Getreu dem Motto des Mourvèdre: Wir wollen das Meer sehen ...
Heute können wir ein wenig ausschlafen und erst kurz nach 9:00 Uhr sitzen wir beim gemeinsamen Frühstück. Auch scheint heute ein Koch seinen Dienst früher angetreten zu haben, denn es gibt neben üblichen Frühstückseiern auch Rühreier und sogar pochierte Eier werden gebracht (da wollte das Sternelokal mal zeigen, was es kann, allerdings hatte die niemand bestellt ... ).
Zuerst führt uns der Weg Richtung Perpignan nach Calce, einem Ort mit sechs Winzerrebellen, wie wir bereits gestern bemerkt hatten. Doch wir besuchen nicht Matassa, sondern die Domaine Gauby.
Auch diese Adresse kennt das Navi nicht und so fragen wir Fußgänger im Ort: Rein zufällig treffen wir dabei auf den Bürgermeister, der ganz begeistert in der Domaine anruft, um unser Kommen anzukündigen. Gauby fing im Jahr 1985 in Calce an und die anderen Rebellen haben entweder bei ihm gelernt oder waren von seinen Weinen derart fasziniert, dass sie sich in seiner Nachbarschaft niederließen.
Auch hier wird Naturwein biologisch-dynamisch produziert und viel experimentiert: In Beton- und Glasfasertanks gären die Trauben und man räumt ein, dass man sich selbst überraschen lässt, was daraus entsteht. Sogar ein Tank mit Weißwein, der - wie sonst nur Rotwein - mit der Schale vergoren wird und sich somit zum neu entdeckten "Orangen Wein" entwickeln soll, steht im Keller. Die Betontanks nutzt man, da ohne aufwändige Kühltechnik die Temperatur während der Gärung konstant gehalten werden kann und eine einfache Belüftung möglich ist. Nach dem Gärprozess wird der Wein per Schwerkraft in den tieferliegenden Fasskeller verbracht, getreu dem Motto, Wein ohne Einsatz von chemischen und unnötigen technischen Hilfsmitteln herzustellen ...
Das, was jedoch dem Kunden angeboten wird, ist bei Gauby nicht mehr nur dem Zufall überlassen, sondern das Ergebnis der jahrelangen Entwicklung. Im Gegensatz dazu verhält es sich bei Matassa anders, entwickelt sich z.B. im Wein spontan Hefe, so lässt man sie gewähren und erklärt die dabei entstandene Sherrynote zum Programm.
Im Keller von Gauby kann man die unterschiedlichen Böden auf kleinstem Raum sehen, denn man verzichtet auf eine Kellermauer. In diesem urigen Ambiente verkosten wir ...
Rotwein:
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Weißwein:
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Wir fahren weiter ans Meer nach Canet-en-Roussillon. Wir haben Glück mit dem Wetter: herrlicher Sonnenschein, angenehm warme Temperaturen und Windstille. Es ist Nachsaison, der Strand ist ziemlich leer und wird gerade aufgeräumt, nur vereinzelt finden sich Badegäste.
Die Terrassen der Restaurants sind schon geräumt, denn eigentlich müsste um diese Zeit der Mistral die Küste fest in der Hand haben. Aber für das Mittagessen baut das Personal gerne einen großen Tisch mit Stühlen für uns auf, teils beschattet teils sonnig, damit jeder der Gruppe einen optimalen Platz findet. Auch hier gibt es regionale Leckereien und dazu passend einen frisch-fruchtigen Rosé beziehungsweise frisch gezapftes Bier für mittägliche Bierliebhaber.
Nach einem ausgiebigen Strandspaziergang zur Verdauung geht es schon weiter nach Banyuls - hier erwartet uns nun die Kellerei La Rectorie ...
Das Verwaltungsgebäude der Domain - eine alte Villa - liegt im Ortskern von Banyuls: Ein Ort, dessen Name fest verbunden ist mit dem gleichnamigen Süßwein. Aber La Rectorie zeigt, dass es auch mit "trockenen" Weinen geht: Seit Generationen sind die Weinberge im Besitz der Familie und die weit verteilte Anbaufläche wurde immer wieder erweitert. Die Trauben wurden viele Jahre lang an die Genossenschaft abgegeben, seit 1984 produziert man den Wein jedoch wieder selbst. Die Weinstöcke sind durchschnittlich 50 Jahre alt, die Anbauflächen zum Teil steil und schwierig zu bewirtschaften, so dass man sich lieber Pferd und Maultier als Helfer bedient als aufwändiger Maschinen.
Die malerische Villa ist sehr schlicht und stilvoll eingerichtet, an den Wänden hängen Schwarzweißfotos von Pierre Parcé, einem der drei Brüder, die diese Domaine übernommen haben.
Das ganze Angebot steht zur Verkostung bereit:
Rotwein:
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Weißwein:
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Rosé:
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Süßwein (benannt nach Mitgliedern der Familie):
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Die Süßweine von La Rectorie werden übrigens nicht in Glasballons gereift, sondern lagern nach der Unterbrechung durch das Hinzufügen des Alkohols in Holzfässern.
Damit wir einen Eindruck bekommen, unter welchen Bedingungen der Wein angebaut werden muss, fahren wir noch in den Weinberg an der Küste: Hier ist schon längst alles abgeerntet, in der Regel endet die Erntezeit hier Mitte September.
Unweit von Banyuls - in Coullioure - erwartet uns das Hotel Casa Pairal, ein Gebäudeensemble aus dem 19. Jhdt. im katalanischen Stil. Unser Gepäck wurde aus Riberach transferiert und steht schon in den Zimmern. Obwohl das Hotel mitten in der Altstadt liegt, ist es ruhig und hat einen schönen Garten als riesigen Innenhof, in dem man unter einer gewaltigen Magnolie im Schatten sitzen und relaxen kann.
Sicherheit scheint im Casa Pairal wichtig zu sein: Die Zufahrt zum Parkplatz muss mit einem sich täglich ändernden Nummerncode freigeschaltet werden, den man per SMS bekommt (manchmal), per Telefon erhält (ist immer besetzt) oder wie auch immer (durch Eingebung?). Nicht selten endet es damit, dass man dann doch zur Rezeption gehen muss, um den Code zu erfahren ...
Insgesamt steht bald fest: Gerhild hat unsere Unterkunft wieder einmal perfekt ausgewählt - ein idyllisches Hotel in dem wunderhübschen Fischerort Coullioure.
Wir spazieren abends durch den Ort, um im Fischrestaurant Le Neptune am Hafen den Tag ausklingen zu lassen. Wieder wurde ein mehrgängiges Menü für uns vorbereitet, der Austausch von Gängen ist problemlos, Ziegenkäse ist kein Muss! Zusammen mit dem Sommelier wählt Gerhild Burkard wieder perfekte Weine aus: Als Weißwein Les Canadells von La Tour Vieille aus 2014 (Grenache noir, Grenache gris, Roussanne, Macabeu, Vermentino) und als Rotwein eine Cuvée Crestall von Domaine Madeloc Crestall aus 2009 (Mourvèdre, Syrah) und zum Abschluss noch ein Gläschen honigsüßen Banyuls zum Dessert.
Auf dem Rückweg zum Hotel bemerken wir, dass der Wind zugenommen hat, ja, es lag wirklich am Wind und nicht am Wein, dass alles ein bisschen gewackelt hat ...
© 2016 Sixta Zerlauth