Auf ins Goldland
Schon bei meinen früheren Rumänienreisen in den Jahren 2008 bis 2010 wollte ich immer in das Goldmuseum in Brad und hatte jedoch nie Glück: Ständig war es geschlossen wegen Umbau. Ich musste mich an den Bildern der Internetseiten ergötzen. Diese sind wirklich sehenswert und jedem empfehle ich, diese Seite einmal anzuklicken. Von Hunedoara aus sind Brad und Europas größtes Goldabbaugebiet Apuseni nicht mehr weit und auch meine Reisebegleiter sind neugierig auf die Exponate. Über Deva geht es also die 33 km nördlich nach Brad und auch am heutigen Montag ist das Museum geöffnet. Der Besuch lohnt sich absolut, obwohl die Originale etwas kleiner sind als die Abbildungen im Internet vermuten lassen. Zu den Bildern unten muss man wissen, dass dies keine Meisterstücke eines Goldschmieds sind, sondern genau so in der Natur gefunden wurden!
Wenn auch die natürlichen Goldausgüsse die Höhepunkte der Sammlung darstellen, so finden wir noch sehr viele hochinteressante Mineralien, mit und ohne Goldzusammenhang und mit verständlichen Erklärungen versehen. Sicher eine der lohnendsten Adressen für Mineralien- und Goldfreunde in ganz Europa.
Die Suche nach einem Stellplatz für die Nacht überlassen wir heute wieder einmal unserer App Park4night, die uns an das Sportstadion am Ortsrand von Brad leitet. Nachdem aber um 22:00 Uhr immer noch die jungen Männer ihre Motoren genau neben unserem Auto testen, verziehen wir uns, fahren 300 Meter weiter und stehen dann auf der anderen Seite des Stadions ruhig und ungestört auf einem Acker ...
Der Weg zu unserer nächsten Offroadeinlage, dem Nationalpark Apuseni, führt 80 km nach Norden zu einigen schönen Holzkirchen. Bei der Stadt Stei führt eine kleinere Teerstraße nach Rieni und dort finden wir die alte Holzkirche am Ortsrand. Sie ist zwar geschlossen, aber durch ein Fenster kann man in der Innenraum spähen: Dort liegt allerlei Baumaterial herum wie z.B. Balken und Holzschindeln für das Dach. Renovierungsarbeiten sind im Gange und am Dach des Turmes sind sie schon fertig mit der neuen Eindeckung aus Holz. Mit der Patina von einigen Jahren wird diese Kirche wieder sehr schön aussehen ...
In dem Feld neben der Kirche kommt aus einem Rohr aus dem Boden ein dicker Wasserstrahl heraus, ein Bauer füllt hier Wasser in einen Tank und fährt an uns vorbei zu seinem naheliegenden Hof. Kurz darauf kommt er mit dem PKW zurück, steigt bei uns aus und begrüßt uns mit einem Gastgeschenk: Neben einem kleinen Fläschchen Grappa schenkt er uns zwei mehr als faustgroße Stücke von weißem Käse und zwei ebenso große Teile von geräuchertem fettem Bauchspeck, die köstlich schmecken und unsere Kost noch einige Tage bereichern werden. Wir sind sprachlos und haben nur eine Dose gekühltes österreichisches Bier als Gegengabe zu bieten. Es stellt sich sehr schnell heraus, dass der Rumäne viele Jahre in Italien gearbeitet hat und, genau wie unsere Grazyna, sehr gut italienisch spricht. So erfahren wir schnell viele Einzelheiten über seinen Hof, den sein Vater Jahre nach der Wende mit viel Bürokratie und Bestechungszahlungen wieder zurückbekommen hat nach der Enteignung des Großvaters durch die Kommunisten.
Der Wasserstrahl kommt aus einer 120 Meter tiefen Bohrung, die sein Vater 1995 anlegte und dabei offenbar eine unter Druck stehende Wasserader traf. Ohne jeglichen Energieaufwand liefert die Quelle seit 27 Jahren mehr als 100 Liter pro Minute sauberstes Grundwasser, das leicht nach Mineralwasser schmeckt. Er habe aber noch keine Idee, wie er diesen Schatz vermarkten könne. Ein Wohnmobilstellplatz mit Swimmingpool wäre unsere Idee gewesen!
