17.05. - 21.05.99: Australien (3) - Richtung Nordwesten

Zum Ayers Rock

Nach einer rasanten Fahrt - über 100 km wieder über unbefestigte Piste - zurück zum Flughafen am 17. Mai. Die Fahrzeuge wurden zurückgegeben - (nur) einer mit einer Beule, nämlich meiner ... -, ab ging es am Nachmittag VFR nach Ayers Rock.

... Vorbeiflug an The Olgas ...
... auf dem Weg zum Ayers Rock ...

Ayers Rock verdient der Erwähnung: Was das für ein Flecken auf dieser Erde ist, zeigte exemplarisch ein Anruf von unserer Reiseagentur, die noch hastig einen Busservice organisiert hat, denn wenn wir etwas später landen, wäre dort nichts mehr am Flughafen, hieß es per Telefon: Kein Taxi, kein Bus, kein Hotelvan - nichts.

180 NM wieder bei schönstem Wetter, nach 40 Minuten Flug tauchte der berühmte rote Felsen auf.

Es handelt sich beim Ayers Rock um eine Sandsteinformation, die unterirdisch mit dem rund 5 Kilometer entfernt liegenden The Olgas verbunden ist. Ayers Rock ist nichts anderes als eine geologische Kuriosität mitten in der Wüste. Was diese geologische Kuriosität von anderen auf der Welt unterscheidet, ist dieses: Man hat dem Felsen eine kleine Siedlung mit Luxushotels beigegeben, eine Piste, einen Flugplatz gebaut, auf dem Verkehrsflugzeuge landen, es gibt einen gut erschlossenen Park mit diversen Campingplätzen und Aussichtsspots, mit breiten, geteerten Straßen ...

Also ist dieser Felsen wohl eine hervorragende Geschäftsidee? In der Tat: Was sich dort abends, wenn Ayers Rock von einer tief stehenden Sonne angestrahlt wird, blutrot aufleuchtet mit einem wirklich phantastischen Spiel von Licht und Schatten, abspielt, ist schier unglaublich: Hunderte, Tausende stehen mit ihren PKW und Campern auf den Parkplätzen, Tausende von Fotoverschlüssen klicken, Videokameras liefern Kilometer Film vom Ayers Rock. Ja - und das alles nur, weil es kein gemeiner Felsen in der Wüste, sondern ein Heiligtum der Aborigines ist, ein Heiligtum dieser Menschen, die bis nach dem 2.Weltkrieg in Australien als Tier klassifiziert waren. Tatsächlich habe ich eine skrupellosere Heuchelei als jene, die hinter dem Millionengeschäft von Ayers Rock steht, nie gesehen und würde in Zukunft zu jenen gehören, die Australien besuchen, ohne einen Abstecher an dieses zynisch vermarktete "Heiligtum".

Morgens um acht: Mit Harleys um den Ayers Rock ...Dabei ist der Felsen, eher mehr noch The Olgas, wirklich spektakulär. Wir erlebten die Landschaft dieses Parks auf besondere Art: Vier Harley Davidson standen am 18. Mai früh morgens um 7 Uhr vor dem Hotel Sails in the Desert: Zu siebt erfuhren wir uns so die zu dieser Tageszeit noch fast menschenleere Landschaft, fuhren gleich dreimal um den Rock herum, der aus jeder Perspektive sich anders darstellt, erkundeten die zerklüfteten Olgas und genossen ansonsten kurzfristig das Gefühl: Born to be wild ...

Uns war am Abend dieses Tages dann schon klar: 18. Mai, Halbzeit der Leserreise ist vorbei, obwohl man den Eindruck hatte, soeben erst losgeflogen zu sein. Nach Kakadu, Great Barrier Reef, Sydney, dem Outback und Ayers Rock standen noch zwei Highlights bevor: Broome, eine ehemalige Perlenfischer-Siedlung, heute ein Städtchen mit 9000 Einwohnern. Und natürlich El Questro, eine Rinderranch, deren Fläche durch schlichte Schenkellängen des Geländes von zweimal 80 Kilometer definiert wird.

Am 19. Mai luden wir wieder unser Gepäck in das Flugzeug, tankten, wohl fast jeder flog nach VFR an diesem Tage - in Australien problemlos möglich bis FL 195. Die Significant Weather Chart zeichnete nicht eine Wolke auf den großen Kontinent, also ging es los mit nördlichem Kurs, Ziel war Halls Creek, Landeplatz einer ehemaligen Goldgräberstadt.

Auf dem Wege dorthin verschafften wir uns einen Blick auf den riesigen Wolfe Creek Meteorite Crater, dessen Koordinaten wir aus den WAC (1:1.000.000) herausgeholt und dem GPS eingegeben hatten, das uns dann metergenau - sagen Sie, wie sind wir eigentlich früher ohne GPS geflogen? - an den Einschlagsort dieses außerirdischen Gesteins führte.

