ANHANG

Die Umwandlung eines konventionellen Schiffs in einen eisbrechenden Supertanker

Die MANHATTAN vor dem Umbau ...Die SS MANHATTAN, entworfen als großer konventioneller Tanker, wurde im Jahr 1962 in Massachusetts gebaut. Nach ein paar Jahren routinemäßiger Einsätze wurde sie 1968 von ihren Eignern, der Humble Oil & Refining Company, für einen umfangreichen Umbau ausgewählt, um die Machbarkeit eines Rohöltransports über gut 7.000 km von Alaska zur amerikanischen Ostküste durch die sagenumwobene Nordwestpassage zu prüfen.

Zur Finanzierung dieses ehrgeizigen Projekts bildete sich ein Konsortium amerikanischer Ölfirmen. Da es keine Erfahrung mit derartigen Transporten gab und auch eine Modell-Simulation nicht machbar erschien, fiel die Entscheidung, dass die einzige Möglichkeit zur Untersuchung der Praktikabilität eines ganzjährigen Öltransports durch die Arktis in der Durchführung eines Experiments bestand, bei dem man ein großes Schiff den Herausforderungen einer solchen Reise aussetzte.

Was bald als "MANHATTAN Experiment" bekannt wurde - oder auch als der größte Schiffskonstruktions-Test der Welt - kostete 54 Millionen US-$. Dieser Betrag entspricht ungefähr 250 Millionen Dollar zu heutiger Zeit.

Vorgelegt wurde dafür ein ambitionierter Plan zur ersten Erkundungsfahrt durch die Arktis sowie für wesentliche Umbauarbeiten an der MANHATTAN, um sie mit Eigenschaften eines Eisbrechers auszustatten.

Dies führte zu einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit mehrerer amerikanischer Werften, einschließlich Newport News Shipbuilding (NNS). Um die gewünschten Umbauten zu beschleunigen, wurde der Tanker im Februar 1969 ins Trockendock bei Sun Shipbuilding verbracht und dort in vier große Segmente zerlegt. Rund 20 Meter des Schiffsbugs wurden entfernt und entsorgt. Dieser Bereich wurde ersetzt durch einen knapp 40 Meter langen Eisbrecher-Bug, der in zwei Abschnitten von Sun Shipbuilding und Bath Iron Works gebaut wurde.

Der vordere Teil des Tankers wurde nach Newport News geschleppt, wo er mit einer knapp 4 cm dicken Eisverstärkung versehen wurde, die das Schiff vor großen Eisschollen schützen sollte. Der Mittschiffsbereich ging an die Alabama Dry Dock und Shipbuilding Company, wo der Rumpf zusätzlich  stahlverstärkt wurde. Der Heckbereich verblieb bei Sun Shipbuilding, wo er sowohl außen als auch innen verstärkt wurde.

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Schiffssektionen in Arbeit ...

Die Decksaufbauten des Schiffs mittschiffs und achtern wurden ebenfalls umgebaut. In diesen Bereichen wurden zusätzliche Quartiere eingebaut und am Heck ein Hubschrauberlandeplatz errichtet. Für die geplante Erkundungsreise benötigte Labore und elektronische Ausrüstung wurden integriert, ebenso ein mittschiffs angebrachtes hydraulisches System, das es ermöglichte, recht schnell Ballastwasser von einem bestimmten Seitentank in einen entsprechenden auf der anderen Seite des Schiffes hin und zurückzu pumpen.

Nachdem die umgebauten Abschnitte bei Sun Shipbuilding neu angeordnet worden waren, schweißte man die MANHATTAN wieder zusammen. Nach seiner Fertigstellung hatte sich die Länge des Schiffs von knapp 290 Metern auf rund 306 Meter erhöht, außerdem war sie um etwa 5 Meter auf rund 45 Meter verbreitert worden, ihre Masse hatte sich um 9.000 Tonnen vergrößert. Die Maschinenanlage blieb unverändert, aber die Doppelruder und Propeller wurden mit Schutzvorrichtungen versehen, um Schäden durch Eis zu verhindern. Nach ihrer Rückkehr zu Humble Oil war sie nicht nur das größte in den Vereinigten Staaten registrierte Handelsschiff, sondern auch der größte "Eisbrecher" der Welt.

Auf dem Weg in geschlossenes Eis ...Am 24. August 1969 legte die MANHATTAN mit 126 Besatzungsmitgliedern, Wissenschaftlern und Ölfirmenvertretern an Bord von Philadelphia aus Richtung Norden ab. Ihre Tanks waren mit Wasser gefüllt, um ein beladenes Schiff zu simulieren. In Begleitung von zwei Eisbrechern stieß sie Anfang September in der Nähe von Baffin Island erstmals auf dickes Eis.

Der eisbrechende Supertanker kam gut voran, obwohl er manchmal den Kurs ändern musste, um zu dickes Eis zu vermeiden; dies auch trotz Hilfe der Eisbrecher, die ihn begleiteten und oft helfen mussten, das im Eis eingeschlossene Schiff zu befreien.

Am 14. September erreichten sie die Prudhoe Bay und lieferten dort feierlich ein einziges symbolisches Ölfass aus. Die Rückfahrt durch die Nordwestpassage endete am 12. November 1969 mit ihrer Einfahrt in den Hafen von New York. Dieser Anfangserfolg wurde jedoch durch die Tatsache geschmälert, dass die Rundreise erfolgte, bevor sich in diesem Jahr das dickste und härteste Eis gebildet hatte, das bislang immer während der langen arktischen Winter entstanden war.

Das Konsortium der Ölkonzerne entschied, dass eine weitere Reise unter "Worst-Case"-Bedingungen erforderlich sei, um die Machbarkeit zu bestätigen, dass eisbrechende Tanker routinemäßig die Nordwestpassage zu kommerziellen Zwecken durchqueren konnten. So wurde schließlich im Jahr 1970 die Bühne für eine zweite Reise bereitet, um das Schiff gegen spätwinterliche Bedingungen ankämpfen zu lassen.

Die MANHATTAN wurde nach Newport News verlegt, wo kleinere Reparaturen nach ihrer ersten Reise erfolgten und einige Änderungen an den Datenerfassungssystemen vorgenommen wurden, um sie auf ihre zweite - und wie wir heute wissen - letzte Reise ans Ende der Welt vorzubereiten ...

Erinnerungen ... ... an eine legendäre Reise ...

© 2012 -2018 Bill Lee, Deutsche Übersetzung: Explorer Magazin



Anm. der Red.: Neben etlichen anderen Beiträgen (siehe unsere Autorenübersicht) von Bill Lee zur Navy-Historie in unserer Rubrik "Hinterlassenschaften" gibt es von unserem Autor auch noch mehr zu einem weiteren arktischen Abenteuer auf See: