Weiter zur "Mediterranée" und der lange Weg zurück ...
Wenn man schon am ehemaligen Sammelbecken Naurouze ist, darf der Besuch eines nahen Monuments nicht fehlen. Es geht vorbei an der alten Königlichen Mühle, die aus derselben Epoche stammt wie der Kanal und schließlich in Richtung der "Steine von Naurouze": Tertiäre Steinblöcke, in deren Umgebung alte Kultstätten gefunden wurden und um die sich mittelalterliche Sagen ranken.
Oben auf dem eingezäunten Gelände und auf den Steinen befindet sich eine 20 m hohe Säule, nämlich der im Jahr 1827 fertiggestellte Obelisk zu Ehren von Pierre-Paul Riquet. Etwas verdutzt stehen wir vor der Treppe hinauf und dem verschlossenen Tor, neben dem wir lesen können, dass wir ausgerechnet eine Öffnung des Geländes während der letzten Tage verpasst haben ...
So bleibt nur eine Umrundung des Monumentes auf dem Weg entlang der Außenmauer und danach die Rückkehr: Wir wissen schließlich, dass wir auf dem langen Weg zur nächsten Schleuse Mediterranée erst einmal wieder zurück müssen zur Brücke an der L´Océan. Etwas entfernt vom Gelände rund um das Sammelbecken sehen wir zwar die Schilder eines Restaurants, aber wir beschließen erst später auf dem Weg zur "Mittelmeer-Schleuse" irgendwo einzukehren und dabei das eine oder andere Bier oder auch Gläschen Wein zu verkosten - ein Fehler, wie sich später herausstellen wird!
Wir überqueren den Kanal auf der Brücke an der wunderschön gelegenen L´Océan-Schleuse und folgen wieder dem dortigen Treidelweg in Richtung Südost. Erneut bewegen wir uns durch hochgradig idyllisches Gelände am Rande des Kanals und es ist auch heute nicht schwer zu verstehen, warum er einer der schönsten der Welt sein soll. Und schließlich sind es jetzt wieder mal nur gut zwei Kilometer bis zum nächsten Ziel, dem im Kanalführer eingezeichneten Örtchen Le Ségala (mit Restaurant! ), wo wir unseren "Wein unterwegs" nehmen wollen.
Neben einer interessanten Fabrik für Töpferwaren soll es laut Kanalführer dort auch auch das Restaurant Le Relais de Riquet geben - und das sogar ohne Ruhetag! Als wir das etwas verlassen wirkende Dörfchen an der Kanalbrücke schließlich erreichen, zeigt sich, dass man heutzutage eher dem Internet als einem Kanalführer vertrauen sollte, was wir etwas naiv gemacht haben: Am heutigen Montag hat das Lokal, das zugleich wohl auch als Laden dient, "natürlich" Ruhetag. Und in den Nebenstraßen herrscht selbstverständlich ebenfalls eine solche Leere, dass wir recht schnell wieder zurückkehren. Eine öffentliche Toilette weist auf vorhandenes Trinkwasser hin, so dass wir wenigstens etwas zu trinken haben nach all den Kilometern, die inzwischen zusammengekommen sind seit unserem Aufbruch heute morgen ...
Etwas erschöpft kann man sich auf einer Parkbank am Anleger von Le Ségala niederlassen und überlegen, was man nun weiter unternimmt: Die Schleuse Mediterranée ist als weiteres Ziel für heute natürlich Pflicht und ein Blick in den "Führer" zeigt, dass es dort lediglich eine Familie "Not" gibt, die eine Töpferei betreibt - das ist offenbar die unter Le Ségala aufgeführte Fabrik. Von einem Glas Wein ist dort allerdings keine Rede und bis dahin sind es weitere drei Kilometer zu Fuß. Wie es dann von dort aus weitergehen soll, wissen im Moment auch nur die Kanalgötter ...
Also heißt es Zähne zusammenbeißen und wieder weiter auf dem Treidelweg, natürlich auch jetzt durch höchst idyllische Landschaft, wo nach allem derzeitigen Wissen nicht die geringste gastronomische Belohnung auf uns warten wird - da muss man hart sein, insbesondere wenn man unter diesen Bedingungen ab und zu von schnell fahrenden Radfahrern auf dem Treidelweg überholt wird. Wer war eigentlich auf die Idee gekommen, das alles heute zu Fuß zu machen ..?
Nach einer gefühlten Stunde Idylle (war wohl auch eine "richtige" Stunde!) taucht schließlich die Mediterranée vor uns auf: Geschafft, das Mittelmeer kann nun eigentlich nicht mehr weit sein ..!