Halls Creek empfing mit freundlichen Menschen, wieder ein Flugplatz in the Middle of Nowhere.

Broome und El Questro ...

Getankt und nach einem Rundflug über den Bungle Bungle, ein weiterer Nationalpark, der einzigartige Felsformationen schützt, nahmen wir Westkurs nach Broome.

Broome ist das, was wir als "Verkehrsflughafen" bezeichnen, er hat die Größe von Münster, Osnabrück oder Paderborn, wird recht intensiv angeflogen von Regionallinern, von Boeing 737, von der Allgemeinen Luftfahrt natürlich mit Jets, Props, Wasserflugzeugen. Broomes Landebahn misst 2.026 m, ist mit zwei Non Precision Approaches ausgestattet. Jeder deutsche Fluglotse, der Broome besucht, würde Opfer einer Identitätskrise: Es gibt keinen Tower. Es gibt Hangars, es gibt je ein Terminal für Domestic und International Flights mit allem, was dazu gehört, Ticket Counter, Customs. Aber es gibt keinen Tower! Noch schlimmer: Es gibt keinen einzigen Flugsicherungsmenschen am Flugplatz!

Und trotzdem starten und landen - nach meiner Schätzung - dort stündlich sicherlich zehn bis zwanzig Flugzeuge - überwiegend Verkehrsmaschinen. Das was in Europa unvorstellbar ist, klappt dort wie am Schnürchen: Um Broome herum gibt es eine kreisrunde MBZ, eine Mandatory Broadcasting Zone. In dieser MBZ ist es Pflicht, alles Relevante zu melden.

So hört der Anfliegende etwa: "Quantas 1257, 25 miles south on radial 195, descending out of FL 250 to altitude 5.000, heading for a 5 miles final 28." Die MBZ ist die fortgeführte Trafficzone mit Unicom. Und das funktioniert ganz hervorragend, wir bekamen gleich beim ersten Anflug eine Probe, wie Besatzungen die denkbar beste Flugsicherung machen können: Wir meldeten uns brav auf der Frequenz, als Broome noch 40 NM entfernt war mit einem Positionreport und der Höhe.

Prompt wurden wir angesprochen von einer Merlin Besatzung, deren Position leicht südlich von uns war, ebenfalls rund 40 NM von Broome entfernt, wir beide wollten einen straight in auf die Landebahn 10, denn auf der war just zuvor eine Fokker 100 gelandet.

Die Staffelung zwischen uns führte dann dazu, dass die Merlin als Nummer eins direkt auf die 10 flog, wir in 2.500 ft rechtwinklig über die Bahn flogen und nach einer normalen Platzrunde, die der Merlin Zeit für den Backtrack gab, landeten.

Wer Verfahren wie in Broome gesehen, erlebt hat, kann über das Palaver an gewissen hiesigen Flugplätzen nur noch müde lächeln. Von Ayers Rock nach Broome sind wir nicht nur aus der staubtrockenen Wüstenluft an den Indischen Ozean geflogen, sondern dem Äquator auch über 7 Breitengrade näher gekommen, das alles merkten wir spätestens beim Öffnen der Tür: Heiße, hochfeuchte Luft schlug uns entgegen, das erste Mal wieder seit Bali und Bangkok, auch das untrüglicher Hinweis: Wir bewegen uns zurück.

Broome ist heute ein wunderbarer Badeort mit traumhaften Stränden und einem Sonnenuntergang, der so nicht gemalt werden kann: Tag für Tag versinkt die Sonne hinter einem strichgeraden Horizont, der vom Indischen Ozean geboten wird. Die große, schöne Hotelanlage des Interconti mit ihrer eigenwilligen Architektur liegt praktisch direkt am Meer, einen Tag konnten wir den Badeort, seine Umgebung und vor allem den Indischen Ozean genießen ...

Dann kam das letzte - aber beileibe nicht kleinste! - Highlight der Reise: El Questro.

Mitten in den sagenhaften The Kimberleys gelegen, eine wilde, rustikale Landschaft, die erst heute den Tourismus entdeckt, sollten wir diese Ranch erreichen über einen "Flugplatz", der ebenfalls El Questro heißt. Man findet den in keiner offiziellen Karte, mir hatte man "El Questro Airstrip Details" gefaxt, die sich so lasen:

300 ft hoch gelegen, 1.400 m lang, die Bahn ausgerichtet 14/32, die Oberfläche: Dirt. Unter Obstructions stand: Hills both sides of strip. Die Koordinaten - S16°00.30 E127°58.30 - wurden in das GPS getippt, in den Tanks war genügend Sprit für den Hin- und Rückflug - jeweils 350 NM, und ab ging es frühmorgens VFR Richtung Nordwest.

