Auftakt mit Hindernissen ...

Wir sitzen im Zug von Collioure nach Agde und lassen die letzten schönen Tage unserer Weinreise Revue passieren. Es ist schon Herbst, wir haben die Strände verlassen und fahren entlang der wunderschönen Küste Richtung Nordosten, beobachten Pferdeherden, die durch den Naturpark Narbonne galoppieren, sehen in den Lagunenseen Flamingos im Wasser stehen ...  

Im Zug von Collioure nach Agde ... Eine Vermietung - viele Namen

Die nun endlich mögliche Anreise zu dem hart erkämpften Boot begeistert schon. Denn so einfach war das Buchen nicht, da doch etliche Rahmenbedingungen beachtet werden mussten, wie wir uns erinnern:

  1. Es steht nur eine Woche Zeit zur Verfügung.
  2. Es soll ein One-Way-Trip werden, denn nur so kann man in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit viel sehen und muss sich nichts doppelt anschauen.
  3. Start- und Zielhafen sollen einfach mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sein.
  4. Das Boot muss ohne vorherige Lizenz zu fahren sein.
  5. Es soll nicht zu groß und selbst für zwei Personen auch ohne allzu große Kenntnisse bedienbar sein, obwohl ja der Kapitän bereits vor etlichen Jahren einige Erfahrung auf irischen Flüssen und Seen gesammelt hat.
  6. Es soll noch "bezahlbar" sein, was immer das bedeutet ...

Es gibt einige Vermieter und die Bootskosten steigen mit Größe und technischer Ausstattung gewaltig, so dass man zu zweit relativ wenig Auswahl hat.

Nach einigem Googlen entscheiden wir uns für das typische Kanalboot schlechthin - eine Penichette von Locaboat. Die Tour sollte in Argens starten und in Negra enden. Das scheint in einer Woche machbar, auch wenn man einen Tag lang in Carcassonne pausieren will. Praktischerweise ist man von Negra recht schnell in Toulouse am Flughafen, von wo aus der Flug nach Hause gebucht ist.

Penichette ade ... BUCK DANNY bon jour!

Man erhält beim Buchen zunächst eine kostenlose Option mit den bestätigten Buchungsdaten:

  • Datum des Starts
  • Viel Kleingedrucktes zur Tour ...Dauer der Tour
  • Starthafen
  • Zielhafen
  • Boot
  • Extras.

Dazu gibt es jede Menge Material zum Lesen, unter anderem auch das Kleingedruckte - die AGB's.

Ganz ehrlich, oft haben wir AGB's nicht gelesen, aber irgend etwas bewegte uns, es diesmal genauer zu tun. Und das war gut so! In einem Kapitel "Einwegfahrten" findet sich die Regelung, dass der Bootsvermieter ohne Angabe von Gründen die Fahrtrichtung umdrehen kann. Welche Fahrtrichtung man dann tatsächlich nehmen muss, ist frühestens drei Tage vor Abfahrt zu erfahren. Wir lesen noch genauer ...

Klar, dass bei höherer Gewalt wie Unwetter oder Schleusenstörungen der Fahrplan durcheinander kommen kann, aber auch wenn ein Vormieter es sich anders überlegt, storniert oder erst gar nicht die vereinbarte Route fährt, liegt das Risiko beim Nachmieter, also bei uns. Wir versuchen zu verhandeln, um das Risiko durch den Vormieter nicht übernehmen zu müssen. Keine Chance, nur der lapidare Hinweis, man verstehe das Problem nicht, denn man käme ja auch von Argens aus bequem zum Flughafen von Toulouse, das Taxi würde nur 200,- EUR kosten.

Was uns aber so richtig ärgert, ist die Tatsache, dass in der Buchungsbestätigung selbst kein Hinweis auf die mögliche Umkehr der Richtung zu finden ist. Fazit des genaueren Lesens: Wir lassen die Option bei Locaboat verfallen.

Aber eigentlich ist es doch eine gute Idee, diesen legendären Kanal ein Stück weit zu fahren. Wir versuchen es mit France Passion Plaisance - auch unter dem Namen Canalous bekannt, diesmal von Agde nach Carcassonne, keine Penichette, sondern ein kleines "normales" Boot der sogenannten Triton-Klasse. Auch France Passion Plaisance hat die Klausel mit der möglichen Umkehr der Einwegfahrt - bei diesem Vermieter aber in der Buchungsbestätigung erkennbar.

Nach auch diesmal erfolgender Rückfrage gibt man sich alle Mühe und erklärt uns, dass die Anschlussfahrt unseres Bootes von Carcassonne zurück nach Agde bereits gebucht ist und das Boot - egal wie - für unseren Nachmieter nach Carcassonne muss. Das bekommen wir schriftlich per E-Mail (wofür auch immer es gut wäre). Ein wenig Unsicherheit bleibt jedoch, aber der Kanal lockt ...

Auch wenn der Vermieter eine Einweisung vorsieht, tut man gut daran, sich vorzubereiten: Die Herausforderung beim Kanal ist weniger das Navigieren - wo soll man bitte hin, außer geradeaus? - die Herausforderung sind vielmehr die Schleusen und das Wissen um einige Regeln.