Nach dieser intensiven Begegnung fahren wir weiter, um noch andere alte Holzkirchen in dieser Gegend zu besichtigen, von denen wir die erste in Dumbravani schon mal gar nicht finden: Ein Passant, den wir nach der Holzkirche fragen, versteht uns überhaupt nicht, obwohl wir "Biserica de lemn" eigentlich richtig auszusprechen glauben. Kann der Rumäne kein Rumänisch?! Dann fahren wir eben zu einer anderen Kirche dieser Art, es gibt ja genug im Umkreis. Die Kirche in Bradet wird noch von den Gläubigen genutzt und deshalb auch von der Kirchengemeinde erhalten und nicht von einem Expertenteam renoviert. So sieht sie auch aus: Das Aluminiumdach ist sicher billiger als die Holzschindeln auf der Kirche in Rieni und sieht immer schön neu aus. Und Lücken im Holzaufbau schäumt man einfach mit Bauschaum aus. Krass! Aber dann kommt man in einen Innenraum, der zwar einfach, aber irgendwie gemütlich ausgestattet ist: Eine lebende Kirche halt und kein Museum ...
Ganz in der Nähe ist die Bärenhöhle, Rumäniens berühmteste Höhle überhaupt. Auf dem Weg dorthin fahren wir an dem urigen ethnografischen Museum vorbei und müssen unbedingt reinschauen: Der Gründer hat einfach sein Leben lang alles gesammelt und aufbewahrt, was ihm in den Weg kam. Neben dem Schwerpunkt alter Bauerngerätschaften sehen wir auch neueste Technik, wie z.B. eine Triumph Schreibmaschine aus den 1970er Jahren, die unser Erich als junger Montagetechniker oft zerlegen, reparieren und reinigen musste!
Die Saison hat noch nicht begonnen und jetzt gegen 17 Uhr ist es sowieso zu spät für einen Höhlenbesuch. Deshalb lassen wir diese Attraktion ganz sausen und nehmen uns nun die Auffahrt in den Apuseni-Nationalpark vor: Es sind ja nur 35 km Teerstraße bis zum Bergdorf Padis - mit vielen Kurven, aber ohne jeglichen Verkehr, die wir mühelos in einer guten Stunde geschafft haben. Auf der Kammhöhe oberhalb von Padis richte ich das Auto zum Übernachten her, während meine beiden "Bewegungssüchtigen" noch auf den nächsten Berg rennen müssen und beim Abstieg prompt in den einzigen kurzen Regenschauer der Woche geraten. Ansonsten ist es in den Nächten zwar recht kalt, aber immer wolkenlos und tagsüber bis gut 25°C warm.
In der Nähe von Padis gibt es ein Naturdenkmal allerersten Ranges, die Höhle bzw. Zitadellen von Ponor: Dort fließt der Fluss eine weite Strecke unterirdisch und hat an drei Stellen den Talkessel zum Einsturz gebracht. Heute sieht man einen ca. 70 Meter hohen Eingang ins unterirdische Wasserreich, den wir am nächsten Tag anschauen wollen. Der erste Versuch scheitert wegen einer fehlerhaften Ortsbestimmung und wir rennen zwei Stunden im falschen Wald herum: Meinen gut trainierten Begleitern macht das nicht das Geringste aus ...
Schließlich finden wir den richtigen Ausgangspunkt und machen uns endlich auf den richtigen Weg zur Höhle von Ponor. Es ist ja nur ein kleiner Spaziergang von etwa 40 Minuten, entsprechend wenig nehmen wir mit an Proviant, Wasser und Ausrüstung. Eine Schulkasse mit zwei Lehrkräften kommt uns entgegen: Sie seien vorzeitig umgekehrt wegen Schnee, erfahren wir. Wir wollen aber selbst sehen, wie weit wir kommen und überqueren die Schneereste im steilen Abstieg zum Flussbett hinunter. Vorhandene Sicherungsseile und Haltepunkte sind großenteils unter Schnee versteckt und unbrauchbar, der Abstieg wird daher zu einer richtigen Herausforderung, technisch wie sicherheitsmäßig.
