Aller Anfang ist schwer
Schwer bepackt mit Koffern und einem Einkaufstrolly mit der Grundversorgung an Essen und Getränken für die nächsten Tage erreichen wir nach unserem Einkaufsausflug erneut wieder den Hafen von Agde - glücklich, von den rasenden Autofahrern an der Zufahrtsstraße nicht platt gemacht worden zu sein.
Die Möwen empfangen uns mit lautem Gelächter, sollte das etwa höhnisch
gemeint sein - und hatten wir das
nicht schon mal vorher irgendwo? Gut, dass man so vieles schnell
wieder vergisst und vorher nicht alles weiß ..!
Um 14:00 Uhr soll die Einweisung beginnen, damit der Kapitän eine Lizenz für Boot und Kanal erhalten kann. Zuvor muss allerdings noch jede Menge Papierkram erledigt werden: Eine Kaution wird hinterlegt, eine Art Vollkaskoversicherung wird abgeschlossen, eine Bootsführerlizenz wird ausgestellt, wobei es vollkommen egal ist auf wen, Hauptsache an Bord hat einer den Zettel, auch wenn er das Boot überhaupt nicht fährt.
Dann wird noch für Zusatzausstattung wie Bettwäsche und Handtücher bezahlt:
Da wir uns die BUCK DANNY schon am Vortag angeschaut haben, verzichten wir
auf die ursprünglich geplanten Fahrräder, denn man kann sie auf dem kleinen Boot nicht einfach
verstauen und wer weiß, wann und wo man sie überhaupt benutzen kann. Diese Entscheidung wird
im weiteren Verlauf der Reise auch kein bisschen bereut, so
viel wollen wir an dieser Stelle schon einmal verraten ...
Die gesamte Bürokratie muss auf Französisch abgewickelt werden, da
der Manager kaum Englisch und (natürlich!
) überhaupt kein Deutsch spricht.
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Nun ist endlich alles bereit für die Einweisung: Unser Instruktor spricht
allerdings ebenfalls kein Deutsch und im Gegensatz zum Manager -
natürlich auch überhaupt kein Englisch.
Die Einweisung erfolgt somit auf Französisch, er verspricht langsam zu sprechen.
Gut, wenn man sich vorher schon mal die spezifischen Vokabeln für die Schifferei
angeschaut hat ..!
Zunächst wird das Pump(s)klo mit seinen 4fach Hebelstellungen erklärt,
dann das ganz spezifische Anlassen des Motors, schließlich noch die Bedeutung der Signallämpchen und die
Funktion der Sicherungsschalter. Dann wird zum oberen Steuerstand -
zur Flybridge - gewechselt, da dort etwas mehr Platz ist als unten. Zum Steuern
gibt es den Hinweis, die Lenkung des Bootes würde anders funktionieren als
bein Auto (oder beim Segelboot, deshalb würden Segelbootführer und Autofahrer
(!) schon mal Probleme bekommen) ...
Die Fahrt geht zunächst geradeaus aus dem Hafen, später folgt ein Vollkreis
auf dem relativ schmalen Kanal, der kaum breiter zu sein scheint als
das Boot lang. Schließlich wieder ein Stück geradeaus, und als wir den Vollkreis
nochmal wiederholen wollen, wird der Instruktor schon ganz unruhig -
ihm reicht es scheinbar,
wenn man alles nur einmal macht! Bereits nach den ersten Manövern
wird dem Steuermann schnell klar: Hier und heute ist alles ganz
anders als seinerzeit auf dem Shannon, nach Einleitung des Turns
wird zwar auch der Rückwärtsgang dicht vor dem gegenüberliegenden
Ufer des schmalen Kanals eingelegt, die Ruderstellung bleibt dabei
aber unverändert - angabegemäß eine Optimierung für den
Kanalbetrieb, wie der Instruktor zu erklären versucht. Später werden
wir noch erfahren, was es bedeutet, mit offenbar linksdrehendem
Propeller und erheblichem
Radeffekt zu
versuchen, "optimiert" und vor allem gezielt rückwärts zu fahren ...
Irgendwie kehren wir wieder zurück zum Anlegesteg, vorwärts eingeparkt. Nun müssen noch die Leinen ab- und wieder aufgewickelt werden, das ist tatsächlich sehr wichtig - aus Gründen der Sicherheit und aus Gründen der Effizienz beim Schleusen.
Wir fragen nach den Schleusen: Der Instruktor weiß eigentlich, dass wir nach
Carcassonne fahren und deshalb nur aufwärts schleusen. Trotzdem gibt
er falsche Anweisungen: Bei Schleusen mit Ampel solle man bei Grün sofort
einfahren und niemand vorher aussteigen, ansonsten soll man warten.