Es stellte sich heraus, dass viele schon sehr früh aufgebrochen waren, um zur vereinbarten Zeit von etwa 11:00 Uhr spätestens anzukommen, weil man nicht in El Questro landen wollte. Man flog nach Kununurra, 40 km entfernt, 1.829 m ordentlicher Asphalt, um von dort mit einem Leihwagen auf die Ranch zu fahren. Vor uns, weit vor uns die Frühaufsteher Dr. Dietzel Bayer mit der Beech 58P. Sie meldeten wolkenloses Wetter am Zielort, die Frage nach der Beschaffenheit der Landebahn wurde dürr beantwortet: "Dirt eben."

Die Spannung stieg. Unterwegs über Niemandsland, einige Rinder gelegentlich zu sehen, tief eingeschnittene Flüsse, flogen wir natürlich dem GPS nach, ich versuchte aber mit sehr mäßigem Erfolg, das Landschaftsbild mit der Karte in Deckung zu bringen, was aufgrund des großen Maßstabs nicht einfach war.

Die Situation hier ähnlich wie beim Anflug auf Birdsville: Da ist ein Flugplatz, das weiß man, aber nichts als das GPS weist auf diese Tatsache hin. Hier kam noch hinzu, dass die Koordinaten, die gefaxten Koordinaten als Basis für einen "User Waypoint" dienten - was, wenn die ungenau waren, was, wenn bei der Eingabe ein Fehler passiert war?

Mehrmals checkte ich die eingetippten Zahlen, natürlich immer mit demselben Ergebnis. Alle Nervosität war überflüssig: Etwa 6 Meilen vor dem Platz sahen wir einen dünnen, sandigen Strich inmitten der wilden Landschaft, nachdem wir zuvor schon ein Ranchgebäude entdeckt hatten: El Questro!

Die Landerichtung legte ich nach einem Check der überall sichtbaren, lokalen Waldbrände und auch unserem Air Data Computer fest: Die 14 sollte es werden.

Über die Bahn, eine schöne Platzrunde geflogen, 20 Grad Klappen, Fahrwerk gefahren, Queranflug, 30 Grad Klappen 120 kts, es wurde bockig durch einen spürbaren Nordostwind und örtliche Thermik. Final 14, 40 Grad Klappen, 110 kts, dann 100 kts: Auf dem Ding willst du landen - schoss mir noch durch den Kopf, als wir über die letzten Bäume huschten und in die Schneise eintauchten, die sich El Questro Air Strip nennt.

Weiches Aufsetzen wie immer auf derartigen Pisten, dann rasten wir auf zwei Bäume zu, etwa in der Mitte der Bahn stehend, die diese verengten und den visuellen Eindruck gaben, es wäre ein Knick in der Piste ...

Wir waren unten, rollten weiter, stellten so rasch ab wie möglich neben der Baron: Jeder laufende Propeller erzeugte Unmengen von Staub. Kurze Zeit später die D- IMHH, Jürgen Jägers Aerostar: Saubere, problemlose Landung.

... Landung in El Questro ...
... als Offroader auf der Piste ...

Dann - spektakulär schon wegen der Größe - Christian Dries mit der King Air 200. Die Turboprop entwickelte gigantisch viel Staub, der sich aber gelegt hatte, bevor die Crew Adam mit der dritten Aerostar einschwebte. Es war wirklich ein fliegerisches Erlebnis erster Klasse, Buschfliegerei in Reinkultur ...

Wir versorgten die Maschinen, klebten die Statiköffnungen mit Klebeband zu, wer konnte, machte auch die Triebwerkgondeln dicht, um dem Staub möglichst wenig Chancen zu geben. Ein rustikaler Pick Up verlud uns und unser Gepäck, ab ging es zur Ranch, wo wir auf andere Touristen trafen, die mit Geländefahrzeugen unterwegs im Kimberley waren ...

Ausgestiegen an der Piste von El Questro ...Bei Erfrischungsgetränken warteten wir in eigentlich gut verträglichem Klima auf unsere "Softies", wie wir sie getauft hatten: Auf jene, die den El Questro Strip gemieden hatten. Nach einem zünftigen, auf Holz gebratenen Steak fuhren wir ab auf Geländefahrzeugen zum Chamberlain River, den wir schon beim Anflug in seinem tiefen Canyon gesehen hatten.

Es folgte eine bezaubernde Bootsfahrt durch eine märchenhafte Flusslandschaft, die mit einer tiefen, satten Ruhe alles zum Schweigen brachte. Der schiffbare Bereich endete in massivem Felsgeröll, dort machten wir fest, stiegen aus und bekamen hier die wohl ältesten Felsmalereien unserer Reise vorgestellt: 18.000 Jahre. Oder so. Schätzt man.

Am späten Nachmittag fuhren wir über verschlungene Wege nach Emma Gorge, dort wurde übernachtet. Und zwar in "Tented Cabins", zeltartige, aber sehr komfortable Unterkünfte mitten in der Wildnis: Die Leute waren begeistert, unisono empfand man diese Nacht in der Natur als würdigen Abschluss unserer Australien-Reise ...


© Text/Bilder 2000 Heiko Teegen, Pilot und Flugzeug 08/99-09/99