Unter Deck
Im Vorschiff gehen wir jetzt ein Deck tiefer und befinden uns nun unter dem Hauptdeck. Hier vorn werden die Leinen des Schiffes im Hafen festgemacht (belegt). Das hölzerne Teil in der Mitte des Bildes unten rechts ist ein Poller der damaligen Zeit. Heutzutage ist solch ein Poller aus Stahl. Links im Bild kann man die (modernen) Festmacher des Schiffes sehen, wie sie von draußen kommend auf einem der Holzpoller belegt sind.
Damals wurden Leinen aus sogenanntem Manila-Tauwerk oder aus Hanf verwendet,
also Leinen aus Naturfasern. Diese waren allerdings mindestens
doppelt so dick und erheblich schwerer, besonders wenn sie nass
waren. Da ist diese weiße geflochtene Kunststoffleine, eine sog.
Squareline, sehr viel einfacher zu handhaben.
Die Gräting in der
Bildmitte links dient übrigens der Lüftung der Räume darunter. Einen
konstant laufenden elektrischen Lüfter sucht man vergebens. Diese
Art Lüftung muss man sich einmal vorstellen (oder besser auch nicht)
bei derart vielen Menschen, die an Bord eines Schiffes solcher
Größenordnung seinerzeit mitfuhren ...
Bleibt noch der rätselhafte weiße Beutel rechts: So wurde ein Mensch zurecht gemacht, der an Bord durch Krankheit oder Unfall ums Leben gekommen war. Das passierte nicht selten. Eingenäht in ein Leinentuch wartete er auf seine Versenkung im Meer. Doch er war nicht allein: Bei ihm befand sich irgend etwas Schweres aus dem Schiff, damit er auch unterging und nicht auf der Wasseroberfläche herumtrieb ...
Wir bleiben in diesem Deck und gehen langsam nach achtern (hinten): Hier und auf dem Hauptdeck oberhalb spielte sich der Großteil des täglichen Lebens ab.
Auf dem Weg nach achtern kommt man an mehreren Kanonen auf beiden Seiten des Decks vorbei (Bild unten). Wohlgemerkt, die originale Batavia war eigentlich ein Handelsschiff. Doch leider gab es viel zu viele Lumpen auf den weltweiten Wegen der Schiffe des 17. Jahrhunderts. Dazu waren auch noch mehr Piraten unterwegs als heutzutage - durchaus keine glorreichen Personen, wie sie heute gern auf (Kinder-)Festen glorifiziert werden. Doch ein Pirat war schon immer ein Schwerverbrecher, in allen Zeiten. Sie hatten nichts zu verlieren und waren daher nur auf materiellen Gewinn und eigenes rücksichtsloses Vergnügen aus. Menschen wurden nur nach Bedarf und Nutzen am Leben erhalten. So ein Handelsschiff wie die Batavia war dann natürlich eine gern gesehene Beute. Um einem solchen Schiff wenigstens etwas Sicherheit zu geben, fuhren die Kanonen mit. Doch Piraten waren kampferprobt und skrupellos, beides fehlte normalerweise den Besatzungen der Handelsschiffe.
![]() |
![]() |
![]() |
Die Kanonen hier an Bord sind in der richtigen Größe und gut in
Farbe, ganz ohne Schmauchspuren. Sie sind hauptsächlich Stücke, um
der eigenen Fantasie unter die Arme zu greifen. Doch es sind
originale Kanonenrohre und die Seile, die an den Seiten der Kanonen zu
sehen sind, haben sie einst nach dem Abschuss am Flug quer durch das Schiff
gehindert. Der Rückstoß war enorm, bei der Schussabgabe durfte man auf keinen Fall
dahinter stehen. Das war dann oft das letzte Erlebnis des
Betroffenen ...
In diesem Deck wurde alles mögliche gelagert, auch Besatzungsmitglieder schliefen neben den Kanonen auf dem Holz des Decks, wenn diese nicht gebraucht wurden. Normalerweise war das Deck niemals so aufgeräumt wie auf unserem Bild ...
Weiter führt der Weg an den Schiffspumpen vorbei (Bild oben): Damit wurde eingedrungenes Wasser unten aus dem Schiffsrumpf geholt. Für diese Arbeit waren viele kräftige Männer nötig, die an den Hebelarmen der Pumpen ackern mussten. Ein hölzernes Schiff ist niemals ganz dicht. Mit dem Alter kann die Abdichtung zwischen den einzelnen Planken des Rumpfes nachlassen. Außerdem ist der gesamte Schiffskörper im Seegang immer in Bewegung. Der Rumpf knarrt fortwährend, wenn das Schiff fährt. Dabei kommt immer wieder etwas Wasser von außen ins Schiff. Das ist normal und bedroht nicht gleich die Seetüchtigkeit. Über die Pumpen landet es schließlich wieder im Meer.
