Richtung Westen
Donnerstag, 18.08.16: Heute soll es weiter gen Westen gehen, schließlich wollen wir in nicht allzu langer Zeit endlich in Westport auf Roland treffen - wir haben verabredet, in Kürze anzurufen um mitzuteilen, wann wir dort ankommen werden.
Im Gegensatz zu der ersten Strecke nach Ankunft auf der Insel planen wir nur über ruhige Nebenstraßen nach Mountshannon zu fahren, knappe 120 km. Bis zum südwestlichen Ufer des Lough Derg, dem drittgrößten See Irlands, den der Verfasser in der Vergangenheit bereits bestens kennenlernen konnte.
Das Navi wird mit allen erforderlichen Daten gefüttert und vor allem mit der Information, dass wir nur über kleine Straßen zu unserem Ziel kommen wollen - da kann man schon mal den kürzesten Weg riskieren. Und so sind wir bereits nach kurzer Zeit auf solchen Wegen, hatte doch die Erinnerung derartige frühere Fahrten ausreichend verklärt bis zum heutigen Tag ...
Doch schon bald folgt die Ernüchterung, denn die Streckenführung bringt alles andere als reine Erholung mit sich. Wie hatten wir in unserem Beitrag zur irischen Euro-Tour 2016 zu diesem Thema geschrieben:
"Ansonsten kann das Land einem auch als "Verriegelt, Privat, Verschlossen" erscheinen: Oft handelt es sich um verbarrikadiertes Land, in dem man überall das Privateigentum hochhält und an allen möglichen Stellen mit Böschungen, Zäunen und Toren ein Verlassen der Durchgangsstraßen verhindert. Wohl dem, der bei einer Rundfahrt durch die Landschaft überhaupt anhalten kann, wenn er dies möchte. Häufig fährt man ewig weiter die schmalen Straßen mit hohen Seitenbegrenzungen entlang, bis man erstmals die Gelegenheit zu einem kurzen Halt bekommt. Diese Art herumzufahren ist oft mehr als gewöhnungsbedürftig und nicht unbedingt das, was der Tourist hier vielleicht möchte ..."
In der Tat kann man auch die einsamen Wege oft nicht genießen, weil man kaum anhalten kann oder sich fragt, wohin man bitte ausweichen soll, falls wirklich mal Gegenverkehr kommt - und selbst wenn der dann doch nicht auftaucht, ist man froh, wenn das Fahrzeug irgendwann wieder mehr Platz bekommt.
Wenn dann aber doch selbst die Trucks auf teils engen und unübersichtlichen Passagen und Kurven mit entsprechend hoher Geschwindigkeit entgegengerast kommen, die selten auf weniger als 70 km/h begrenzt sind und bei denen in der Regel hohe Hecken auf der linken Fahrbahn ein Ausweichen erschweren, dann freut man sich manchmal darüber, auf der "verkehrten" linken Fahrerseite zu sitzen wegen der besseren Sicht auf diese Randbegrenzungen. Und auf der anderen Seite kann man dann auch besser verstehen, warum bei irischen Fahrzeugen auf der linken Seite oft die Außenspiegel beschädigt sind oder gleich ganz fehlen ...
Wir erreichen den Shannon und die Zwillingsstadt Ballina/Killaloe im Süden des Lough Derg, noch von früher gut bekannt als Wendepunkt für den Shannon-Hausbootfahrer, der von hier aus nicht weiter Richtung Limerick in den Süden fahren kann.
Irgendwie fällt es im Vorbeifahren schwer, die Erinnerung an den früheren Liegeplatz wachzurufen, an dem man einst mit einem großen Boot der "Mayo-Klasse" vor der Rückfahrt nach Norden gelegen hatte - von Carrickcraft seinerzeit großzügig ohne Aufpreis auch an nur zwei Personen überlassen, die zuvor schon Erfahrungen mit der "Kerry-Klasse" gesammelt hatten ...
Unser heutiges Ziel ist der Clare Lakeside Holiday Park in Mountshannon, ein Camp direkt am Lough Derg - sollten bei einem Aufenthalt dort doch schließlich Erinnerungen wach werden an einstige Bootstouren ...
Der GPS-Fetischist sollte sich hier nicht wundern über die "GPS Directions", die ganz modern auf der Webseite des Platzes zu finden sind: Bei den Angaben "N 52 92775´ x W 8 42061´" hat man ganz einfach Grad mit Minuten verwechselt - aber was soll´s, der gute Wille zählt!
