kein
einziges Modell mehr wie z.B. diejenigen, die aus den siebziger
Jahren in unserem Modellkeller
stehen - natürlich wäre andernfalls sofort auch ein kartoniertes
Kylemore Abbey fällig gewesen ...
Wir flüchten aus dem Abbey nicht ohne den Blick hinauf zu der mit bloßem Auge winzig wirkenden weißen Statue weit oben am waldigen Berghang, die hier seit ewigen Zeiten das Abbey segnet ...
Dass es sich hier um einen Touristenmagneten erster Güte handelt, merkt man spätestens auch, wenn man bei der Ausfahrt vom Gelände wieder einmal etwas Bekanntes antrifft: Inmitten eines gelben Warnschildes heißt es neben dem Fahrzeugsymbol auf der linken Straßenseite unübersehbar: "Attention - Drive on left". Wie oft mag hier wohl ein Kontinentaleuropäer auf der rechten Seite gestartet sein, bis man ein solches Schild aufhängt ..?
Weiter geht die Reise auf dem "Wild Atlantic Way" Richtung Südwesten. Dieser Abschnitt nannte sich bei den damaligen ersten Bed & Breakfast-Touren in dieser Region der Insel teilweise noch "Whiskey and Soda Road" und spielte damit an auf den berühmten Single-Malt Connemara Whiskey, der aus dieser Gegend stammt.
Wir nähern uns Clifden, der inoffiziellen Hauptstadt Connemaras. Die löst allerdings bei dem einstigen Irland-Reisenden keinerlei Erinnerung mehr aus, obwohl sie natürlich auch vor Jahrzehnten schon besucht wurde und heute auch sofort als äußerst beliebter Touristenort erkennbar ist. In einem Supermarkt beschaffen wir uns einen Imbiss, den wir draußen auf der Straße vor Vaughan´s Pub in der Market Street zu uns nehmen - sicherlich auch diesmal nicht unbedingt ein Ereignis, das sich noch jahrelang ins Gedächtnis einprägen wird ...
Lange verweilen hier nicht, sondern folgen der alten "Whiskey and Soda Road" weiter gen Süden. In der Nähe vom Connemara Sands Hotel bei Clifden machen wir noch einmal kurz Halt, um die malerische Sand- und Strandlandschaft und den weiten Blick hinaus auf den Atlantik bei diesem sonnigen Wetter auf uns wirken zu lassen. Man kann sich allerdings auch heute gut vorstellen, wie es den Bewohnern der einzelnen verstreuten und Wind und Wetter ausgesetzten Häuser hier an der der Küste ergehen mag: Bei schlechtem Wetter und einem Sturm wie im Oktober 2017, der der stärkste seit 50 Jahren war ...
Es heißt nun weiterfahren entlang der Küste durch die teils bizarre Steinlandschaft von Ballyconneely. Beim Einbiegen hier fällt wieder einmal der Blick auf eine Gedenktafel am Straßenrand: Diese erinnert an den Absturz eines amerikanischen Pb4y-1 Liberator Bombers, der im Jahr 1944 auf dem Weg von den USA nach Island hier an der Küste niederging, einige Überlebende wurden schließlich noch gerettet.
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Roland´s Weg führt nun zum nächsten Golfclub: Er kennt den hier beheimateten Connemara Golf Club Ballyconneely selbstverständlich auch gut und zeigt uns das am Meer gelegene Gelände, das allerdings nicht den Charme von Westport hat - aber die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden!
Wir machen uns auf den Weg zum südlichsten Punkt unserer heutigen Rundreise, nicht ohne allerdings kurz hinter Ballyconneely gegenüber vom Bunowen Castle noch einen Fotostopp einzulegen - zu einladend wirkt die beeindruckende Kulisse dieser aus dem frühen 16. Jahrhundert stammenden Burg. Die liegt heute an einem privaten Strand, über den wohl der einzige Zugang besteht. Der Clanchef der hier einst residierenden O´Flaherty´s soll vieleJahre verheiratet gewesen sein mit der uns schon beim Kildavnet Tower begegneten Piratenkönigin Grace O'Malley - auch und gerade hier im Westen Connemaras war die Welt wohl schon immer klein ...
Wir erreichen die kleine Hafenstadt Roundstone, wo wir
vor unserer Rückkehr nach Norden auf ein Bier Halt machen wollen.
