Sa, 19.06.99: "Tag der Feuer"

Für heute ist alles genau geplant: Langsam und schrittweise wollen wir uns bis auf die Innsbruck dominierende "Hafelekarspitze" vorarbeiten, immerhin ein hochalpines Gelände mit einer Höhe von über 2.330 m - dort wollen wir nach Anbruch der Dunkelheit die mit Sicherheit zu erwartenden Sonnenwendfeuer auf dem Gipfel miterleben, die man dann bis weit ins Tal und auch aus der City von Innsbruck sehen kann ...

Alles spricht für diesen Plan, kann man auf dem Weg doch fast alles "mitnehmen": Beginnend mit einem Spaziergang durch den Hofgarten und am Inn entlang erreicht man das "Riesenrundgemälde" (Stadtkarte: Nr. 25), von dort aus direkt zur Talstation der "Hungerburgbahn", damit rauf zum Alpenzoo (Stadtkarte: Nr. 26), dann weiter mit dieser Bahn zur Talstation der Nordkettenbahn und damit zur Seegrube, anschließend von dort aus weiter mit einer anderen Seilbahn bis zur Hafelekarspitze, ein restlicher Fußweg schließlich bis zum Gipfelkreuz. Nachts gegen 23:00 Uhr mit ausnahmsweise heute noch fahrenden Bahnen dann wieder talwärts - insgesamt alles, was man für eine Tagestour so braucht!

Wir machen uns also am Inn entlang auf den langsamen Weg zum "Riesenrundgemälde", einem gigantischen, mehr als 1.000 qm großen Leinwandbild, das von einem Münchner Professor gestaltet wurde und die "dritte Bergisel-Schlacht" von 1809 der freiheitsliebenden Tiroler unter Andreas Hofer gegen die Franzosen (und Bayern!) zeigt. Ein wirklich sehenswertes Diorama mit Gemälde und Büschen und Gelände im Vordergrund (und alles inn-clusive wie auch das folgende!), das man wirklich ausführlich auf sich einwirken lassen sollte. Beim nächsten Besuch werden wir den tatsächlichen Punkt der Betrachtung auf Bergisel aufsuchen!

Die Schlacht der Tiroler im Rundgemälde ...

Noch ganz unter dem Eindruck der Schlacht, den unser treuer Begleiter, der "Sony Mavica"-Lichtriese,  trotz Fotografierverbot und ohne jedes Blitzlicht leicht meistert, gehen wir die wenigen Meter rüber zur Talstation der Hungerburgbahn. Die verbindet seit ca. 90 Jahren "die Tiroler Landeshauptstadt mit dem landschaftlich reizvollen Hoch-Innsbruck", wie der "Innsbruck Sightseeing"-Prospekt zu unserer All Inn-clusive Card verrät. Auf dem Weg zum Alpenzoo steigen wir ganz hinten in die Bahn ein (siehe dazu auch Nachtrag unten) - so können wir noch den Regen auf der Scheibe hoch über dem Inn bildfüllend einfangen ...

Rauf gehts mit der Hungerburgbahn ...

Das Wetter bessert sich rapide. Wir verlassen die Bahn bei ihrer ersten Haltestelle und begeben uns auf dem kurzen Wanderweg zum "Alpenzoo", dem am Fuße der Nordkette höchstgelegenen europäischen Zoo mit ausschließlich alpenansässigen Tierarten. Was weiß unser Führer zu berichten: "Als ´Themenzoo´ bietet er dem Besucher einen Gesamtüberblick über mehr als 2000 Tiere aus 150 Arten. Im weltweit einzigartigen Kaltwasser-Aquarium sind seltene einheimische Fischarten zu sehen."

Wir treffen auch noch den Zoo-Direktor, der sich an diesem Samstag im Selbstbedienungs-Restaurant mit einigen Auftragnehmern trifft, um hier neue Areale für die Zoo-Insassen zu planen ...

Der Rundgang im Zoo wird ausführlich, von Wildkatzen über Schmutzgeier bis hin zum Braunbären wird alles intensiv besichtigt - die Frage eines Kindes nach Affen (im Alpenzoo!) und die Erläuterung der Mutter dazu verschweigen wir besser ...

Ist er nicht ein netter Schmutzgeier?
Der bleibt im Alpenzoo und kommt an kein Zündkabel ...

Nach ausreichender Rast in der mittlerweile warmen Sonne (es ist ja noch soviel Zeit bis zu den Feuern!) machen wir uns langsam wieder auf den Weg zurück zur Hungerburgbahn. Sie bringt uns mit zeitungslesendem Fahrer problemlos bis zur Endstation - bereits von hier aus bietet sich ein imposanter Blick auf Innsbruck, dem wir uns nicht entziehen können ...

