Deutschland   Nimm mich mit, Kapitän, auf die (Deutschland-)Reise (1) ...

Auf Tour im unbekannten Corona-Land ..?


Vorbemerkung der Redaktion

Unseren Autor Jürgen Sattler hatten wir bisher vor allem als Kapitän des Tierschutzschiffes "pacifico" kennengelernt - angefangen von der ersten Reise des Schiffes im Jahr 2013 zur Emsmündung bis hin zum letztlich traurigen Aufenthalt in Weener sieben Jahre später waren wir oft bei der Crew "an Bord" und konnten so auch etliche andere Ereignisse wie z.B. Schiffsüberführungen auf der Ems mitverfolgen.

Leider blieb das Glück Jürgen aber nicht durchgängig treu: Sowohl privat gab es Umwälzungen in seinem Leben als auch gesundheitlich kam einiges zusammen in Folge eines Arbeitsunfalls vor 14 Jahren. Aus diesen Gründen muss Jürgen die "pacifico" nun wohl in nächster Zeit aufgeben und auch die Besatzung wird getrennte Wege gehen ...

"Mini-Womo" mit Gepäckabteil ... Cockpit mit allem was man braucht .... Auch einen Schlafraum gibt´s ... Aufenthalts- und Lagerraum ...
In Corona-Zeiten speist man besser draußen ... --- und besucht einsame Gegenden: Lüneburger Heide ... Platz ist in der größten Küche ...

Ein Weg zur Selbstfindung bei allen Problemen, die das ungute Jahr 2020 mitsamt Pandemie und anderen Unbilden mit sich bringt, war nun für Jürgen in dieser Situation eine Deutschlandtour in seinem "Mini-Womo", einem 23 Jahre alten kleinen Opel Corsa, der ihm bleibt. Das alte Auto erweist sich als zuverlässig und das Reisen mit ihm als unerwartet lustig, gar nicht so problematisch wie vermutet und als durchaus abwechslungsreich. Er wundert sich selbst, was man mit dem kleinen alten Auto so alles anstellen kann, das noch fast zwei Jahre TÜV hat. Er hofft deshalb, gemeinsam mit ihm noch so einiges zu erleben ...

Im Folgenden gibt er uns einige Einblicke in seine einsamen neuen "Abenteuerreisen" durchs traurige Corona-Land und im zweiten Bericht durch "mystische" Heidelandschaft. Wir wünschen ihm bei diesen Touren auch für die Zukunft viel Glück!


Aufbruch Richtung Edersee ...

Meine Reise führt mich und mein "Mini-Womo" zu Orten in der Nähe eines großen Waldes in Deutschland, der auch Bestandteil eines Nationalparks ist: Ziel ist der Kellerwald, südlich vom Edersee gelegen, einem Stausee. Drei Tage möchte ich unterwegs sein, ich starte am Morgen des 24. September 2020 gegen acht Uhr.

Wie fast immer meide ich Autobahnen: Sie bringen mich zwar schnell ans Ziel, aber auch an vielen Sehenswürdigkeiten entlang der Landstraßen vorbei. Deshalb fahre ich grundsätzlich nur auf Landstraßen, um meine Ziele zu erreichen. In der Zeit von Covid-19 meide ich aus Sicherheitsgründen außerdem große Städte und Menschenansammlungen. So ist der erste Ort, den ich um die Mittagsstunden erreiche, die Stadt Bad Arolsen. Ich lasse mein kleines Auto immer am Ortseingang stehen: Entweder auf einem Parkplatz oder auf dem Gelände eines Supermarktes, die gerne am Stadtrand gebaut werden. Während der Öffnungszeit steht das Auto dort sicher und von hier aus gehe ich dann zu Fuß weiter ...

Neues Brillenetui als Gastgeschenk (passt wohl besser zu Corona als das alte! ...)

Bad Arolsen: Ortsschilder für den Reisenden heutzutage ... Evangelische Ortskirche Viel Freiraum für wenige Aerosole ...

Bei bestem Wetter und wenig Verkehr komme ich auch als Fußgänger hier gut voran: Meine Bilder zeigen den Ortseingang, die Gebäude der evangelischen Kirche und die Organisation des Diakonischen Werkes - in der Tat keine überlaufenen Touristenziele! Auf dem Weg in die Stadt geht leider mein Brillenetui kaputt, doch zum Glück gibt es hier etwas weiter den Optiker Stracke: Ich betrete sein Geschäft und hoffe, bei ihm ein passendes neues Etui zu bekommen. Er hat gerade keine Kunden und etwas Zeit, so kommen wir ins Gespräch. Meine Reise im "Mini-Womo" gefällt ihm so gut, dass ich schließlich sogar ein neues Brillenetui von ihm geschenkt bekomme - sehr nett, leider aber mehr zu aktuellen Zeiten passend als mein altes (siehe oben) ... so kann es gehen ..!

