Nimm mich mit, Kapitän, auf die (Deutschland-)Reise (3) ...Wieder in die Lüneburger Heide |
Auf ein Neues!
Es ist der 29. Oktober 2020, als ich mit dem "Mini-Womo" zur nächsten Reise starte: Auf dem Reiseplan steht das Heidepark-Erlebniszentrum in der Lüneburger Heide. Dort werde ich alles über die Geschichte dieses Naturschutzgebietes bis zur heutigen Zeit erfahren. Danach möchte ich mir ein ehemaliges sehr großes Waldbrandgebiet ansehen und Spuren dieses Brandes vom Jahr 1975 suchen. Natürlich soll auch wieder die eine oder andere Ortschaft besucht werden und sicherlich kreuzen erneut einige unerwartete Erlebnisse meinen Weg. Auf jeden Fall verspricht es wieder spannend zu werden!
Das "Mini-Womo" ist fertig gepackt: Bei dieser Reise werde ich übrigens zum ersten Mal auch ein "modernes Navigationssystem" verwenden, und zwar eines auf meinem Smartphone ...
Es ist schon hell geworden, als es losgeht: Mein Ziel ist der Ort Undeloh in der Lüneburger Heide. Dort befindet sich auch das Heidepark-Erlebniszentrum. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und auf meinem Weg komme ich an einer herrlichen, schon älteren Allee vorbei: Die befindet sich ganz in der Nähe des kleinen Ortes Harrendorf-Finna.
Bereits am späten Vormittag erreiche ich mein Ziel in Undeloh. Das Erlebniszentrum hat inzwischen schon geöffnet, hier ist der Verein "Naturschutzpark Lüneburger Heide" aktiv: Er unterhält das Gebäude und hat auch die umfassende Ausstellung hier ins Leben gerufen.
Gleich nach Betreten des Hauses findet sich ein sehr informativer Bereich über die Heidelandschaften und alles, was damit zusammenhängt. Die Vergangenheit wird dabei nicht vernachlässigt: Im ersten Stock warten auf den Besucher viele Informationen über das Leben in der Heidelandschaft, Bilder verschiedener Generationen sind zu sehen, dazu ein paar Produkte wie etwa Kleidungsstücke aus Schafwolle.
Wieder zurück im Eingangsbereich angekommen führt der Weg weiter nach unten: Hier, eine Etage tiefer, ist die Entstehungsgeschichte der Lüneburger Heide bis zurück in die Eiszeit dokumentiert. Beeindruckende Filme und Anschauungsobjekte runden dabei die vielfältigen Informationen ab.
Als ich mit meinem Rundgang fertig bin, ist auch das schöne Wetter vorbei: Es regnet in Strömen! Eine Besichtigung des kleinen Ortes muss deshalb ausfallen, da ich nicht so viel nasse Kleidung ins "Mini-Womo" bringen darf. Dort ist die Trocknung nur sehr schlecht möglich, denn nachts sollte es im Auto nicht allzu feucht sein. Zum Glück gibt es hier gerade einen kleinen Markt mit Produkten der Region: Den besuche ich noch, denn so etwas ist immer interessant!
Auf den Spuren von Hermann Löns ...
Ich fahre etwas weiter in Richtung Hermannsburg und verbringe die Nacht unterwegs auf einem kleinen Waldparkplatz.
Am nächsten Morgen bin ich noch nicht lange unterwegs, da komme ich schon bei einem "Natur Bäcker" vorbei, direkt an der Einfahrt des Ortes Heber. Es regnet noch immer und die Neugier siegt: Ich steige aus und sehe mir das Geschäft an. Herrschte nun keine Pandemie sondern schönes Wetter, könnte man hier in Gesellschaft einer kleinen Hexe ein gesundes Frühstück zu sich nehmen. Ganz dicht dabei hockt auch eine ziemlich große Spinne auf den Kürbissen: Ich könnte mir allerdings sehr gut vorstellen, dass einige Menschen lieber auf den Kauf eines Kürbisses verzichten würden, als die (unechte) Spinne zur Seite zu legen ...
Ich entschließe mich dazu, ein dekoratives Vollkornbrot zu kaufen: Eigentlich sieht es eher aus wie eine große Salami, doch es ist ein besonderes und natürlich vor allem gesundes Brot. Allerdings habe ich nicht mit einem so hohen Gewicht gerechnet - der reinste Totschläger! Ich bin ziemlich beschäftigt damit, es zu kauen, obwohl es durchaus nicht hart ist ...
