Zurück zur Kultur ...
Andi und Sonja sind schon vorausgefahren und warten in Korça auf
uns: Das ist eine touristisch interessante große Stadt mit Kathedrale,
Moschee, Nationalmuseum und Marktplatz, welche die beiden mit ihrem
Zeitvorsprung natürlich alle schon besucht haben. Zusammen mit ihnen
bestellen wir erst einmal ein verspätetes Mittagessen und suchen dann
eine zentrumsnahe Bleibe. Andis App park4night führt uns
zu
Dorcas
Campground, der Einrichtung einer christlichen Organisation, die
sich zur Zeit um Flüchtlinge und zurückgeführte Asylanten kümmert.
Außerdem bietet sie auf dem
Parkplatz hinter dem großen Haus auch einige Stellplätze für
Zelte und Autos an. Mit Nachdruck wird uns die zweiseitig
dicht beschriebene Platzordnung in die Hand gedrückt und die dort
aufgelisteten zumeist selbstverständlichen Verhaltensregeln lassen
vermuten, dass hier häufig Jugendliche verkehren, denen man erst
sagen muss, dass sie sich nicht wie Wilde aufführen dürfen ...
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Ich will heute einmal etwas Ruhe haben und lasse meine beiden Kulturreferenten zur Stadtbesichtigung und zum Kulturaustausch ziehen. Dieser muss recht intensiv gewesen sein, denn erst sehr spät am Abend kommen sie leicht angeheitert zurück. Wohl wissend, dass in unserer gültigen Platzordnung auch ein strenges Alkoholverbot steht. Allohol? Was ist das ..?
Westlich bzw. südwestlich von Korça gibt es zwei touristisch interessante Dörfer mit alten Kirchen, Wir entscheiden uns auf Grund der früheren Bedeutung für Voskopoja und fahren am nächsten Tag dort hin. Wenngleich wir keine der 5-10 Kirchen von innen betrachten können, mangels Führer auch nur drei davon überhaupt finden, so ist das doch ein lohnender Abstecher: Man erkennt an der Anlage des Ortes mit gepflasterten breiten Straßen und natürlich an der Größe des Areals, dass dies einmal eine relativ große Stadt gewesen sein muss mit reichen Bürgerhäusern, großen Plätzen und eben den vielen reich ausgestatteten Kirchenbauten. Gegen 1750 sollen über zwanzigtausend Menschen hier gewohnt haben, vorwiegend Handwerker und Kaufleute. Die ersten Druckereien und der Buchdruck im Balkan sollen hier entstanden sein.
Bei einigen groß angelegten Piraten- bzw. Türkenüberfällen ab 1768 wurde die christliche Stadt ausgeplündert und man vertrieb im Laufe der Zeit alle Bewohner, vorwiegend nach Korça. Neuerdings boomt der Tourismus, und viele beschädigte Häuser oder Ruinen werden im alten Stil wiederhergestellt. Alle im selben alten Stil, was zu einer gewissen Einförmigkeit führt ...
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Sehenswert ist es allemal, selten findet man eine solche Konstellation. Aber wesentlich zielführender wäre es gewesen, in Korça eine geführte Bustour dorthin zu buchen mit einem Führer, der uns die Kirchen gezeigt und geöffnet hätte. Aber verdammte Corona, das geht zurzeit nicht, keine Touristen da, keine Angebote!
Nun geht es jedoch endlich zu den Pelikanen, die in Albanien nur in der
Lagune von Karavasta und am Prespasee Kolonien haben. In der Lagune
sind wir ja trotz Führer und Boot nur bis auf etwa zwei Kilometer
an die Tiere
herangekommen. Am
Großen Prespasee soll es besser werden. Wir werden auch
schon erwartet und von einer ganz jungen Garde und mit militärischem Zack
gebührend begrüßt ...
Aber hier sind wir wieder im Pech: Gerade bei Ankunft am Ufer
braut sich ein Gewitter zusammen und ich schlage das Mitfahrangebot
eines Bootbesitzers lieber aus. Der hätte abkassiert, wäre
losgefahren und bei der ersten Böe vor dem Gewitter vermutlich
wieder umgedreht. Da
bringen wir lieber mein Fernrohr in Position und beobachten auf der
Wasseroberfläche etwa 20 Pelikane beim Fischen – leider wieder
1-2 Kilometer entfernt, aber diesmal besser herangezoomt mit dem
Leica Spektiv ...
