Vom Stapellauf zur Unvollendung ...

Das Bild unten links vom September 1939 zeigt das Heck des Schiffes nach der Fertigstellung des Flugdecks, aber noch vor der vollständigen Errichtung der Deckaufbauten. Anfang 1940 war der Flugzeugträger zu 85% fertiggestellt einschließlich der Umbauten am Bug, die seine Gesamtlänge etwas vergrößerten.

Die Deckaufbauten waren im Wesentlichen vollständig zu dieser Zeit wie man auf dem Bild unten Mitte erkennen kann. Man ging davon aus, dass das Schiff für erste Testfahrten auf See im Juli 1940 fertig sein würde und im Winter 1940/41 ausgeliefert werden könnte.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 01. September 1939 verlangsamte allerdings die Arbeiten an der GRAF ZEPPELIN zunächst und stoppten sie schließlich ganz, als Ressourcen und Material in die Konstruktion von U-Booten umgeleitet wurden. Alle Schiffsgeschütze und auch das Feuerleitsystem wurden für andere militärische Zwecke verwendet. Zur selben Zeit wurden die laufenden Arbeiten, landgestütze Flugzeuge für einen Einsatz auf Flugzeugträgern umzurüsten, ebenfalls eingestellt und die wenigen existierenden Prototypen für diesen Zweck an die Luftwaffe überstellt.

Heck mit Flugdeck 1940: Aufbauten im Wesentlichen fertig ... Ankunft in Gotenhafen

Am 29. April 1940 wurde vom Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine (Anm. der Red.: Großadmiral Erich Raeder) vorgeschlagen, sämtliche Arbeiten am Schiff einzustellen. Er vertrat die Ansicht, dass das Schiff, selbst wenn es fertiggestellt würde, wertlos sei ohne Geschütze, Feuerleitsystem und Flugzeuge, die von Trägern aus operieren könnten.  

Die Schiffsbauer in Kiel richteten ihre Aufmerksamkeit nun auf andere Arbeiten und das Schiff wurde von seinem Entstehungsort nach Gotenhafen verlegt, wo man es weniger gefährdet durch alliierte Luftangriffe hielt  (Bild oben rechts).

Nach ihrer Verlegung und dem Festmachen in Gotenhafen begann für die nahezu fertiggestellte GRAF ZEPPELIN eine kurze und unwürdige Karriere als "schwimmendes Warenhaus". Das Schiff wurde im Juni 1941 erneut noch weiter verlegt, um möglichen Vergeltungsluftschlägen der Russen zu entgehen, die nach Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion im selben Jahr erwartet wurden. Nachdem keine Luftschläge erfolgten, wurde das Schiff im November 1941 nach Gotenhafen zurückgeschleppt.

Verlegung, Verlegung, Verlegung!

Bei Fortschreiten des Zweiten Weltkriegs wurde die Bedeutung von Flugzeugträgern zunehmend offensichtlich. Im Oberkommando der Kriegsmarine begannen erneut Überlegungen, die GRAF ZEPPELIN fertigzustellen. Der Schätzung nach würde die Hälfte der Schiffsmaschinerie bis Juni 1943 einsatzbereit sein, einschließlich einiger Änderungen am unvollständigen Katapultsystem in der selben Zeit. Dies ließ eine mögliche Auslieferung des Schiffs im Winter 1943/44 möglich erscheinen.

Am 15. Mai 1942 erging der Befehl, den Träger zur Fertigstellung zurück nach Kiel zu schleppen. Im Rahmen dieser Arbeiten erfolgten Änderungen am ursprünglichen Konzept aufgrund von Beiträgen der Luftwaffe, von Fortschritten in der Schiffsbautechnik sowie von Kriegserfahrungen. Es gab Planungen, das Schiff mit einer Vielzahl von Luftabwehrwaffen auszustatten und es wurden auch Anti-Torpedo "Auskragungen" für das Mittelteil des Schiffsrumpfes entworfen. All diese Änderungen erhöhten allerdings Schiffsgewicht und Wasserverdrängung und hätten zu einer Reduzierung der möglichen Höchstgeschwindigkeit geführt.

