Euro-"Extratour": Ungarn
(Bericht
von
S. Zerlauth)
20.09.2005 -- Viele Deutsche reisen nach Ungarn der Preise wegen: Billige Zahnärzte, billige Brustimplantate, billig thermal baden, billig essen und trinken. Vor allem der Wein soll ja soooo günstig sein ...
Ungarische Weine sind in Deutschland nicht allzu bekannt und das Weinangebot beschränkt sich in den Geschäften im Allgemeinen auf den weißen süßen Tokajer und den roten süßen "Erlauer Stierblut" aus der Weinregion Eger.
Das muss doch hier in Ungarn ganz anders sein!
Kommt man in das Land und macht Rast am ersten Gasthof, folgt die Enttäuschung oft auf dem Fuß: Man hat Auswahl zwischen rot und weiß, süß, halbtrocken und trocken.
Mit etwas Glück steht auch noch die Rebsorte dabei, bei rotem Wein z.B. Kekoporto, der dem Blauen Portugieser entspricht, was schon in Deutschland nicht gerade oenologische Hochgenüsse verspricht. Billig ist der Wein tatsächlich, der hier in ungarischen Lokalen in Vielfachen von Dezilitern verkauft wird: Billigste Massenware, auf den vermeintlichen Geschmack der Touristen abgestimmt. Auch in den Geschäften herrscht das Billigangebot vor, die Preise liegen zwischen 2,00 EUR und 3,50 EUR pro Flasche. Man muss schon genau schauen, wenn man einen akzeptablen Wein will.
Wem das noch zu teuer ist, kann es billiger haben und kauft gleich ganze 5 Liter in Plastikkanistern, zu 1,00 EUR - 1,50 EUR den Liter. Und so sehen wir auf den Campingplätzen oft freudige Touristen, die mit ihren Schnäppchen in den Wohnwagen verschwinden, um einen weinseligen Abend zu verbringen ...
Nur haben hier meiner Meinung nach Weinseligkeit und Weingenuss wenig miteinander zu tun.
Immerhin: man kann rings um den Balaton mit dem Euro zahlen: Campingplätze, Geschäfte und Restaurants rechnen die Forint zu recht reellen Kursen um. In 2005 liegt der Kurs bei 1 EUR = 240 Forint. Viele Preisaushänge enthalten Angaben in Forint und Euro. Wechselgeld erhält man oftmals in Euro.
Auch wenn Ungarn mit dem Betritt zur EU generell zugestimmt hat, dass der Euro übernommen wird, so will man sich damit doch viel Zeit lassen. Der Forint nimmt noch nicht am Wechselkursmechanismus II (WKM II / "Eurowarteraum") teil und im Juni 2005 wurde vom Premierminister Ungarns verkündet, dass der Euro nicht vor 2010 in Ungarn eingeführt werden soll.
Verlässt man die Balatonregion, so wird der Euro in der Regel nicht mehr akzeptiert. So verhält es sich auch im Süden: Euro, nein, aber guter Wein: Ja.
Macht man vom Billigthermalbad Harkany aus einen Ausflug in den nahe gelegenen Weinort Villany, nach dem die Weinregion hier benannt ist, so werden Cabernet Sauvignon, Merlot und köstliche Cuvées angeboten, nach französischer Methode im Barrique ausgebaut.
In gemütlichen Borözo (Weinstuben) kann man sich davon laben, nachdem man das kleine Weinmuseum von Villany besucht hat. Das Marketing funktioniert gut. Aber hier in Villany langen die Winzer mit raffgierigen Händen nach den Euros der Touristen: Ab EUR 12,50 sind die Flaschen im Winzerdirektverkauf zu haben. Auch wenn die Weine gut sind, so liegen die Preise doch deutlich über den hochqualitativen Angeboten der Konkurrenten z.B. aus dem österreichischen Burgenland, aus Spanien, Frankreich oder Italien. Wie mag diese Preisgestaltung auf einheimische Weinliebhaber wirken? Wohl gemerkt, es handelt sich hier nicht um Ladenverkaufspreise, sondern um Direktverkauf.
Man fühlt sich geneppt, zumal die Flaschen im Restaurant außerhalb der Region Villany lediglich zum ca. 1,5 - 2-fachen Preis angeboten werden, was wiederum günstig ist.
Aber der Fall Villany hat sich zum Glück noch nicht in ganz Ungarn ausgebreitet: In der Weinregion am Matragebirge sieht es z.B. schon ganz anders aus. Hier erhält man z.B. eine zauberhaft duftende Cuvée aus Muskat-Ottonell und Müller-Thurgau (Nandi-Magdi) bei der engagierten Winzerin Magdi Bernath für ca. 3,50 EUR. Damit können sich auch die einheimischen Besucher solche Köstlichkeiten leisten.
Aber so wie am Beispiel Wein erscheinen in Ungarn auch andere Warenangebote auf den ersten Blick oft recht billig, aber dort, wo Touristen geballt auftreten, sollte man die Qualität prüfen, denn sie ist das Geld nicht immer wert.
Mehr dazu in unserem Reisebericht
Ungarn 2005
und im (Rot-)Weinkeller:
(Rot-)Weinland
Ungarn ..!
Alle Bilder auf einen Blick
#1: An der Weinstraße Siklos-Villany#2: ... Karte vom Zielort muss sein!
#3: Campingplatz von Harkany
#4: Toilette gesucht: Busbahnhof Harkany ...
#5: Weinberg an der Weinstraße nach Villany
#6: In Villany ...
#7: Der Euro: Hier noch nicht überall