Kleine Schlössertour ...
Unweit unseres Hotels befindet sich die Haltestelle für einen Bus, mit dem man komfortabel zu den Schlössern der nahen Umgebung gebracht wird. Unser erstes Ziel ist Chambord, es ist das größte und eines der wohl beeindruckendsten Schlösser der Loire.
Erbaut wurde es in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von König Franz I, der uns schon im Schloss Blois begegnet ist. Inmitten des Waldes ließ der König ein Jagdschloss errichten auf den Fundamenten eines älteren Baus aus dem Mittelalter. Die Archäologen forschen noch eifrig im Untergrund ...
Wer der Architekt des Schlosses war, ist unbekannt, denn alle Unterlagen wurden beim Umzug des Archivs von Blois nach Paris aufgrund von Platzmangel vernichtet. Es wird aber angenommen, dass die grundlegende Planung von Leonardo da Vinci stammt, der nur wenige Wochen vor Baubeginn des Schlosses verstarb. In seinen zahlreichen Skizzen fand man aber genau die bestimmende architektonische Logik des Schlosses mit seinem quadratischen Grundriss, seiner zentralen doppelläufigen Wendeltreppe und den vier Türmen an der Ecke.
Ergänzt wurde der Bau noch durch Seitentrakte. Auf jeder Etage finden sich vier Appartements, deren Zentrum in den Türmen liegt. Schon zur damaligen Zeit verfügten die Appartements über Toiletten, die über Fallrohre mit Fäkalienbecken im Keller verbunden waren.
Das Schloss wurde prunkvoll ausgebaut und sollte die Herrscher Europas beeindrucken. Es wurde aber nie zu einer Residenz der Könige. Bei jeder Benutzung des Schlosses richteten es die Lakaien neu ein mit den prunkvollsten Möbeln und Kunstgegenständen. Nach Besuchsende wurden alle Einrichtungsgegenstände wieder weggebracht.
Das Schloss blieb Jagdschloss und wurde für viele prunkvolle Feste von Ludwig XIV, der das Schloss schließlich fertigstellte, bis hin zur Neuzeit von Emanuel Macron genutzt.
Wenn man durch die unzähligen Räume wandert, kann man sich gut davon überzeugen, dass das Schloss zwar architektonisch beeindruckend, aber insgesamt sehr ungemütlich wirkt. Auch bei den riesigen offenen Kaminen kann man sich kaum vorstellen, dass diese im Winter die Räume nachhaltig heizen konnten. Die Innenräume werden zum Teil durch offene Galerien an den Außenwänden verbunden, was die zugige Atmosphäre erklärt. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass es sich hier um sumpfiges Gebiet handelt und man beim Gedanken an warme Sommer die Mücken förmlich zu hören meint ...
Auch die Küche strahlt wenig Gemütlichkeit aus, sie ist riesig und überall stehen blank geputzte Kupfertöpfe und -pfannen.
Im 18. Jahrhundert beherbergte das Schloss den polnischen Exilkönig Stanislaus und den Marshall Moritz von Sachsen. Letzterer gestaltete sein Appartement etwas gemütlicher mit Holzpaneelen und Kachelöfen. Er ließ die Sümpfe trocken legen und legte auch einen Tierpark an. Während des Zweiten Weltkriegs wurden hier im Schloss die wichtigsten Werke des Kulturerbes Frankreich zwischengelagert, um sie später an sichere Orte zu verbringen.
Auf den Dächern der Anlage befindet sich ein wahres Labyrinth von Türmchen, Zinnen, Giebeln und Kaminzügen, denn 400 offene Feuerstellen mussten mit Luftzügen versorgt werden und auch die Fäkalienbecken wurden über die Dächer entlüftet. Der Blick vom Dach aus ist fantastisch, man kann die Gärten, Kanäle und Wälder bis zum Horizont sehen. Die Gärten wurden im Jahr 2017 runderneuert und entsprechen nun wieder den Plänen zu Zeiten Ludwigs XIV. Sie stellen zusammen mit den zugehörigen Wäldern den größten Park Europas dar.
Es fällt zwar schwer, aber wir müssen das Schloss bald verlassen, um noch schnell den Modellbaubogen (für das 3 Jahre später fertiggestellte Modell) zu kaufen und den Bus zum nächsten Ziel Cheverny zu erreichen ...
Schloss Cheverny wurde im 17. Jhdt. erbaut und wird seit sechs Jahrhunderten von der selben Familie bewohnt. Im Vergleich zu Chambord wirkt es eher wie ein Gutshof. Es ist vollgepackt mit historischem Mobiliar - stellenweise mit modernen Kunstwerken und Legofiguren angereichert - und man kann sich ganz gut vorstellen, wie man hier drinnen gelebt hat. Obwohl wir im Spätherbst, also keineswegs in der Hauptsaison unterwegs sind, schieben sich Massen von Touristen durch die Räume: Da sehnt man sich nach der Weitläufigkeit Chambords zurück ...
Ein Spaziergang durch den Park im englischen Stil mit seinen riesigen Mammutbäumen, Zedern und Linden sowie lauscheligen Picknickplätzen lohnt sich aber unbedingt und entschädigt für das Gedränge im Schloss.
Wer Jagdhunde liebt, kommt hier ebenfalls voll auf seine Kosten, denn im Zwinger tummeln sich ca. 100 Hunde, die man besuchen kann. Weniger erfreulich ist die Vorstellung, dass mit diesen Hunden aufgrund einer Sondergenehmigung immer noch Hetzjagden auf Hirsche veranstaltet werden ...
Das Schloss diente auch als Vorlage für das Schloss Mühlenhof in Tim und Struppi. Aus diesem Grund kann man hier eine Dauerausstellung besuchen, die dem Autor Hergé gewidmet ist.
In der Orangerie ist eine Cafeteria eingerichtet: Da es "nur noch" gut zweieinhalb Stunden bis zum Feierabend dauert, ist das Personal relativ lustlos, und die Reste der angebotenen Speisen in den Theken nicht wirklich einladend. Rings um uns wird gewienert und gewischt. Den Wein, der in Cheverny produziert und hier verkauft wird, muss man nicht probieren ...
Man bekommt ein Glas mit einen Chip im Boden. Dieser Chip wird aufgeladen mit der Anzahl der Proben, die man bezahlt. Dann kann man sich zu den Zapfstationen begeben und das Glas unter dem Hahn löst den Weinfluss aus. Die ganz großen Gewächse sprudeln nicht aus den Kränen, aber wir üben schon mal für die kommende Weinreise ...
Schnell vergeht die Zeit und schon müssen wir wieder zum Bus zurück nach Blois, denn im Duc de Guise, einem Traditionslokal, wartet bereits ein Tisch auf uns ...
© 2019 Sixta Zerlauth