Stunden sind seit unserem Innspaziergang mittlerweile verstrichen, als wir nun endlich die Nordkettenbahn besteigen, die uns zur Seegrube bringen soll. Diese längste Seilbahnstrecke auf dem Weg nach oben führt auf eine Höhe von 1.905 m und ist Ausgangspunkt für viele Wanderungen. 

An der Seegrube ...Beim heutigen wechselhaften Wetter (letzte Nacht hat es deutlich auch bis zu tieferen Lagen runtergeschneit) dort angekommen, bietet sich uns allerdings eine teilweise geschlossene Wolkendecke. Einige wenige Touristinnen (eigentlich ist heute kaum einer unterwegs hier oben außer uns), so z.B. zwei barbeinige Japanerinnen und einige wenige andere, verfallen nun plötzlich in Laufschritt - überraschend hoch und ungemütlich scheint es denen hier irgendwie!

Einige Gedanken kommen nun auch im Redakteur hoch, der seine islanderprobte Thermounterhose natürlich dabei hat, aber heute liegt sie natürlich im Explorer auf dem Campingplatz Kranebitten in der Sonne!

Während der Wind also (fast) durch die Hose pfeift, schweift der Blick hoch zum nächsten Streckenabschnitt, dem Gipfel - auch diese letzte Stufe will heute noch genommen werden! Wir gehen rein ins Seegrube-Restaurant und ziehen uns erst mal ein Bergwanderer-Kalorien-Essen rein, während tatsächlich einige Mountainbike-Freaks eintreffen, die die gesamte Strecke hierher raufgestrampelt sind (die haben wir teilweise heftig kämpfend von der Seilbahn aus gesehen!). Nach einem kargen Mahl wollen sie nun wieder runterbrausen. "Wird lässig!" hören wir nur, bevor sie astronautenmäßig verkleidet wieder gen Tal brettern ...

Irgendwann vergewissern wir uns, dass die Bahnen, die sonst kurz nach 17:00 Uhr ihren Betrieb einstellen, heute Nacht wirklich bis 23:00 Uhr fahren werden, dann bringt uns der nächste Streckenabschnitt weiter bis zur 2.334 m hohen Hafelekarspitze. Der Bahnführer kann kaum glauben, dass wir länger bleiben wollen und fragt uns, ob wir etwa nicht mit der sofort wieder talwärts fahrenden Bahn zurückkehren wollen. Wir verneinen und verlassen mit einem einzigen weiteren Fahrgast die Bahn, einem grimmig dreinschauenden Einheimischen mit Riesenrucksack, der sich sofort auf einem abgelegenen Pfad am Abhang davon macht.

Hier oben sind wir jetzt wirklich allein: Das Wetter und die Höhe tun das ihrige, gemeinsam mit den Warnschildern, dass man nun gefährliches hochalpines Gebiet betritt, was man ohne entsprechende Erfahrung und Ausrüstung besser nicht täte. Wir stapfen durch den Schneematsch auf einem glatten Betonweg entlang (was passiert hier eigentlich dicht am Abgrund, wenn das Zeug mal zu Glatteis gefriert und dort spazierende Deppen auch dann diesen Pfad benutzen, weil sie keine Pflanzen im Gelände beschädigen wollen - nun, sie werden wohl ungespitzt fast 2.000 Meter tiefer in der Fußgängerzone von Innsbruck aufschlagen oder so ähnlich ...).

Wir erreichen das Gipfelkreuz und das Schild "Sehnsucht Heimat" und blicken herunter auf die Hafelekar-Station und auf ein Innsbruck, das sich immer wieder aus Dunst und Nebel zu einer imposanten Kulisse im Tal formt - oder auch zu den unwirtlichen Bergen hinter der Nordkette, die man heute Abend wohl besser nicht mehr aufsuchen sollte. Selbst der Flughafen, auf dem wir mit der Cessna schon etliche Male selbst gelandet sind, ist von hier aus manchmal gut zu sehen samt tief unter uns einfliegenden Airlinern ...  

Blick auf Innsbruck von der Hafelekarspitze ...
... und vom Gipfelkreuz ...
Blick rundrum ...
... und runter vom Gipfelkreuz auf die Station ...

Auch im Gipfel-Restaurant der Hafelekarspitze kehren wir nach unserer Erstbesteigung zunächst einmal ein, noch immer sind es schließlich ca. 1,5 Stunden bis zum heute endlos auf sich warten lassenden Sunset. Die Bedienungen hier oben sind jetzt schon high. Man erzählt uns, dass man von unten nachgefragt habe, ob sie etwa "besuffen" wären, aber sicherlich seien sie das nicht! Der wüst funkende und schnitzelessende Seilbahnfahrer fragt uns nun schon wieder, ob wir jetzt mit der nächsten Bahn runterwollen (heute nacht ist alles anders und sehr individuell!) und fährt dann wieder mal allein hinunter nach unserer erneuten Weigerung.