Unten angekommen beeindruckt der Höhleneingang schon, aber mehr beschäftigt uns der Gedanke an den Rückweg: Den "Kamikaze-Weg", den wir gekommen sind, wollen wir nicht wieder zurück und entscheiden uns, den anderen Ausstieg aus dem engen Einsturzkrater zu nehmen. Das wird aber um nichts einfacher und führt etwa 200 Höhenmeter steil nach oben über Schneereste und glatte Felsbuckel, die Sicherungsseile und Leiterelemente sind zumeist wieder unter Schnee nicht nutzbar: Konditionell komme ich dabei nahe an meine Grenzen. Endlich oben angekommen weist ein Schild auf die Schwierigkeiten hin, man solle angeseilt und mit Helm unterwegs sein. Das wissen wir jetzt auch, diese Weisheit kommt für uns allerdings zu spät ...
"Egészségedre": Damit stoßen wir mit Kis Zoltán an, dem ungarischen Zeltnachbarn, der mit Gastgeschenken bei uns vorbeischaut: Selbstgemachte ungarische Salami, selbstgebackenes Brot, Traubenschnaps und ungarische Peperoni bietet er uns an und bringt uns wieder einmal in Verlegenheit bezüglich Gegengaben. Man merkt schon: Originelle oder heimattypische Gastgeschenke sollte man vor der Abreise einpacken ... Zoltans Deutschkenntnisse reichen gut für eine Verständigung und so erfahren wir von ihm, dass er mit seiner Freundin sehr oft in diesen Nationalpark zum Wandern und Wochenendpicknick kommt. Bei einem Gegenbesuch an seinem Zeltplatz sehe ich ein stark qualmendes, kaum brennendes Feuer, auf dem ein schwärzlicher Eisenbehälter steht, er wirkt wie eine antike Wärmflasche aus Metall. Zoltan erklärt mir die Funktion des Kochtopfes, den er selbst entworfen und gebaut hat: Er besitzt nämlich eine Ofenbau-Firma und man kann das Eisengefäß sogar bei ihm bestellen!
In dem dünnwandigen geschlossenen Kochgefäß gart eine Lage Kartoffeln und darüber wieder die scharfe ungarische Salami. Konstruktionsbedingt braucht es dafür kein starkes Feuer, ein paar zündelnde Flammen aus den rauchenden feuchten Holzscheiten genügen und gegen Ruß ist der Inhalt bestens geschützt. Mir fällt als Vergleich ein Dutch Oven ein, nur ist Zoltáns "Ungar Oven" federleicht dagegen und für Wanderer oder Radfahrer besser geeignet. Auf jeden Fall schmeckt der Kartoffel-Salami-Braten hervorragend: Da brauche ich keinen Schnaps zum Runterspülen!
Wir bekommen an diesem Platz einen weiteren Besuch: Die ältere Frau stammt ursprünglich aus Budapest und hat vor vielen Jahren nach Wien geheiratet, wo sie nun als Witwe immer noch lebt. Sie ist etwas aufgedreht und aufschneiderisch, fast schon als "hysterisch" zu bezeichnen. Ich vertrage solche Typen schlecht und verziehe mich in die Küche, ich muss schließlich abspülen, aufräumen, sauber machen und was weiß ich alles noch ...
"Das ist typisch Deutsch!" meint unsere "Spezialistin für Klischees" dazu. Aber der ruhige und gelassene Erich kann sich diesen Schmarrn lange anhören und erfährt dabei auch einen Grund für ihr extrovertiertes Verhalten heute: Sie ist allein mit ihrem kleinen Pudelhund den gefährlichen Weg zur "Hölle" von Ponor gegangen und hatte ständig größte Angst abzurutschen und hilflos dort liegen zu bleiben. Nun, da sie gerettet ist, sprudelt die Erleichterung aus ihr nur so heraus. Das kann ich sogar verstehen und so darf sie gern noch ein wenig weiter nerven. Zum Glück macht sie das später bei Zoltáns Zeltplatz, und sie wird mit ausreichend Wein und Schnaps versorgt noch bis in die Nacht laut lachen und kreischen. Die restliche kalte Nacht überlebt sie in ihrem PKW bei laufendem Motor und voller Heizleistung, während wir den Komfort warmer Betten genießen ...