Diesmal übertrifft sich Roland beim Parken noch einmal selbst:
Direkt vor der Bar mit draußen Sitzenden gelingt es ihm, seinen Benz
so einzuparken, das dabei sogar ein herumstehendes Schild um 2
Zentimeter verschoben werden muss stört nicht weiter - aber wir stehen praktisch genau
vor dem Tresen!
Mit unserem Bier können wir auf die andere Straßenseite wechseln und den Hafen betrachten, wo ein größeres Boot so befestigt ist, dass es bei sinkendem Wasserstand glatt einen Betonpfeiler mit seinen Seilen halb herausgerissen hat - harte und gnadenlose Gegend hier an der Westküste!
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Die Rückfahrt nach Westport führt uns zurück durch weite, einsame und abwechslungsreiche Connemara-Landschaften und vorbei an stillgelegten Bahnstrecken. Wir gelangen noch einmal in die Nähe des Killary Fjords, wo abermals ein kurzer Zwischenstopp in Leenane erfolgt. Eine umfangreiche Info-Tafel informiert hier über die Tidenverhältnisse an diesem 15 km langen, nur 300 m breiten und an der Mündung über 40 m tiefen Fjord.
Der weitere Ablauf unserer heutigen Tagestour ähnelt sehr dem vom Vortag: Schon etwas verspätet für seinen Nachmittagsschlaf bringt uns Roland in Westport wieder zurück zu unserem großartigen "Überlauf-Camp", wo sich diesmal nette Gespräche mit interessierten Iren ergeben, die sich - natürlich - wieder mal sehr für unseren Explorer interessieren. Gerne wie immer gibt man alle Auskünfte und verbringt so angenehm wie hier eben möglich die Wartezeit bis 22:00 Uhr. Zuverlässig wie immer rollt Roland schließlich wieder auf den Parkplatz, um uns für die letzte gemeinsame abendliche Pubtour abzuholen.
Irgendwann führt uns der Weg wie schon am Vorabend in McCarthy´s Pub, wo es ebenfalls schon wieder singt und lacht. Nach einiger Zeit dort beschließt Roland plötzlich, am gegenüberliegenden Burgerlokal kurz einen solchen zu verspeisen und verschwindet aus dem Pub. Die Zeit vergeht und kein Roland kehrt zurück zu uns an den Tresen. Zunehmend beunruhigt fragen wir uns schließlich, wo er wohl bleiben mag - so lange kann man unmöglich an einem Burger essen!
Während
wir noch überlegen, was nun zu tun ist, nähert sich uns eine der
nächtlichen Pubbesucherinnen, die mit ihrer Begleitung schon seit
längerer Zeit in unserer Nähe sitzt. Von deren Platz aus hat man
Sicht auf die Straße und sie macht uns auf jemanden aufmerksam, der
draußen vor dem Pub auf und ab läuft und ihr wild gestikulierend
Zeichen gegeben hat. Es ist Roland, der draußen seit geraumer Zeit
vor verschlossener Pubtür steht und nun nicht mehr hinein kommt - längst
hat der Pub offiziell geschlossen. Erinnerungen an längst vergangene "It´s
Time!"-Zeiten in irischen Pubs werden wach ...
Wir öffnen Roland die Tür von innen und er kann wieder bei uns Platz nehmen - Anlass noch für viel Spaß und Frotzeleien über Burgeressen, Schließungszeiten irischer Pubs und Fragen, wie lange er wohl draußen noch auf uns gewartet hätte ...
Der letzte gemeinsame Abend geht zu Ende, aber wir verabreden uns für morgen früh noch zu einem letzten gemeinsamen Frühstück im Ort, wenn wir nach einem "Five of Full" wieder unsere weitere Reise durch Irland fortsetzen wollen. Die Trennung von Roland am nächsten Tag fällt schwer, wir verdanken ihm hier im Westen einige unvergessliche Tage.
Der Wunsch nach einer Rückkehr an diesen Ort ist groß bei der Abfahrt aus
dieser großartigen Gegend und unser Dank gilt Roland, der sich
allergrößte Mühe gegeben hat. Wir versprechen uns ein so bald wie
mögliches Wiedersehen in München, wo er im Herbst wieder sein wird.
Und eine Idee wird später anlässlich unserer Erlebnisse dann noch
umgesetzt werden: Die Ausstellung eines "Zertifikats" vom Explorer
Magazin für den "Besten Reiseführer durch das wilde County Mayo und
Spezialisten für den Wild Atlantic Way" ...
© 2017 J. de Haas