Vor uns wieder ein ovales Schleusenbecken mit Automatik-Selbstbedienung, auf Sitzgelegenheiten rund um die Schleuse hat man diesmal verzichtet - vermutlich rechnet niemand an dieser Stelle mit Fußgängern aus Avignonet-Lauragais mit Zusatzrunden in Naurouze. Ein Kontrollblick auf das Namensschild der Schleuse und die Entfernungen zu den Nachbarn zeigt zumindest hier Übereinstimmungen: Zur L´Océan ist es von hier aus genau so weit wie umgekehrt: 5.190 Flussmeter kann man auf dem Schild lesen.
Erstaunt sind wir, hier und heute an dieser Schleuse die Kapadokya liegen zu sehen: Ausgerechnet über die hatten wir als Alternative zum Fast-Hôtel nachgedacht, denn auch an diesem abgelegenem Ort hätten wir uns in der schwimmenden Touristenherberge einmieten können. Nun ja, die Fußwege wären bei diesem Aufenthalt dann doch noch deutlich länger geworden ...
Auch die Töpferei der Familie Not ist vorhanden: Die dort ausgestellten Töpferwaren werden allerdings wie vermutet in keiner Weise gastronomisch begleitet, sondern lediglich ein verwaister Tisch am Kanalufer bietet die Möglichkeit, über sich und seine Zukunft heute nachzudenken.
Was tun hier am "A.... der Welt"? Öffentliche Verkehrsmittel Fehlanzeige, sonstiges ebenfalls. Dazu scheint sich eine Wetterverschlechterung anzubahnen. Sollte es etwa später auf dem Rückweg noch regnen wollen, ein mittlerweile ungewohntes Geschehen also ..?
Wieder mal also ein Blick in die Karte, d.h. den Kanalführer. Man einigt sich auf die "harte" Lösung, um genau denselben Rückweg zu vermeiden: Von hier aus zunächst ein Fußmarsch bis zu Stadt Labastide-d´Anjou, wo vielleicht selbst am heutigen Montag ein Lokal geöffnet sein könnte. Von da aus zu Fuß weiter zurück Richtung Obelisk und Naurouze, wo man vielleicht zum Abendessen bei einem bereits vorher gesichteten Restaurant eintreffen könnte - mindestens schlappe 7-8 km weiterer Fußmarsch also. Und von da aus später dann (wohl nachts) am Kanal zurück zum Hotel am Hafen Port Lauragais - ein stattliches Tagwerk also, das noch vor uns liegen würde ...
Langer Wege kurzer Sinn: Wir erreichen den Ort, das Wetter hält, selbst ein Bier in einem Straßencafé ist möglich, nur der weitere Weg zurück entlang der Hauptstraße Richtung Obelisk und Naurouze erweist sich als unmöglich zu begehen. Am Fahrbahnrand einer Hauptverkehrsstraße ohne Fußgängerweg entlang zu hüpfen macht keinen Spaß und ist nicht ungefährlich. Nach kurzer Strecke steigen wir seitlich von der Straße ins Feld hinab und schlagen uns querfeldein durchs Gelände am Rande der Landwirtschaft. Hier gibt es zwar auch wieder idyllische Ausblicke - diesmal in Richtung auf "unseren" in der Ferne liegenden Kanal -, hilft aber nicht wirklich weiter.
Nach diversen Kletter- und Kriecheinlagen stoßen wir schließlich wieder auf einen höher gelegenen Waldweg, über den gerade einige Radfahrer brausen - so ein tolles Gerät hätte man heute wirklich auch ganz gerne!
Ganz ungestört und allein können wir dann aber im weiteren Verlauf dem Waldweg folgen. Und wie durch ein Wunder treffen wir bereits kurz darauf auf den Kanalzufluss vom Stausee Saint Ferréol und können so gemütlich am alten Seitenkanal entlang unser Ziel ansteuern: Ein Abendessen im Restaurant Le Spark´s direkt neben der alten Königlichen Mühle am Sammelbecken Naurouze. Dort haben wir allerdings nicht reserviert, was uns nach früheren Frankreich-Erfahrungen ein wenig schaudern lässt auf dem weiteren Weg ...
Und was soll man sagen: Irgendwann sind wir im Restaurant angekommen, etwas zu früh und etwas unangemeldet, aber nach einem zunächst strafenden Blick des Kellners wird der im Laufe des Abends immer zutraulicher, das Essen von der Vorspeise bis zum Nachtisch immer besser und auch die Getränke lassen keinerlei Wünsche offen ...
In finsterer Nacht geht es schließlich wieder zurück am Kanal Richtung Port Lauragais - und muss man noch betonen, dass einem die paar restlichen Kilometer eigentlich fast gar nicht mehr auffielen ..?
© 2017 J. de Haas