Ist das Schleusentor auf und hat keine Ampel, dann solle man auch direkt
einfahren. Dann gibt er uns noch die Öffnungszeiten für die Schleusentreppe
in Fonsérannes, aber leider alle Zeiten für das abwärts
Schleusen - gut,
dass wir uns im Internet bereits vorab informiert haben. Und gut,
dass jemand, der kein Französisch versteht, das sowieso nicht
bemerkt hätte ...
Nahezu alles, was der Instruktor uns zum Schleusen erzählt, erweist sich schließlich als falsch, vieles betrifft die Regeln für das Abwärtsschleusen. Kritisches Nachfragen wird in einem schnell gesprochenen Schwall abgetan. Je mehr Nachfragen, um so schnelleres Französisch ...
Die Schleusentechnik, die im Kapitänshandbuch des Vermieters erläutert wird (mit einer Leine um zwei Poller), lehnt der Instruktor rundheraus ab. Auch der Hinweis aus dem Handbuch, man dürfe das Boot nur am Bug verlassen, erweist sich als Humbug, denn dort sind Geländer und Reling fest montiert, das würde schon große sportliche Fähigkeiten erfordern, um darüber an das Ufer zu flanken. Also muss man immer zuerst mit dem Heck anlegen, was sich später teilweise als recht schwierig und umständlich erweisen wird.
Keinerlei Informationen erhalten wir, was zu tun ist, wenn kleinere Probleme auftreten: Entfernen von Algen oder Gestrüpp aus dem Propeller, Reinigen der Lenzpumpe oder gar die Stelle an Bord, wo sich diese befindet usw. Auch das Versteck mit den Schwimmwesten entdecken wir erst bei unserer späteren Erkundungstour.
(Anm. der Red.: Natürlich gab es später Probleme mit der Lenzpumpe, der Schwimmer verklemmte sich, auch setzte sich etwas am Propeller fest. Aber dank der Erfahrungen aufgrund irischer Bootstouren konnte die Pumpe aufgespürt und repariert und auch die Schraube wieder freigefahren werden.)
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Dafür gibt es vom Instruktor aber jede Menge Tipps, was man alles unterwegs besichtigen solle - alles graue Theorie bei rund 8 km/h Höchstgeschwindigkeit, 22 (Aufwärts-) Schleusen mit Mittagspausen und der Möglichkeit, nur von 08:00 - 18:00 Uhr zu fahren. Man ist gut beschäftigt, sein Tagessoll zu erfüllen, damit man in der einen Woche die Strecke schafft ...
Zum Schluss gibt es noch eine Handynummer für den Notfall und schon entschwindet der Instruktor. Auch wird mit keinem Wort erwähnt, wo genau das Boot in Carcassonne eigentlich wieder abzugeben ist. Aber erst einmal muss man ja überhaupt am Ziel ankommen ...
Nun wird wieder zum unteren Steuerstand gewechselt, denn dort haben wir unseren mitgebrachten guten alten Zumo 550 samt vorbereiteter Strecke montiert und dort befinden sich auch der Schnapskompass des Bootes und der griffbereite Kanalführer.
Aber irgendwie scheint alles verhext: Das Boot will im engen Anlegebereich der Marina einfach nicht kontrolliert rückwärts oder vorwärts fahren. Und so peinlich es auch ist, kaum ein Boot in unserer Reichweite, das nicht irgendwie ein wenig gerammt wird. Da hilft auch kein Abstoßen mit dem Bootshaken. Zum Glück hat das Boot wenig Fahrt drauf, Schäden werden keine verursacht. Schon kommt der Instruktor angehechtet und stuntmäßig springt er von Boot zu Boot, bis er schließlich wieder bei uns an Bord steht: Was um Gottes Willen ist los?
Tja, das Boot fährt nicht in die Richtung, in der man den Fahrthebel
bewegt. Aber das ist doch klar, meint der Instruktor, man habe den Fahrthebel
am unteren Steuerstand im Gegensatz zum oberen verkehrt herum einbauen müssen, damit der Kapitän
rechts stehen kann. Also "Forward" bedeutet Rückwärts und "Reverse"
bedeutet Vorwärts - ist doch logisch oder? Man muss die unverändert
gelassenen Aufschriften einfach
ignorieren - denn wer bitte sehr nimmt englische Aufschriften ernst auf
einem französischen Boot ..?
Zum Rammen hat er noch einen Hinweis: Das ist im Prinzip erlaubt,
Hauptsache langsam - Fullcontact-Bootsfahren auf dem Kanal. Um uns aufzubauen,
erhalten wir noch die Bootsvermieterweisheit: Der erste Tag auf dem
Boot ist schwer, der zweite Tag ist so so la la, aber ab dem dritten
Tag beginnt der Schwebezustand ...