Am frühen Nachmittag komme ich in Hermannsburg an: Das Wetter zeigt sich wieder trockener und so beschließe ich, mir diesen Ort in der Südheide einmal näher anzusehen, denn ich habe Zeit. Ab und zu folgt doch noch ein ganz klein wenig Nieselregen, erfreulicherweise ist das Tourismus-Zentrum aber bereits geöffnet: Eine gute Gelegenheit, etwas über mein nächstes Ziel zu erfahren.
Ich möchte einen Gedenkstein für Hermann Löns hier in der Nähe besuchen. Ich habe das Touristen-Zentrum gerade verlassen, da bekomme ich erst einmal ein Problem mit einem anderen Herrn aus der realen Welt: Der wartet an einer Bushaltestelle mit einem großen Stoffbeutel über der Schulter. Stotternd und unsicher fragt er mich, wann hier der nächste Bus kommt. Das ist so weit nichts gefährliches, wäre da nicht der Inhalt seines Stoffbeutels - Pfeil und Bogen und auch eine Langwaffe, offensichtlich ein militärisches Schnellfeuergewehr!
Ich schaue mit ihm zusammen den Busfahrplan durch und erzähle ihm beiläufig, dass auch ich hier fremd bin. Das hält ihn ruhig, bis wir uns freundlich verabschieden. Im Weggehen sehe ich aus den Augenwinkeln noch das Herannahen zweier Streifenwagen, deren Besatzung sich auch gleich um den jungen Mann kümmert: Der bleibt ruhig bei der Polizeiaktion. Aus einiger Entfernung sehe ich, wie er entwaffnet und "versorgt" wird - alles ohne Gewalt. Langsam kehre ich zurück zum "Mini-Womo" - eine späte Mittagspause!
Nach der Pause geht es weiter zu einem Parkplatz in der Nähe des Gedenksteins, der mein Ziel ist: Die restliche Strecke ist wieder mal ein Fußweg. Auf halber Strecke erreiche ich eine Bank, die ideal zu sein scheint für zwei Verliebte: Gleich mit Lebensbaum. Und in der Tat: Verliebt müsste man sein ..!
Der gesuchte Gedenkstein liegt schon bald einsam vor mir. Ich hatte bereits einiges herausgefunden über den im Jahr 1914 im Ersten Weltkrieg gefallenen Dichter: Herrmann Löns hat zu seiner Zeit den Mitmenschen die Heideheimat näher bringen wollen, und dabei nicht nur auf die wunderbare Natur aufmerksam gemacht, sondern er wollte die Menschen auch zu deren Erhalt animieren, zu umweltbewusstem Verhalten. Er tat das in Wort, Schrift und Bild. Allerdings gilt er heutzutage auch als umstrittener Dichter, da er aufgrund seiner "Blut- und Bodenromantik" auch noch 20 Jahre nach seinem Tod von den Nationalsozialisten verehrt wurde ...
Ein Waldbrand mit Folgen
Der Parkplatz hier wäre ein guter Ort für meine nächste Nacht gewesen. Doch ich fahre weiter zum Angelbecksteich. um den es es eine ganz besondere Geschichte zu entdecken gibt. Der feine Regen wird allerdings mehr und will auch nicht mehr aufhören ...
So erreiche ich schließlich am frühen Abend den Teich mit einer eigenen Geschichte: Er entstand nämlich durch einen riesigen Waldbrand, der im Jahr 1975 hier in der Lüneburger Heide tobte. Es war ein sehr trockenes Jahr und Löschwasser musste aus sehr großen Entfernungen heran gebracht werden. Aus neun Bundesländern waren damals die Feuerwehren vor Ort. Zehn Tage dauerte der Kampf gegen den Brand, sechs Feuerwehrleute und ein Polizist kamen damals ums Leben. Etwa 8.000 ha Wald standen in Flammen und diesem Brand verdankt auch der Angelbecksteich seine Entstehung: Er wird seitdem als Wasserreservoir für mögliche neue Brände bereit gehalten. Heutzutage gibt es hier einen Weg, der neugierige Menschen durch die damaligen Brandzonen führt und den ich mir am nächsten Tag ansehen möchte.
