Marine "Historie"
GRAF ZEPPELIN
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Vorwort
Nahezu vergessen ist heute die Saga von Deutschlands gescheitertem Versuch, in den 1930er und -40er Jahren Flugzeugträger zu bauen. Nur ein einziger, die GRAF ZEPPELIN, lief seinerzeit vom Stapel. Obwohl weitestgehend fertiggestellt, fuhr das Schiff niemals aus eigener Kraft. Man kann heutzutage nur darüber spekulieren, was "Flugzeugträger #1" geleistet hätte, wäre er jemals fertiggestellt worden ...
Das Konzept des Schiffes, letztlich ein Schlachtkreuzer mit Flugbetrieb, lässt sich nur schwer vergleichen mit den Konzepten anderer Nationen für Flugzeugträger, die zu dieser Zeit entwickelt wurden. Bemerkenswert am Design sind dabei vor allem Einschränkungen aufgrund der in Folge des Ersten Weltkriegs mangelnden Erfahrung deutscher Marine-Konstrukteure. Wäre der Träger je in ein Gefecht geraten, wäre die Notwendigkeit von Nachbesserungen schon bald offensichtlich geworden. Das vorausgesetzt hätte das Schiff einen ersten Feindkontakt bei eventuellen kriegeríschen Auseinandersetzungen durchaus überstehen können ...
Im Folgenden wird die Geschichte dieses Schiffes erzählt, in der englischsprachigen Originalfassung bringen wir für technisch Interessierte noch einen detaillierten Vergleich mit amerikanischen Trägerkonzepten, die zur selben Zeit entstanden. Zweifellos von größerem Interesse für jeden Leser sind allerdings wohl die verblüffenden Informationen, welche Rolle der Rumpf dieses Schiffes im Kalten Krieg möglicherweise gespielt hat ...
Eine abgekürzte Historie ...
Die GRAF ZEPPELIN ist bislang der einzige deutsche Flugzeugträger, der jemals ein fortgeschrittenes Stadium der Fertigstellung erreicht hat. Er repräsentiert den vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht erfüllten Wunsch der Nation nach einer eine ausgewogenen Hochseeflotte, die eine deutsche Seestreitmacht auch jenseits der engen Grenzen von Ost- und Nordsee etablieren sollte.
Ursprünglich war in Deutschland geplant, vier Flugzeugträger zu bauen. Mit der Konstruktion von zwei dieser Schiffe begann es schließlich. Sie erhielten die einfachen Bezeichnungen "Flugzeugträger A" und "B". Entsprechend der langen Tradition der Kriegsmarine wurde der Name GRAF ZEPPELIN nicht vor dem Tag der Feierlichkeiten anlässlich des Stapellaufs von Träger A veröffentlicht.
Bereits kurz nach der Kiellegung von Träger B im Jahr 1939 wurde dieser Bau jedoch abgebrochen und der unfertige Rumpf ein Jahr später für andere Zwecke im Rahmen der Kriegsproduktion verschrottet. Entwürfe für diese Schiffe wurden im Jahr 1933 begonnen und der Auftrag für den Bau von Träger "A" im November 1935 vergeben. Am 8. Dezember 1938 erfolgte schließlich dessen Stapellauf.
Nach mehreren Jahren unregelmäßiger Arbeiten mit zahlreichen konzeptionellen Änderungen wurde der Bau Anfang 1943 eingestellt, nachdem das Schiff zu 85% fertiggestellt war. Bei Kriegsende im Jahr 1945 wurde das Schiff von den Deutschen versenkt. Später hoben die Russen den Träger wieder und reparierten ihn teilweise; im Jahr 1947 schließlich schleppten sie den Rumpf hinter den Eisernen Vorhang. Jahrzehnte später, nach der 2006 erfolgten Wiederentdeckung des gesunkenen Wracks in der Ostsee, offenbarte sich die etwas verblüffende "letzte Mission" der GRAF ZEPPELIN ...
Die Größe zählte ...