Endlich sind wir raus aus dem Hafen ... Es ist schon später Nachmittag, zum Glück ist nur eine kurze Etappe geplant zum Eingewöhnen, ganz ohne Schleusen. Wir gleiten dahin unter der Brücke mit den drei Bögen durch bis nach Vias.
Da bleibt auch Zeit, sich mit dem Boot genauer zu beschäftigen: Die Küchenausstattung ist durchaus gut, ordentliches Geschirr, ordentliche Kochtöpfe und Pfannen, ein guter Herd, sogar mit Backofen, ein ziemlich kleiner Kühlschrank, nichts für starke Biertrinker, aber hier sollte man ohnehin den regionalen Wein genießen. Menüs zu kochen ist eine Herausforderung, denn man muss mit Pfannen und Töpfen jonglieren, da man sie nur auf dem Esstisch abstellen kann, eine Ablage neben Herd gibt es nicht.Am
Steuerstand ist, wie bereits bemerkt, der Fahrthebel falsch herum eingebaut.
Nun fällt allerdings auf, dass die Tankanzeige immer "leer" anzeigt.
Aber wir sollen
angeblich vollgetankt sein und das reicht allemal für die Woche. Für den Kapitän
gibt es einen Klapphocker, aber man kann sich nicht vorstellen, dass
je ein Bootsführer die anatomischen Voraussetzungen erfüllt hat, um diesen
auch nutzen zu können ...
Auch auf der Toilette sollte man über eine gewisse Gelenkigkeit verfügen, denn sie ist extrem eng. Will man zum Papier greifen, kann man sich schnell eine Beule am Kopf holen und das Bekleiden nach dem Geschäft erledigt man besser auf dem Flürchen vor dem Klo. Warnhinweise in zahlreichen Sprachen machen deutlich, dass man nur Exkremente und dünnstes Papier schreddern darf, sonst kann es teuer werden.
Das Bad ist eine Duschkabine mit eingebautem Waschbecken, so wie man es aus Womos kennt. Das Problem: Es gibt keinerlei Haken oder sonstige Vorrichtungen, ein Handtuch abzulegen, dafür sind die Wände mit Resten von Klebepads übersät, die wohl einst für Haken gedient haben. Nach dem Duschen (zu dem es allerdings nicht kommen wird) müsste man also nass raus, um sich ein Handtuch zu angeln.
Immerhin, es gibt einen Spiegel. Die Armatur am Waschbecken, die gleichzeitig auch als Brause dient, muss allerdings beim Händewaschen stets mit einer Hand festgehalten werden, da sich sonst der Brausekopf selbstständig macht und man eine Zwangsdusche bekommt.
Im Schlafraum erwartet den Gast ein typisches französisches Bett 140 cm breit und ein Einzelbett, das man dringend als Ablage für die Koffer benötigt, denn der Kleiderschrank ist dermaßen winzig, dass man aus dem Koffer leben muss.
Draußen ist die "Reling" ein reines Hindernis und wohl kaum eine Sicherheitseinrichtung.
Die senkrechten Metallstangen sind mit Leinen verbunden, die zwar niemanden
am Sturz ins Wasser hindern können, allerdings erfolgreich ein
bequemes Aussteigen z.B. am Bug verhindern. Hinsichtlich der Bootsleinen muss man beim
Schleusen stets darauf achten, dass man sie unter diese "Reling"
hindurch und oberhalb wieder zurück führt, sonst
können die Relingleinen dabei abgerissen werden. Das ist auch tatsächlich bei einem der
ersten Schleusengänge passiert, die abgerissene Leine konnte
allerdings mit
einer sehr großen Büroklammer schnell wieder repariert werden ...
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Berücksichtigt man, dass wir hier ein Boot von gut 9 m Länge vor
uns haben und denkt
dabei an eine kleine Explorerkabine, so erscheint
eine solche "Wohnkabine", die
von echten Experten auch schon mal gern als "Schuhschachtel"
bezeichnet wird, in manchen Bereichen geräumiger als dieses Boot. Irgendwie scheint der Grundriss des
Bootes und die Ausstattung nicht ganz optimal
zu sein ...
Beim Abendessen - trotz der Enge in der Küche ein dreigängiges Menü - beschleicht uns dann doch irgendwie das Gefühl, ob es wirklich eine so gute Idee war mit dem Kanaltrip, aber mit dem einen oder anderen Glas Rotwein werden die Bedenken zunehmend weggespült ...
© 2016 S. Zerlauth