Es soll im Ort ein schönes Schloss geben, aber die Zeit drängt. Da ich keine Autobahnen benutze, dauern die Fahrten manchmal erheblich länger. Ich muss weiter in Richtung Edersee. Dort gibt es den Kellerwald und dorthin will ich morgen. Doch vorher ist trotzdem noch Zeit für den Kurzbesuch in einem weiteren Ort: Diesmal ist es die Stadt Bad Wildungen.

Nach bewährtem Vorgehen findet mein kleines Auto einen Parkplatz gleich hinter dem Stadteingang. Von dort aus ist wieder "Laufen" angesagt, es geht weiter bis zur Innenstadt. Man findet hier viele sehenswerte Fachwerkhäuser und auch das Rathaus. Ich erreiche die Fußgängerzone: Jeglicher Fahrzeugverkehr ist hier verboten, ein kleines und ruhiges Gebiet nur für Fußgänger und Radfahrer ...

Bad Wildungen: Auch in diesem Rathaus sicher nur Online-Zugang! Amokfahrer hätten es hier und heute aus verschiedensten Gründen schwer ...
Viel Fachwerk für wenige Touris ... Eine Straße ganz für sich ... Immerhin gibt es noch Leichtbekleidete ... Zu diesem Brunnen kommen noch Vögel und Hunde als Kurgäste ...

Die Fußgängerzone ist noch fast leer, kaum eine Person ist zu sehen. Bad Wildungen ist ein Kurort: Viele Menschen kommen in normalen Zeiten hierher, um sich von Krankheiten heilen zu lassen und sich zu erholen. Der Brunnen ist ein zentraler Ort, heute vor allem für Tiere: Er dient nicht nur vielen Vögeln als Wasserquelle, sondern auch einigen Hundebesitzern zum kurzen Halt mit ihren Vierbeinern, die dann hier ebenfalls ihren Durst stillen.

An den Zugängen der Fußgängerzone befinden sich viele Holzkisten mit Blumen auf optisch schön gemachten Betonsteinen. Da Amokfahrer mit Lastwagen in manchen Fußgängerzonen anderer Städte Tote verursachten, sollen sie hier wohl das Eindringen von möglichen Amokfahrern mit ihren Fahrzeugen verhindern ...

Zum Kellerwald

Es wird Abend: Ich fahre weiter zu meinem eigentlichen Ziel, das ich noch heute Abend erreichen will - den Kellerwald. Eine Stunde vor Einbruch der Dämmerung erreiche ich einen einsamen Parkplatz am südlichen Ende des Waldes. Dieser Wald bedeckt eine Fläche von fast sechs Quadratkilometern, was für deutsche Verhältnisse schon recht groß ist. Auf dem Bild unten rechts sieht man die Route meiner Exkursion, die ich für morgen plane, insgesamt mehr als elf Kilometer. Der rote Punkt am unteren Rand des Bildes zeigt meine aktuelle Position.

Ein Schild weist darauf hin, dass der Wald bereits seit über 20 Jahren nicht mehr bewirtschaftet wird. Das ist wohl auch ein Grund, warum dort wahrscheinlich viele Bäume herumliegen werden. Dazu kommt noch der Hinweis: "Betreten auf eigene Gefahr!" - genau das Richtige für mich!

Die Nacht bleibt angenehm ruhig, am Abend hatten sich nur noch zwei Paare mit dem Auto ganz in meiner Nähe zu mir gesellt. Ich gehe am heutigen Morgen gegen 9 Uhr los:  Zwei Kameras, kleine Werkzeuge, eine Taschenlampe, ein Getränk und einen Snack zum Essen nehme ich mit. Alles ist in Taschen oder an meinem Gürtel verteilt, etwas Ausrüstung für unerwartete Situationen und Abenteuer...

Schlafplatz am Kellerwald ... Einsamer Wolf wartet auf die Nacht ... Diesmal keine Seekarte für die geplante Exkursion ...
Der Wald erwartet den einsamen Wanderer ... Luchse sind ungeeignet als Hauskatzen! War das nicht der Baum aus "Game of Thrones" ..?
Bewirtschaftung war früher ... Noch geht es leicht voran ... ... und auch diese Hindernisse sind zu schaffen ...

Aufgrund der früheren Bewirtschaftung besteht der Wald fast ausschließlich aus Buchen. Nur langsam finden andere Arten wieder Platz zwischen den Bäumen. Ich bin noch nicht lange unterwegs, da hätte ich fast einen Volltreffer an einem Ast gelandet: Er ragt direkt quer über den Weg, genau in der Höhe meines Kopfes. Wäre ich nachts unterwegs gewesen, hätte das meine erste Verletzung sein können - was für ein Abenteuertrip!

Der Baum auf dem Bild oben rechts stammt wohl eher nicht aus der berühmten TV-Staffel, aber zeigt dennoch bereits viele Spuren aus einer Zeit ohne menschlichen Einfluss: Er konnte 20 Jahre lang so wachsen, wie er wollte. Ich habe ihn mir einmal aus der Nähe angesehen: Man erkennt, wie sich Zweige in alle Richtungen ausgebildet haben und so auch weiter wachsen konnten. Eine beeindruckende Vielfalt!