Die Gesamtgröße der deutschen Flotte war nach dem Ersten Weltkrieg durch Regelungen für die Kriegsmarine begrenzt, die verschiedene andere militärische Einschränkungen durch den Vertrag von Versailles noch erweiterten. Das deutsch-britische Flottenabkommen von 1935 erlaubte Deutschland dann erstmalig den Bau von Flugzeugträgern. Aber das Abkommen begrenzte die deutsche Flottenstärke auf 35% der britischen Royal Navy. Dies bedeutete, dass Deutschland bei Flugzeugträgern eine theoretische Tonnage von 42.750 t hätte haben können in Anbetracht der 135.000 t, die Großbritannien für diesen Typ Kriegsschiffe erlaubt waren.
Deutschland hatte bereits an Konzepten für Flugzeugträgern gearbeitet, bevor dieses Abkommen unterzeichnet wurde und kündigte kurz danach ein Programm mit zwei Trägern an, die jeweils auf 19.250 t begrenzt waren. Allerdings lagen die ursprünglichen Entwürfe für diese Schiffe, erstellt unter günstigsten Annahmen (Schwachlast), aktuell bereits deutlich über diesen "öffentlichen" Angaben. Derartige Täuschungen waren während des militätrischen Aufbaus im Deutschland der späten 1930er Jahre durchaus üblich. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden vorherige vertragliche Vereinbarungen von allen kriegführenden Parteien ignoriert. Darüber hinaus plante Deutschland nicht nur den Bau von zwei, sondern von vier derartigen Flugzeugträgern, allerdings wurde dieses letztlich unerfüllte Vorhaben nicht angekündigt bis zu einem späteren Zeitpunkt.
Ein schwieriger Gestaltungsprozess
Im Frühjahr 1934 gab die deutsche Kriegsmarine ein paar Grundanforderungen an die geplanten Schiffe bekannt. Sie begrenzten die Wasserverdrängung der Träger auf 20.000 t. Es wurde ein Schiff spezifiziert, das eine Geschwindigkeit von bis zu 33 Knoten (rund 60 km/h) und den Betrieb von 50-60 Flugzeugen ermöglichen sollte. Eine starke Panzerung sowie acht 20-Zentimeter Kanonen wurden ebenfalls verlangt. Durch die schwere Bewaffnung sollte sich das Schiff in einer Überwasser-Schlacht mit feindlichen Kreuzern behaupten können. Ein derartiges Konzept war von Flugzeugträger-Konstrukteuren anderer Nationen nur kurz in Erwägung gezogen und wieder verworfen worden, aber die Deutschen blieben bei ihrer Überzeugung, dass derartige Leistungsmerkmale wichtig seien.
Im Jahr 1935 nahm ein Konstruktionsteam unter der Leitung von Wilhelm Hadeler die Arbeit auf, einem 37 Jahre alten Schiffskonstrukteur. Da dieser keine Erfahrungen im Bereich der Konstruktion von Flugzeugträgern hatte, schleuste er eine Gruppe von Ingenieuren in eine Delegation von Diplomaten ein, die im selben Jahr die britische Flottenveranstaltung "Navy Week" besuchte. Die Konstrukteure machten Fotos eines britischen Trägers und konnten auch an einer Schiffsführung nach der anderen teilnehmen. Später waren dann die Japaner mit einer Schiffsführung von deutschen Konstrukteuren auf einem ihrer Träger einverstanden und erlaubten auch deren Diskussion mit japanischen Schiffskonstrukteuren. Die Japaner lieferten den Deutschen darüber hinaus mehr als 100 Baupläne und etliche Betriebsdaten von Flugzeugträgern.
Unter Verwendung dieser Informationen erstellte Hadelers Team den Entwurf eines mehr als 240 Meter langen und fast 30 Meter breiten Flugzeugträgers. Der Entwurf enthielt einen Schiffsantrieb, der eine Geschwindigkeit von bis zu 35 Knoten (ca. 65 km/h) ermöglichen sollte, ferner zwei Flugzeug-Aufzüge an der Mittelachse und die geforderte 20-Zentimeter Geschützbatterie.
Die Begrenzung des Gewichts war immer eines ihrer Hauptprobleme. Ein Versuch zur Verringerung der Tonnage bestand in der Empfehlung, die acht 20-Zentimer Kanonen durch die gleiche Anzahl von 15-Zentimeter Geschützen in Doppeltürmen zu ersetzen. Witzigerweise scheint es diesbezüglich ein Missverständnis seitens der Führung der Kriegsmarine gegeben zu haben, denn diese spezifizierte anschließend 16 anstelle der 8 vorgeschlagenen Kanonen mit dem geringeren Kaliber ...