Im Herbst darf man nur bis 18:00 Uhr fahren. Bei den Schleusen muss man Öffnungszeiten beachten und auch die Mittagspause einplanen, will man seine Etappen erfüllen. Auch sollte man schon eine Vorstellung haben, was zu tun ist, wenn man auf- oder abwärts schleust. Ein Schleusengang dauert, wenn alles glatt läuft, ca. 20 Minuten und es kann auch in der Nachsaison vorkommen, dass man "anstehen" muss, bis man dran kommt. Das sollte man bei der Etappenplanung nicht vergessen. Baden ist im Kanal strikt verboten aus gesundheitlichen Gründen - das versteht man besser, wenn man weiter liest: In die Toiletten darf nur weiches Toilettenpapier gelangen, damit alles problemlos geschreddert werden kann. Was im Gepäck auf keinen Fall fehlen darf: rutschfeste Schuhe und Arbeitshandschuhe. Viel zu lesen, es bleiben trotzdem noch genug Fragen ungeklärt ...

Neben dem sehr ausführlichen deutschen Handbuch des Vermieters - teilweise muss man allerdings rätseln, was gemeint ist - empfiehlt sich insbesondere die bereits erwähnte "fluviacarte" Canal du Midi der Éditions De L´Écluse (ISBN 978-2-916919-39-3) und die Publikation Hausbooturlaub Canal du Midi von Hans Zaglitsch und Andrea Hoffmann. Zusätzlich haben wir uns aber auch noch den ebenfalls schon erwähnten Kanalführer des Vermieters "Canal du Midi" der Éditions Du Breil (ISBN 2-913120-38-5) zugelegt. Dieser Flussführer liegt in den Booten und hat uns gute Dienste erwiesen.

Die Rundschleuse von Agde, jede Menge zu beachten ... Nun können sie kommen, die Boote ...

Dermaßen vorbereitet erreichen wir schließlich Agde. Nur wenige Schritte vom Hotel entfernt liegt unser Starthafen an der berühmten Rundschleuse des Ortes, die eine Besonderheit darstellt: Sie ist eine ganz spezielle Kreuzung zwischen dem Kanal du Midi und dem Fluss Hérault Richtung Meer und hat aus diesem Grund auch drei Tore: Das dritte Richtung Fluss nur erlaubt für Seeschiffe.

Schon kommt auch ein Boot aus Richtung vom Étang de Thau am Mittelmeer den Kanal hoch geschippert: Heute sind wir noch schaulustige Touristen und beobachten einen sichtlich überforderten Kapitän mit noch überforderterer Mannschaft, denn man versucht entgegen allen Regeln, das Boot in der Schleuse am Poller festzumachen: Eine Todsünde aufgrund der dritten Ausfahrt, die (trotz eigener Fahrtrichtung Nordwest) ausnahmsweise zunächst ein Abwärtsschleusen erfordern kann!

Eine resolute Schleusenwärterin bringt laut schreiend kurzerhand Ordnung ins Chaos - die Leinen werden wieder gelöst. Kurz danach kommt noch der Ausflugsdampfer dazu, der das Zwischenmanöver erforderlich macht: Der wickelt alles ganz professionell ab. Er möchte in den Fluss wechseln und muss sich dazu in der Schleuse rechtwinklig aufstellen für die dritte Ausfahrt. Das Schleusen beginnt, der Profi hat Vorfahrt und darf zuerst raus in den Fluss, der Freizeitkapitän muss warten, bis sich das Tor wieder schließt und der Wasserausgleich weiter geht Richtung Kanalausfahrt Agde ...

Wir sehen uns im Hafen um und entdecken unsere BUCK DANNY, die von den Vormietern gerade für uns geputzt wird. Die sind Deutsche und so erfahren wir, dass das Boot eigentlich ganz ok ist, aber an der Windschutzscheibe und in einem Schrank etwas undicht zu sein scheint bei Starkregen und das Schleusen wohl ziemlich kompliziert war - warum genau, können wir nicht so ganz herauskitzeln ...

Ein wenig Zeit bleibt noch, um die Altstadt von Agde zu besuchen: Der Ort scheint schon bessere Zeiten gesehen zu haben und zusätzlich ist nun auch noch die Saison vorüber - was für ein Unterschied zu Collioure!

Der Hauptboulevard hat viele geschlossene Lokale und die noch offenen wirken wenig einladend. Die Gassen sind eng und verlassen, es regnet - ideale Szenerie zwar für irgendeinen Thriller oder Horrorschocker, vollkommen ungeeignet aber für hungrige Touristen in der Nachsaison. Auch das Schild am Dom, man möge bei Gewitter mindestens drei Meter Abstand halten, verbessert die Stimmung nicht wirklich. Einzig allein die bemalten Fassaden in Tromp-l´oeil-Technik können gefallen ...

Agde, verlassene Gassen, nette Fassaden ... Der Dom von Agde - meiden bei Gewitter ...

Aber der Herbst hat auch etwas Gutes: Die Austern- und Muschelzeit hat begonnen und so wie bei uns zum Winter Glühweinstände an allen Ecken aufgebaut werden, so eröffnen hier Austernstände, die auch den einen oder anderen Wein im Angebot haben. Wenn einer weiß, wo man hier noch etwas Gutes zu essen bekommt, dann die Dame am Stand - und Volltreffer!

Sie empfiehlt uns das "Casa Pépé", denn schließlich hat sie das heute wie üblich selbst mit frischem Fisch beliefert. Es liegt ein wenig versteckt, aber das gemütliche urige Lokal, der freundliche Besitzer, der hier als Wirt und Koch die Gäste verwöhnt, und auch das Essen, bei dem alles hervorragend schmeckt, entschädigt uns für den tristen Eindruck, den Agde ansonsten heute Abend macht.

Nun kann der Morgen kommen  - und die Bootsreise beginnen ...


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