In der Nacht vom 27. August 1942 wurde die GRAF ZEPPELIN - immer noch in Gotenhafen - von britischen Bombern angegriffen. Sie warfen mehrere Bomben mit speziell geformten Gefechtsköpfen ab, die ein Maximum an Schäden an einem gepanzerten Ziel verursachen sollten. Es gibt allerdings keinerlei Aufzeichnungen über irgendwelche Schäden am Schiff durch diesen nächtlichen Bombenangriff.

Die GRAF ZEPPELIN wurde mittels drei Schleppern Anfang Dezember 1942 schließlich wieder zurück nach Kiel verlegt. Man verbrachte das Schiff in ein schwimmendes Trockendock mit einer Kapazität von 40.000 t und dort begannen nun die Änderungsarbeiten. Diese umfassten auch die Überarbeitung der beiden Schraubenwellen des Schiffes, die eine Geschwindigkeit von 25-26 Knoten (knapp 50 km/h) während der für Herbst 1943 geplanten Testfahrten auf See ermöglichen sollten.

Ständige Verlegungen ... Unter Tarnung in Stettin ...

Die Änderungsarbeiten kamen gut voran bis zum 30. Januar 1943, als eine erneute Anweisung zum Stop aller Arbeiten erging und sämtliche Aktivitäten auf den Bau von U-Booten konzentriert wurden. Bis zum 02. Februar hatte die Mehrzahl der Schiffsbauer den Träger verlassen. Erlaubt wurde nur die Weiterarbeit an einigen Systemen, die der GRAF ZEPPELIN ermöglicht hätten, zumindest einen Dampfkessel aufzuheizen und die Bilgenpumpen bei einer Leckage zu betreiben. Die Schiffsschrauben wurden entfernt und auf das Flugdeck verladen, um das Schleppen des Schiffes zu erleichtern.

Am 21. April 1943 wurde der Flugzeugträger erneut mit Hilfe von Schleppern verlegt, diesmal nach Stettin. Unter Tarnung blieb das Schiff dort liegen bis zum Kriegsende mit nur weniger als einem halben Meter Wasser unter dem Kiel. Sogar die Alliierten nahmen keine Notiz mehr von dem Träger, wohlwissend, dass keine Chance bestand, ihn jemals fertigzustellen - und so blieb er auch von Luftangriffen verschont.

Ein geheimnisumwobenes Ende ...

Als im April 1945 die Rote Armee vorrückte, wurden die Bodenventile des Schiffs geöffnet und der Träger sank auf den Grund. Ein Abbruchkommando der deutschen Armee wurde an Bord geschickt, um Sprengsätze in der Maschinenanlage anzubringen. Als die Russen am 25. April 1945 nach Stettin vordrangen, wurde die Maschinenanlage des Trägers zerstört und Teile des Schiffsbodens weggesprengt.

Gemäß den Regelungen des Potsdamer Abkommens im Rahmen der alliierten Dreierkonferenz wurde nach Kriegsende verlangt, dass bis Ende 1946 alle beschädigten oder versenkten deutsche Schiffe entweder zerstört oder in der Hochsee versenkt werden sollten. Stattdessen flickten russische Bergungsfachleute allerdings den Rumpf des Trägers und machten das Schiff wieder flott. Es wurde anschließend mit Beutegut beladen und im April 1947 weggeschleppt. Die letzten bekannten Bilder der ersten und letzten Abfahrt aus Deutschland sind die beiden pixeligen Fotos unten.

Beladen mit Beutegut ...

Letzte Bilder: Abfahrt aus Deutschland ...

Viele Jahre lang gab es keine weiteren Informationen über das endgültige Schicksal des Schiffes. Es erschien unwahrscheinlich, dass der Träger es geschafft hatte, einen russischen Hafen zu erreichen, da seine Ankunft vermutlich von westlichen Geheimdiensten bemerkt worden wäre. Gerüchte verbreiteten sich und wurden allgemein geglaubt, dass der Träger nach dem Auffahren auf eine Mine gesunken sei.