Interessant wird es, wenn das Schiff durch ein Ereignis ein Loch bekommt: Etwa bei Sturm durch Seeschlag (auftreffende große Welle). Dann heißt es pumpen was das Zeug hält, damit das Schiff schwimmfähig bleibt. Die einen müssen pumpen, während die anderen ganz unten im dunklen (!) Schiff verschwinden, um das Loch irgendwie abzudichten. Damals gab es höchstens Petroleumlampen, um ein wenig zu sehen. Im Normalfall konnten die Pumpen das Sinken des Schiffes nur etwas herauszögern. Doch auch die Pumpen konnten den Untergang der Batavia auf ihrer ersten Reise (Jungfernfahrt) nicht verhindern. Zu groß war das Loch, das sie sich bei der Berührung eines Riffes vor der damals noch unerforschten australischen Westküste holte.
Die herrliche Treppe auf dem Bild
ist ein Produkt unserer Zeit
und dient dem (fast) gefahrlosen Betreten der Schiffsräume durch die
Besucher. Zur damaligen Zeit gab es solche breite Treppen an Bord
natürlich nicht.
Auf dem Weg nach achtern kommt man nun an der Küche vorbei, oder zumindest an dem, was damals an Bord unter Küche verstanden wurde. Das Bild oben rechts zeigt den damaligen Vorratsraum. Hier wurden aber nicht alle Lebensmittel für über dreihundert Menschen gelagert. Das hier war so etwas wie das benötigte Tagesmaß. Alles andere lagerte ganz unten im Schiffsrumpf, da, wo auch schon einmal Wasser von außen eindrang.
Dort gab es keine Kühlung oder andere werterhaltende Einrichtungen. Die einzige Maßnahme zum Erhalt einiger Lebensmittel war das Einpökeln mit viel Salz. Alle anderen Lebensmittel haben deshalb gern auch einmal ihren Zustand verändert und schimmelten. Das verursachte fast immer Krankheiten an Bord.
Ganz beliebt waren diese langsam vergammelnden Lebensmittellager auch bei Ratten. Daher kommt der Ausspruch: "Die Ratten verlassen das sinkende Schiff". Sahen die an Bord lebenden Ratten keinen Sinn mehr an Bord, kamen sie mit an Deck, noch während der Mensch versuchte, sein Schiff zu retten. Schiffe mit Ratten als ständige Begleiter gibt es natürlich auch noch heute ...
Das Bild links zeigt nun das, was zum Lebensmittellager noch fehlt -
die Küche. Sollte ein Mann heute auf die Idee kommen, in seinem Haus
eine solche Küche im Andenken an die abenteuerliche Seefahrt dieser
Zeit einzurichten, steht er mit Sicherheit sehr kurz vor der Scheidung:
In
diesem Raum wurde alles zubereitet, was an Bord gegessen wurde. Ein
Abwischen der "Arbeitsplatte" zwischen den verschiedenen Arten der
Lebensmittel fand hier sicher nicht statt. Das gleiche gilt für das
Kochgeschirr. Wasser war rar an Bord des Seglers: Wenn nötig,
erfolgte
das Reinigen des Kochgeschirrs mit Salzwasser. Wie
gesagt, wenn nötig. Noch heute gibt es die Sitte, eine Pfanne, mit
der gebraten wurde, nur gut auszuwischen. Ein Rest des ehemaligen
Bratfetts verbleibt dadurch immer in der Pfanne ...
Die gemauerte Kochecke war für den Umgang mit offenem Feuer die
einzige Stelle an Bord des Holzschiffes. Auf jeden Fall war das
Kochen für den Schiffskoch und die verwendeten Lebensmittel an Bord eine
rauchige Angelegenheit. Vielleicht kann man auch einmal die
mitgekommene Partnerin für ein Foto auf den Stuhl der Küche setzen
(die Haare etwas durcheinander, im Gesicht etwas Ruß). Das ergäbe
sicherlich ein gutes Foto für alle Freunde und Bekannte, die beim
Besuch des Schiffes nicht dabei sein konnten.
Natürlich gibt es auf den Decks noch viel mehr zu entdecken, als hier beschrieben wird ..!
© 2016 Jürgen Sattler