Am nächsten Morgen fahren wir wieder nach Padis und die teilweise noch verschneite Piste weiter bis Poiana Horea, einer größeren Hochebene, die von einigen Bewohnern ganzjährig besiedelt ist. Wegen eines kleinen Orientierungsproblems kommen wir dabei durch das Dorf Smida, wo alljährlich das gleichnamige Jazzfestival ausgetragen wird, und versuchen eine kleine Abkürzung über einen Waldweg zu nehmen, der aber auch für Bremach unfahrbar wird: Alle Räder drehen durch, kein Meter wird gewonnen.
Dann also doch auf dem vom Offroadführer angegebenem Track nach Poiana Horea und dort zu einem kurzen Besuch des Black Sheep Camps, das nur sehr sportlich, will sagen offroadig und durch einen Bach anfahrbar ist. Wir wollen das Camp nur anschauen, zum Übernachten ist es uns noch zu früh am Tag und wir sind überrascht, dass die Betreiber Tudor und Dana anwesend sind, so weit außerhalb der Saison. Sie leben hier allerdings das ganze Jahr und sind mehr auf die Unterbringung von Wandergruppen ausgerichtet, erfahren wir, aber einen Kaffee und ein wenig Smalltalk für vorbeikommende Besucher gibt es immer ...
Aus dem Pistenkuhführer habe ich mir die Route "1PP" ausgesucht, ein Rundkurs ab Poiana Horea, den wir aber nur zur Hälfte fahren wollen, um an einem exponierten Ort, dem Berggipfel Piatra Silha mit freier Sicht in knapp 1.700 m Höhe zu übernachten. Auf dem Weg dorthin finden sich noch einige Schneereste auf der Fahrbahn und wir müssen als erstes Fahrzeug der Saison auch noch Spurdienste übernehmen. Das ist gar nicht so leicht und pro Anlauf schafft der Wagen nur etwa 5 Meter Spurlänge. Gerne hätte ich gewusst, um wie viel besser es mit zwei Schneeketten an der Vorderachse gegangen wäre. Aber der Aufwand für Montage und anschließende Reinigung ist mir heute doch zu hoch.
Wir sind nun kurz vor dem Nachtplatz und bereits die Auffahrt auf diese Kuppe erinnert an die vielen Rumänien-Offroad Filme auch auf YouTube oder anderswo, gestaltet sich aber sehr leicht. Die Steigung ist geringer als es im ersten Moment aussieht und die Traktion am Boden gut. Auf dem Berggipfel angekommen bietet sich ein herrlicher Blick in alle Richtungen und wegen gutem Wetter wird das hier der schönste Nachtplatz der Reise, trotz harter Konkurrenz bei diesem Wettbewerb!
Die Abfahrt von dieser Höhenlage wird im Führer als schwierig für hohe Fahrzeuge beschrieben, weshalb wir die Strecke nach dem Frühstück zunächst abgehen: Wir finden einen schon mehrfach benutzten Umgehungstrack, der die schrägen Passagen vermeidet. Anschließend rollen wir auf schlaglochreichen, aber sonst schönen Almwegen sicher ins Tal ...
Im Ort Horea angekommen hängen wir noch den technisch einfachen Track "1GH" an, der uns landschaftlich sehr schön vorbeiführt an einsamen Bergdörfern, urigen Almhütten sowie blühenden Hochweiden und am Ende über eine einspurige, sehr steile Teerstraße ins tief eingeschnittene Tal der Ariesch leitet. Dort folgen wir der Hauptstraße bis zur Salzstadt Turda und bleiben die nächsten Tage in der Zivilisation.
© 2022 Sepp Reithmeier, weitere Fotos: Erich Junker