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Nordmazedonien
Beim Großen Prespasee queren wir die Grenze und werden vom
nordmazedonischen Zoll ungewöhnlich genau befragt und betrachtet.
Auf unsere erstaunten Gesichter reagiert der Zöllner mit einer
kurzen Erklärung: "In Albania drugs were cheap!" Na, das hätten die
uns aber früher sagen sollen!
Von der nordmazedonischen Seite des Prespasees geht es
über einen 900 Meter hohen Pass hinüber zum Ohridsee. Dies ist die
Region des
Galicica Nationalparks, die wir besuchen wollen. Bei der
Auffahrt am späten Nachmittag finden wir auf halber Höhe und noch
unterhalb der tiefhängenden
Wolkendecke eine Forststraße rechts
abgehend, die wir bis zu einer guten Parkmöglichkeit verfolgen.
Grazyna und Erich erkunden den weiteren Verlauf des Fahrweges zu Fuß
und kommen bald mit der Information zurück, dass die Straße wenig
oberhalb in einen schmalen Pfad übergeht und wir hier auf dem einzig
geeigneten Nachtplatz stehen. Gut so, richten wir uns also ein. Das
regnerische Wetter zwingt zum Ausfahren der Markise, doch darunter
wird es dann recht gemütlich. Bei starker Sonne mag eine Markise ja
nützlich sein, bei Regen ist sie aber unverzichtbar. Nur Sturm mag
sie nicht. Also Regenmarkise!
Zum Glück bessert sich das Wetter über Nacht, und bei Sonnenlicht erreichen wir schließlich die Passhöhe von 1.568 Metern: Während ich bei den Fahrzeugen bleibe und die Kommunikation mit den wenigen vorbeifahrenden Nordmazedoniern pflegen muss, wandern die anderen auf den knapp 2.000 Meter hohen Gipfel des Galicica, der in Google Maps den Namen Lako signoj peak trägt. Dort kann man auf beide Seen blicken, im Osten auf den Großen Prespasee und im Westen auf den Ohridsee, der in Nordmazedonien "Ochrid" ausgesprochen wird. Eine aufgelassene Sendeanlage auf dem Gipfel bietet das nötige Lokalkolorit ...
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Für die Stadt Ohrid nehmen wir uns ein paar Stunden Zeit, wandern
vom Hafen am Rand der modernen Stadt mit den Hochhäusern in
nördliche Richtung. Einst war Ohrid geistiges Zentrum des frühen
Christentums und Entstehungsort der kyrillischen Schrift. Aktuell
hat Lonely Planet die Stadt im Jahr 2017 zum fünftschönsten Reiseziel der
Welt gekürt. Ziemlich großspurig, aber dem Tourismus hat es einen
Besucherzuwachs von 20% gebracht, sogar wir sind darauf
hereingefallen ...
Aber einen besonderen Reiz hat die Stadt schon und historisch bedeutende Kirchen ebenfalls. Original alt sind die Sophienkirche und die Klementskirche, beide bis ins 11. Jahrhundert zurückreichend. Beeindruckender und bekannter ist die Kirche des heiligen Johannes von Kaneo aus dem 13. Jahrhundert, die allerdings nach osmanischen Zerstörungen verfiel und erst vor etwa 150 Jahren renoviert und in den heutigen Zustand gebracht wurde. Die exponierte Lage auf einem Felsvorsprung im See hat das ästhetisch schöne Gebäude auf die Titelseite vieler Balkanreiseführer gebracht.
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Nach der Arbeit kommt das Vergnügen: Auf die Besichtigungen folgt die Einkehr in eines der kleinen Fischlokale nahe der Johanneskirche. Dort finden wir die berühmte Ohridforelle auf dem Speiseplan, überteuert natürlich, denn sie steht auf der roten Liste und ist kurz vor dem Aussterben. Natürlich wissen wir, dass es sich hierbei nicht wirklich um eine Forelle aus dem Ohridsee handelt, sondern um normale Forellen, allenfalls Ohridforellen aus Zuchtanlagen. Eine weitere Spezialität kosten wir, Sarma, leckere makedonische Krautwickel und lassen es uns gut gehen ...
© 2021 Sepp Reithmeier, Fotos: Sonja Ertl, Erich Junker, Marie Schömer