Bald darauf stoße ich auf einen Hinweis am Wegesrand: Es ist die dringliche Bitte an Wanderer, auf keinen Fall kleine herumlaufende Katzen mitzunehmen. Es handelt sich um Jungtiere, die von ihren Eltern anschließend vermisst würden und es sind auch keine normalen Katzen. Es sind vielmehr junge Luchse, eine Wildkatzen-Art, die nach einer sehr langen Zeit hier wieder heimisch geworden ist. Diese kleinen Katzen sind somit keinesfalls "entlaufene Hauskatzen" - es sind Waldraubtiere!

Ich erreiche die Wildnis: Immer wieder liegen umgestürzte Bäume manchmal bis zu zwei Meter hoch über den Wegen. Es ist inzwischen Mittag, und nachdem ich etwa 9 km geschafft habe, fehlen plötzlich die Wegweiser. Die hoch stehende Sonne kann mir gerade nicht zeigen, wohin ich gehen müsste. Aber ich hatte mir heute Morgen die Zugrichtung der Wolken gemerkt, ich hoffe nur, dass sie sich in der Zwischenzeit nicht geändert hat. So kann ich mir jetzt immerhin selbst helfen, die ungefähre Richtung zurück zu finden. Trotzdem wird mein Weg schließlich dadurch gut 8 km länger als geplant. Ich hatte schon darüber nachgedacht, was ich den Wildschweinen am Abend erzählen soll, falls ich heute nicht mehr aus dem Wald herauskommen würde. Leicht kann man hier durch fehlende Wegweiser auf eine andere Route kommen. Dann ist das Ziel ungewiss, wenn man dazu keine Informationen hat.

Letztendlich war ich dadurch über sechs Stunden im Wald unterwegs gewesen und hatte dabei auch keine andere Person getroffen. Wieder beim Auto angekommen war somit erst einmal eine ausgiebige Pause erforderlich ...

Gegen 16 Uhr fahre ich weiter: Mein nächstes Ziel ist der Edersee, den ich heute noch bei Tageslicht erreichen will. Kurz bevor ich am See ankomme, stoße ich auf das Haus auf dem Bild unten links. Ich hatte den Ort Affoldern verlassen und war auf dem Weg nach Waldeck. Ein Spaß für Besucher und Urlauber: In diesem Gebäude gibt es einen kleinen Laden für Leckereien und Souvenirs. Mein "Mini-Womo" steht hier richtig herum!

Wer parkt hier falsch? Ostmauer Edertalsperre: Bootsbetrieb heute überschaubar ... Näher heran an die Ostmauer ...

Gegen 19:00 Uhr erreiche ich den östlichen Teil des Edersees: Die Dämmerung bricht bereits herein, ich kann nur noch schnell ein paar Bilder machen, bevor es dunkel wird. Der See ist eigentlich ein Wasserreservoir für die Bevölkerung hier, aber in den letzten beiden trockenen Sommern wurde er durch den jährlichen Regen nur zur Hälfte gefüllt. Für mein kleines Fahrzeug finde ich direkt am See einen Parkplatz, der ab 20:00 Uhr für 12 Stunden kostenlos ist. Für heute wird das mein idealer kostengünstiger Nachtplatz sein, morgen Abend muss ich wieder zu Hause sein.

Der letzte Tag meiner Reise: Eigentlich sind solche Touren viel zu schnell zu Ende, ich werde sie in Zukunft länger planen. Gegen 07:30 Uhr am Morgen breche ich auf, und da ich heute noch genügend Zeit habe, besuche ich während der Rückfahrt auch die Hansestadt Korbach.

Noch zu früh für Fußgänger? Zentrum am Morgen, die meisten sind noch verborgen ..? Für die Ausstellung hier gäbe es viele Kandidaten ...

Hier ist allerdings noch nicht allzu viel los, es ist vielleicht noch zu früh. In diesem Ort ist ist die Fachwerkbauweise ebenfalls weit verbreitet. Das Bild oben Mitte zeigt ein Zentrum der Fußgängerzone, wo vermutlich (?) bald mehr Menschen zu sehen sein werden. Bis dahin muss ich jedoch bereits wieder unterwegs sein. Das im Bild rechts daneben zu sehende Gerät aus dem Mittelalter hat eine wohl eher düstere Historie: Zu dieser Zeit wurden auf dem Podest mit dem Geländer einzelne Personen angekettet und in einer sehr unangenehmen und demütigenden Position dargestellt - man wusste bereits damals nur zu gut, wie man Menschen foltert ...

Von hier aus heißt es wieder Kurs Richtung Norden - zurück nach Hause. Die Reise verlangt nach Wiederholung, selbst für diese Zeiten endete sie eigentlich viel zu schnell  ... 


© 2020 Jürgen Sattler


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen Sattler finden sich in unserer Autorenübersicht!