Die Wegweiser haben an der Oberkante zur Erkennung stilisierte Flammen des Brandes. Als ich ankomme, liegt die einzige Trockenzone allerdings in meinem "Mini-Womo": Draußen fällt dichter und feiner Regen ...
Es wird Abend: Kochen im Regen auf dem kleinen Gaskocher ist zum Glück problemlos möglich. Der Topf hält den Regen von der Gasflamme fern. Der Deckel sorgt dafür, dass der Topf nicht durch Regenwasser vollläuft. Das Essen muss dann natürlich innerhalb des Autos stattfinden. Nun heißt es: Jetzt nur nicht kleckern oder gar klotzen ..!
Der Morgen des 31. Oktober zeigt sich bedeckt und ist immer noch feucht: Der Regen hat aber aufgehört, immerhin! Wandern im Regen ist nicht so gut, weil ich heute richtig nasse Sachen erst recht kaum trocken bekomme. Außerdem bringen sie wie schon erwähnt sehr viel Feuchtigkeit ins Innere des kleinen Autos. Zum Schlafen ist das schlecht, es ist schließlich kein Sommer mehr ...
Gegen 09 Uhr laufe ich los: Zuerst heißt es einmal den Angelbecksteich zu umrunden, der wurde hervorragend in die umgebende Natur eingefügt. Seine künstliche Entstehung ist nicht zu erkennen, gut gemacht! Ohne Zögern gehe ich gleich weiter auf dem langen Weg durch das ehemalige Waldbrandgebiet.
Der erste Teil des Weges hat etwas Besonderes: Wurzeln im Boden so weit das Auge reicht! Da muss man schon genau hinsehen, wo man hintritt, das ist auch bestimmt kein Weg für eine Nachtwanderung. Ich bin noch nicht sehr lange unterwegs, da zeigen die Wegweiser, dass ich im ehemaligen Waldbrandgebiet angekommen bin. Doch ein derartiger Hinweis wäre überhaupt nicht nötig, rundherum um mich stehen schwarze Bäume! Natürlich versuche ich mir nun auch die Flammen in dieser Umgebung vorzustellen. Die Hitze, die damals herrschte, als die Feuerwehren hier auf dem heutigen Wanderweg standen und versuchten, die Flammen zu löschen. Die Bäume leben, doch sie sind auch nun noch, nach 45 Jahren, schwarz!
Einige Bäume haben in der oberen Hälfte ihre Originalfarbe wieder, doch unten sieht es aus, als wäre der Brand erst ein paar Wochen her. Mit dem Finger mache ich einen Test an der Rinde und habe mit etwas Druck einen schwarzen Fleck auf der Haut. Diese Bilder der schwarzen Bäume werden mit Sicherheit in meinem Gedächtnis bleiben!
Zurück beim "Mini-Womo" ist erst einmal Pause angesagt: Etwas Arbeit am PC, um die Bilder auch einmal größer auf dem Bildschirm des Laptops zu sehen. Danach fahre ich weiter, ich will noch einen zweiten Hermann Löns Gedenkstein in der Nähe aufsuchen.
Hügelgräber in der Heide ...
Auf meinem Weg dorthin treffe ich ganz unerwartet auf Hügelgräber: Ich werde neugierig und lege eine Pause bei den Gräbern ein - ein Snack in besonderer Gesellschaft! Ich bin zufällig in der "Behringer Hügelgräberheide" gelandet: Bis zu 27 Grabhügel verschiedener Größe sollen sich hier befinden. Dazwischen noch weitere im Erdreich vergrabene Urnen ohne eigenen Hügel. Schon damals waren nicht alle Menschen gleich! Ich laufe über einen vorzeitlichen Friedhof: In der Lüneburger Heide sind bis zu Tausend solcher Hügelgräber bekannt. Die werde ich aber nun nicht alle besuchen können!
Man muss schon Hintergrundwissen haben, um in diesen Hügeln hier Gräber zu erkennen, ausführliche Informationen dazu finden sich auf einigen Schildern. Dann geht es auch gleich weiter: Ich habe ja noch ein Treffen mit einem Stein für heute geplant!