Aber jetzt kommen sie! Profis mit jeder Menge vorbereitetem Granulat nahen nun, viele Säcke davon werden heute Nacht auf den umliegenden Gipfeln verteilt. Noch sitzt man locker im Restaurant zusammen - außer uns nicht ein einziger Tourist, der dieses Schauspiel verfolgen will!

Während bereits erste Feuer unten im Tal zu sehen sind durch die ständig wechselnde Wolkendecke, machen wir uns auf zum erneuten Weg zum Gipfel - kein Gedanke an die Thermounterhose ist nun noch zulässig! Bei wenigen Graden über 0°C treffen alle ein am Gipfelkreuz, eigentlich erstaunlich nun, dass es diesmal bei echter Dämmerung ist - wann hat man schon mal nach Sunset auf einem solchen Berg gestanden mit sicherer Erwartung, heute auch noch wieder herunter zu kommen?

Äußerst fachmännisch werden die Säcke entzündet, selbst einige heute Nacht hier herauf gebrachte Kinder dürfen ihre Fackeln und Tennisbälle entzünden - Erinnerungen werden wach an isländische "Bonfire" in der Silvesternacht - auch hier ist ein äußerst unverkrampfter Umgang mit dem Feuer zu beobachten ...

Nachdem einige "Gemsen" unter den Einheimischen auch einige Säcke auf (von uns niemals um diese Zeit bestiegenen) Hängen direkt am nächtlichen Abgrund angezündet haben, genießen wir das Schauspiel (leider z.T. im pünktlich heraufziehenden Nebel), bevor wir uns wieder in Richtung Bergstation und der unwiderruflich letzten Bergseilbahn heute Nacht begeben ...  

Auch Kinder dürfen zündeln ...
... nur der Redakteur nicht ...

Um es kurz zu machen: Mit nahezu allen auf dem Berg Verbliebenen gemeinsam erreichen wir mit der letzten Bahn heute Nacht wieder Innsbruck - die Wolkenfetzen haben sich kurz verzogen, als nicht nur die Kinder und wir in Richtung der 2.300 m hohen Spitze aufschauen, auf der punktförmig "unsere" Lichterkette zu sehen ist - eine von vielen heute Nacht. Allerdings: Alle sind sich einig, früher waren es überall mehr, die Feuer auf den Tiroler Bergen ...

Am Sonntag müssen wir wieder zurück Richtung München, nicht ohne Swarovski´s "Kristallwelten" (ein Projekt von André Heller) kurz vor der Abfahrt Richtung Achenpass besucht zu haben - danach erwarten uns nur noch wahnsinnige Motorradfahrer, die an diesem nun wieder sonnigen Tag den Achenpass als persönliche Höchstgeschwindigkeitsstrecke und zum "Kurven-Surfen" verwenden wollen ...

Abstecher zu den Kristallwelten ...

Wir sind wieder zurück, alles in allem ein starker Wochenendtrip, den man nur weiter empfehlen kann - oder doch als "Insider-Tip" besser nicht sollte? Aber unsere Leser werden sicherlich kaum einen Stau auf dem Achenpass verursachen können - das Hochwasser und seine Folgen, das uns mit einem Umweg über Bad Tölz hin- und zurück zwingt, ist da sicher deutlich unangenehmer ...


Nachtrag, Dezember ´15: Fundstücke zur alten Hungerburgbahn ...

Anlässlich unserer Reise zur Bergweihnacht Innsbruck im Dezember ´15 und natürlich einer Fahrt mit der Hungerburgbahn haben wir noch einmal in unseren alten Archiven gestöbert und siehe da, wir sind fündig geworden: Anlässlich der Feuerberge ´99 und unserer damaligen Fahrt mit der alten Bahn (siehe oben) haben wir selbstverständlich noch mehr Bilder gemacht als seinerzeit vor mehr als eineinhalb Jahrzehnten veröffentlicht.

Und deshalb an dieser Stelle noch sechs weitere Bilder zur alten Bahn: Waren das noch Zeiten, als der Fahrer der Hungerburgbahn während der Auffahrt Zeitung lesen konnte, nachdem man an der damaligen Starthaltestelle, der Rotunde des Riesenrundgemäldes, aufbrach Richtung Alpenzoo und Hungerburg - das war damals wohl noch die "gute alte Zeit", oder ..? 

Start am Rundgemäde ... Der Fahrer konnte noch Zeitung lesen bis zur nächsten Haltestelle ... Arbeit mit übersichtlichen Instrumenten ...
Auch damals schon Abschnitte für Bahnbegegnungen ... Die Steigung war schon dieselbe ... Der Alpenzoo naht ...

© 1999-2016 J. de Haas