Hadeler musste sich fügen und die Wasserverdrängung blieb so im Bereich von rund 23.000 t. Mit Genehmigung der deutsche Kriegsmarine setzte Hadelers Konstruktionsteam in der Folge die Arbeit an der Detaillierung ihres ursprünglichen Entwurfs fort.
Entwurfsentscheidungen und ein kühner Schachzug
Als sich das Konstruktionskonzept dem Prototyp-Stadium näherte, erfolgten wesentliche Entscheidungen zu detaillierteren Design-Parametern des angestrebten Flugzeugträgers. Etliche dieser Merkmale ähnelten sehr amerikanischen Trägerkonstruktionen, die zu dieser Zeit entwickelt wurden, andere aber spiegelten auch solche wider von bereits in Auftrag befindlichen amerikanischen, britischen und japanischen Trägern.
Unter Missachtung des Vertrags von 1935 zur Begrenzung der Tonnage auf 19.250 t pro Schiff erteilte die Führung der deutschen Kriegsmarine kühn die Genehmigung von Hadelers Prototypen-Planung und beauftragte Detailarbeiten sowie Konstruktion der Träger "A" und "B". Wie jedoch bereits erwähnt, sollte lediglich Träger "A" jemals einen maßgeblichen Fertigstellungsgrad erreichen ...
Der Baubeginn von Träger "A"
Der Auftrag für Träger "A" wurde am 16. November 1935 an die Deutsche Werke Kiel AG vergeben. Allerdings war die Werft zu beschäftigt mit dem Bau von Kreuzern, Zerstörern, Unterseebooten und Versorgungsschiffen, um die Arbeiten an dem Flugzeugträger sofort zu beginnen. Außerdem wurden die für den Bau erforderlichen Detailzeichnungen den Schiffsbauern erst Monate später zugänglich gemacht.
Die Kiellegung von Träger "A" erfolgte am 28. Dezember 1936 auf einer schräg abfallenden Helling, die im Bild unten links zu sehen ist. Nach dem Baubeginn Ende 1936 vergingen etwas weniger als 24 Monate, bis der Träger zum Stapellauf bereit war; ein recht üblicher Zeitraum für den Bau großer Kriegsschiffe zwischen den beiden Weltkriegen.
Die Fotos vom Baufortschritt zeigen, dass der Schiffsbau ohne größere Vormontagen von Baugruppen erfolgte, falls überhaupt in dieser Form gearbeitet wurde. Vernietung war das vorherrschende Konstruktionsprinzip beim Bau des Rumpfes. Das zweite Bild links oben vom März 1937 enthält einen einschränkenden "Geheim"-Vermerk. Solche Vermerke finden sich auch auf späteren Fotos vom Baufortschritt, so z.B. auf den beiden weiteren oben rechts vom September 1937.
Der Tag des Stapellaufs
Nach Taufe und Stapellauf mit großem Pomp am 08. Dezember 1938 wurde die GRAF ZEPPELIN angekündigt als der Beginn einer neuen Ära der Kriegsmarine mit einem Luftwaffen-Bestandteil, womit man Anschluss an die Luftwaffen-orientierten Marine-Standards der Welt finden würde.
Tausende nahmen an den Feierlichkeiten teil, darunter die höchsten Würdenträger des Deutschen Reichs. Als das Schiff hinabglitt vom Stapel schmückte das Wappen seines Namensgebers Graf Zeppelin den steilen Bug, des Luftschiffbauers und Gründers der Luftschiffbau Zeppelin GmbH. Dieses Emblem wurde später bei der Umgestaltung des Schiffsbugs wieder entfernt.
Nachdem das Schiff zu Wasser gelassen war, wurden die graziösen Umrisse ihres Rumpfs an diesem Tag für alle Beteiligten sichtbar. Das Bild oben vom Schiffsprofil entstand, als der Träger zu einem Ausrüstungskai geschleppt wurde. Man erkennt zahlreiche Öffnungen im Rumpf der GRAF ZEPPELIN sowie Hunderte Bullaugen, ein übliches Merkmal bei Kriegsschiffen, die vor dem Zweiten Weltkrieg entworfen wurden.
© 2010-2018 Bill Lee, Deutsche Übersetzung: Explorer Magazin