Es ist bereits später Nachmittag, als ich einen Parkplatz in der Nähe des zweiten Hermann Löns Steins erreiche. "In der Nähe" bedeutet in diesem Fall etwas mehr als ein Kilometer - für mich inzwischen ein Katzensprung! So gehe ich natürlich auch sofort noch los: Der größte Teil des Weges ist sehr gut ausgebaut. Man könnte mit dem Auto bis direkt zum Gedenkstein fahren, man verpasst dann allerdings die Natur.
Um diesen Hermann Löns Stein ist hier sogar eine ganze Sitzgruppe aufgebaut worden. Ein plastisch-metallener Kopf von Hermann ist ebenfalls aufgestellt: Ich nutze die Gelegenheit und ziehe ihn am Ohr. Er kann sich ja nicht mehr wehren, Spaß muss sein ..!
Dann mache ich mich auf den Rückweg zum "Mini-Womo", der Tag neigt sich langsam dem Ende zu. Die Nacht wird fast klar und beschert mir einen herrlichen Vollmond kurz vor Mitternacht ...
Es ist fast 01 Uhr am 01. November, als ich noch immer dem Vollmond Gesellschaft leiste: Zwischen den Bäumen ist alles nur schwarz, ohne eine Lampe ist nichts zu erkennen. Es ist fast windstill. Mit etwas Fantasie kann man in den schwarzen Baumwipfeln alle möglichen Figuren und Gestalten "sehen", Hermann Löns war allerdings nicht dabei. Zeit etwas zu schlafen, bereits im Morgengrauen will ich noch einmal zu dem Stein, weil genau dort die Sonne aufgehen wird.
Sonnenaufgang beim Hermann Löns Stein bei Dedelstorf: Meine Bilder können die Situation vor Ort nicht vermitteln, sondern vielleicht nur die Farben erahnen lassen. Nach dem Sonnenaufgang bei Hermann ist ein kleines Frühstück neben dem Auto angesagt, danach geht es weiter. Heute Abend muss ich wieder zurück zu Hause in Weener sein, da ab morgen erneut verschärfte Regeln in der aktuellen Pandemie gelten ...
Auf dem Heimweg stoße ich auf den Herzogsbrunnen: Er liegt unscheinbar mitten im Wald! Wer hier rastet, erlebt die typische Waldesruhe. Jetzt, zu Zeiten der Pandemie, stehe ich auch völlig allein mitten in diesem Wald. Die Quelle macht leider einen recht trockenen Eindruck. Das mag auch an dem wenigen Regen liegen, der in den letzten Jahren gefallen ist.
Etwas zur Geschichte der Quelle: Zwischen den Jahren 1663 und 1705 lebte Herzog Georg-Wilhelm in der Region. Da er die Jagd liebte, ließ er in der Nähe eine Art Rastplatz für seine Jagden errichten. Es kam vor, dass ihn auch seine Frau auf dabei begleitete. Einmal war alles anders: Seine Frau war während einer Jagd schwanger. Leider nahm das ungeborene Kind auf das Jagdgeschehen keine Rücksicht und kam nun ausgerechnet hier im Wald verfrüht zur Welt. Da man auf eine Geburt an dieser Stelle nicht eingerichtet war, bei der eine kleine Tochter zur Welt kam, sandte der Herzog Boten zu den umliegenden Bauern und Ortschaften, um Hilfe zu holen. Bis auf die Bauern des Ortes Hohnen leisteten alle anderen Orte Hilfe. Über diese Hilfe war der Herzog so erfreut, dass er den Menschen der helfenden Orte danach die übliche zehnprozentige Abgabe von Naturalien an ihn erließ, während die Hohner weiter zahlen mussten ...
Bei der Unterstützung des Herzogs und seiner Frau durch Diener und Wöchnerinnen wurde die Quelle hier im Wald entdeckt und erhielt ihren Namen. Leider ist der Wasserspiegel heutzutage so weit abgesunken, dass die Quelle kaum noch sprudelt. Doch die Wildtiere nutzen das kleine Gewässer noch immer. Wer die Quelle einmal besuchen möchte, findet sie in der Nähe des Ortes Ummern im Kreis Gifhorn.
Mein Heimweg führt weiter
zurück nach Weener an die Ems, wo ich die Reise am Abend beende.
Wieder ist alles bestens gelaufen und auch die Vorfreude auf die
nächste derartige Reise fühle ich bereits bei meiner Ankunft ...
© 2021 Jürgen Sattler
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen Sattler finden sich in unserer Autorenübersicht!