Jahrzehnte später lüfteten zwei Entdeckungen das Geheimnis. Im Juli 2006 fand ein polnisches Boot bei Unterwasserforschungen ein großes Schiff, das nahezu aufrecht 80 Meter unter der Meeresoberfläche in der Ostsee lag. Das Sonarbild (unten links) zeigte unverkennbar die Umrisse des Flugdecks eines großen Flugzeugträgers. Es gab keine Aufzeichnungen zu in der Ostsee gesunkenen Trägern, so dass eine Untersuchung des Wracks durch Meeresarchäologen veranlasst wurde um nachzuweisen, dass man offensichtlich die GRAF ZEPPELIN gefunden hatte.

Sonarbild eines Flugzeugträgers ... Mosaik: Die GRAF ZEPPELIN auf Grund ...

Ein Seitenscanner Sonar und Unterwasserkameras bestätigten schließlich die Identität des Wracks. Das zusammmengesetzte Bild (oben rechts) entstand in der Folge, bei dem Hunderte von Unterwasserfotos verwendet wurden.

Der Rest der Geschichte

Dieser Fund schien zunächst die These der Versenkung durch eine Mine zu bestätigen. Oder vielleicht hatte ein derart beschädigter Rumpf auch während des Schleppvorgangs Lecks bekommen können und war gesunken, wie es schon oft geschehen war.

In jedem Fall aber wurde angenommen, dass das russische Militär niemals einen Fehler eingestanden hätte bei der ungefährdeten Verlegung des Trägers nach Russland. Aber dann genehmigten die russischen Behörden völlig unerwartet die Öffnung von rund 60 Jahre alten geheimen Marinearchiven, die nun ein völlig neues Licht auf den rätselhaften Fall warfen.

Waffentests als endgültiges  Schicksal ...Diese Unterlagen offenbarten, dass der nicht fertiggestellte Flugzeugträger im August 1947 für den Test von Waffen in die Ostsee hinausgeschleppt wurde. Eine Anzahl großer Sprengsätze wurde auf dem Flug- und Hangardeck verteilt und zur Explosion gebracht, um Bombeneinschläge zu simulieren. Einer dieser Sprengsätze wurde im Schornstein des Schiffs angebracht und zerstörte diesen vollständig bei der Zündung. Sturzkampfbomber benutzten den Träger ebenfalls für Zielübungen und erzielten dort sechs Treffer.

Die Auswirkungen all dieser Explosionen auf das angeschlagene Wrack reichten nicht aus, um es zu versenken und so wurden schließlich noch zwei Torpedos direkt in den Mittschiffsbereich abgefeuert, um das Schiff endgültig zu zerstören. Der Zweck dieser Zielübungen war mehr als nur die Bewertung des russischen Trainingsstands. Die Sowjets wollten letztlich Erfahrungen gewinnen im Versenken von Flugzeugträgern. 

Zu diesem Zeitpunkt war der Kalte Krieg in vollem Gange und die Russen waren sich sehr bewusst über die Anzahl eingesetzter amerikanischer Flugzeugträger in europäischen Gewässern und deren Potential zum Angriff auf die Sowjetunion im Kriegsfall. Für den Fall, dass der Kalte Krieg sich jemals zu einem Dritten Weltkrieg ausgeweitet hätte, wären die Flugzeugträger der US Navy Ziele von hoher strategischer Bedeutung gewesen.

Anschließend an die Zerstörungen durch 24 Bomben und andere Sprengungen weigerte sich die GRAF ZEPPELIN hartnäckig, nach zwei Tagen der Tortur zu sinken. Sie musste schließlich aus nächster Nähe durch Torpedos beschossen werden, um sie zu beseitigen.