Wir finden einen Platz direkt unten am See, noch haben wir keinerlei Nachbarn dort. Aber andere "Platzbewohner" haben uns schon mitgeteilt, dass dort gerade am Vortag alles frei geworden ist - trotz Ferien! - man vermutet aus Wettergründen ...
Und tatsächlich: Im Laufe des Nachmittags bekommen wir Nachbarn sowohl auf der rechten als auch der linken Seite unseres Stellplatzes. Bei allen handelt es sich um die gewohnt freundlichen Iren, mit denen man schnell ins Gespräch kommt und die natürlich auch alles wissen wollen über die Reisenden aus D ...
Der eine Nachbar hat einen geradezu winzigen Hund dabei, der sich im Laufe des Nachmittags zum Liebling und zur Sensation des ganz Platzes zu entwickeln scheint - man kann allerdings auch nicht anders, als sich mit "Hundchen" ausführlich zu beschäftigen!
Die anderen Nachbarn wissen zu berichten, dass sich im Laufe der kommenden Nacht eine ganz üble Veränderung der Großwetterlage ergeben soll mit Sturm, Regen und allem, was dazu gehört - keine besonders anregende Mitteilung für Reisende, die sich - durch "Explorer-Suntours" verwöhnt - bisher weder mit dem Wetter beschäftigt noch irgendwelche lokale Nachrichten gehört haben ...
Es scheint was dran gewesen zu sein an den Wettervorhersagen: Während wir am Abend noch ganz gemütlich unter der Plane bei Kerzenschein sitzen, verwandelt sich das Wetter später zum äußerst üblen: Ein Sturm kommt auf, der dazu veranlasst, mitten in der Nacht draußen alles abzubauen, was schon vorsorglich eingerollt und befestigt worden war - an Schlaf ist bis zum frühen Morgen im schaukelnden Explorer kaum zu denken. Die irischen Seen und die berühmten Westwinde dort heißen uns willkommen!
Erinnerungen in Clonmacnoise ...
Der nächste Morgen sieht uns mehr als abreisewillig, obwohl sich das Wetter - wie landestypisch - bereits zum Frühstück wieder hin zum Sonnenschein verwandelt. Nach Austausch der nächtlichen Erfahrungen mit äußerst gelassenen Iren packen wir zusammen: Es soll diesmal am Shannon und den Seen entlang nach Norden gehen - wir wollen heute am Ufer des zweitgrößten Sees Lough Ree in der Nähe vom Roscommon Castle campen. Wieder ein See also von höchstem Erinnerungswert: Bei der ersten Shannon-Bootsfahrt mit der "Kerry 16" im Jahr 1976 steuerte man schließlich eigenhändig das Boot auf eine Sandbank - eine ganz eigene Geschichte ...
Unser erster Streckenabschnitt führt uns aber heute zunächst nach Clonmacnoise, eine der berühmtesten Klosteranlagen der Insel und schöne Anlegestelle für Shannon-Schiffer. Schon bei Annäherung an die Anlage, die in einer malerischen Schleife des Shannon liegt, meldet sich beim Anblick der fantastischen Landschaft sofort die Erinnerung, die sich offenbar auch über Jahrzehnte fest eingegraben hat.
Waren wir damals allerdings das einzige Boot am einsamen Liegeplatz, wo man noch längseits festmachen musste, falls ein weiteres Boot anlegen wollte, so befinden sich hier und heute an derselben Stelle bereits etliche Schiffe. Auch der Klosteranlage merkt man den mittlerweile erheblichen Tourismus an: Nicht nur eine Menge Leute schiebt sich durch die Ruinen, auch der Eingang mit Kassenhäuschen und Souvenirshop sind Einrichtungen, auf die man damals noch gut verzichten konnte ...
Dennoch ist aber auch heute ein Rundgang über das beeindruckende Gelände mit seiner ganz besonderen Stimmung ein Erlebnis - die großartigen Zeugen einer jahrhundertealten Geschichte vom gewaltigen "Cross of the Scriptures" bis hin zur alten Normannenburg, die mittlerweile eingezäunt ist, schlagen den Besucher vor der unverändert dramatischen Shannon-Kulisse in ihren Bann ...
© 2017 J. de Haas