Den Russen war mit Sicherheit bekannt, dass die amerikanischen Superträger nach dem Zweiten Weltkrieg, alle konstruiert und zumeist gebaut bei Newport News Shipbuilding, über weitaus größere Widerstandsfähigkeit gegen Gefechtsschäden verfügten als dieser unvollständige und unbemannte deutsche Flugzeugträger. Auch wussten sie mit Sicherheit, dass die amerikanischen Piloten und Besatzungen der Träger bei Angriffen kaum tatenlos zuschauen würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass russische Flugzeuge nahe genug herankommen könnten, um mehrfach Bomben auf große amerikanische Träger zu werfen, war sehr gering. Und die Möglichkeit russischer Schiffe und U-Boote, die Verteidigungslinie eines amerikanischen Trägerverbands zu durchbrechen, war ebenfalls kaum gegeben.

Und wer weiß? ... Vielleicht führte auch all dieses zum Gleichgewicht, das davor bewahrte, aus dem Kalten Krieg einen "Heißen" zu machen. Falls das tatsächlich so sein sollte, dann hätte Deutschlands "Fast"-Flugzeugträger nach allem noch einen wesentlichen, wenngleich auch niemals erwarteten Beitrag hierzu geleistet ...

Nachwort

Ich wusste seit langem, dass Deutschland vorhatte, einen Flugzeugträger zu bauen. Mir war bewusst, dass die GRAF ZEPPELIN niemals fertiggestellt worden war und vermutete, dass dies aufgrund der alliierten Luftangriffe der Fall war. Weiterhin war ich der Ansicht, dass sie während des Zweiten Weltkriegs gesunken war oder kurz nach Kriegsende verschrottet wurde.

Als das gesunkene Wrack vor etlichen Jahren entdeckt wurde, brachte dies ein erhebliches Medienecho mit sich - und dann verschwand die Geschichte wieder. Schließlich wurde danach auch noch die russische Mitwirkung am endgültigen Schicksal des Schiffs bekannt. Als ich auf diese Nachrichten stieß, war mir klar, dass es Zeit würde, dessen ganze Geschichte aufzurollen.

Modell: Träger der YORKTOWN-Klasse Während ich Informationen aus einer Anzahl publizierter Quellen sowie aus dem Internet sammelte, wurde mir klar, dass zur selben Zeit, als die Deutschen ihren Flugzeugträger entwarfen, auch die talentierten Konstrukteure von Newport News Shipbuilding (NNS) mit dem gleichen Thema beschäftigt waren.

Als sich die erstaunliche Menge verfügbarer detaillierter Informationen und faszinierender Fotos zur GRAF ZEPPELIN bei mir ansammelte, begann ich im Geiste den Entwurf des Schiffes mit denjenigen Konstruktionen zu vergleichen, die bei NNS in den 1930er Jahren  entstanden waren und die schließlich zum Bau von drei Flugzeugträgern der YORKTOWN-Klasse führten.

Das brachte mich dann wiederum zur Entscheidung etwas zu machen, das vielleicht so vorher noch nie versucht wurde, nämlich eine "halb technische" Untersuchung zu beginnen zu den Ähnlichkeiten und Unterschieden der Entwürfe zur GRAF ZEPPELIN und den Tägern der YORKTOWN-Klasse. Der Nachtrag (in der englischen Originalfassung) ist das Ergebnis hiervon.

Die meisten Leser werden sich wohl damit begnügen, den obigen Beitrag über Deutschlands "Fast"-Flugzeugträger zu lesen, aber technisch Interessierten empfehle ich diesen Nachtrag, der auch interessante Abbildungen enthält. Ich hatte bei dieser Ausarbeitung insbesondere auch die jahrzehntelang tätigen Konstrukteure von NNS vor Augen, die zusammen "Lichtjahre" erheblicher Anstrengungen erbrachten, um eine ganze Serie erfolgreicher Flugzeugträgerkonstruktionen zu realisieren ... 


© 2010-2018 Bill Lee, Deutsche Übersetzung: Explorer Magazin  


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Bill Lee finden sich in unserer Autorenübersicht