12.05. - 16.05.99: Australien (2) - To the Middle of Nowhere ...
Richtung Sidney!
Bereits um 6 Uhr morgens wurden am 12. Mai die Koffer abgeholt, um 7 Uhr rauschte unser Schiff aus der Hafenanlage und brachte uns im Schein der aufgehenden Sonne wieder nach Hamilton Island.
Die Maschinen waren während unserer Abwesenheit betankt worden, ein jeder hatte seinen IFR-Plan aufgegeben nach Bankstown, Sydney, 829 NM über einen fast direkt verlaufenden Airway. Das Australien-Hoch gab uns während des gesamten Fluges freie Sicht auf den 7 km unter uns liegenden Boden.
Obwohl wir nicht weit von der dicht besiedelten Ostküste flogen, bekamen wir abermals einen Eindruck, was Australien wirklich ist: Fläche, Fläche, Fläche, unbesiedelt, unerschlossen, ab und zu eine Straße, irgend eine kleine Farm, ansonsten aber nur unberührtes Land. Das änderte sich mit dem Anflug auf Sydney.
Mit flotten Directs wurden wir zu einem Speichersee geführt, der visuell als Einflugpunkt für den Flugplatz Bankstown dient, wenn der in VMC liegt. Über den rechten Gegenanflug flogen wir die rechte der drei (!) Parallelbahnen an, rollten sofort zum Hangar von Flight Support International: Mit dessen Chef Hans Bannink hatten wir für alle Kolbenflugzeuge eine 50 h-Kontrolle vereinbart, wobei für diese Arbeit lediglich eine Nacht und ein Tag zur Verfügung stand, denn bereits am 14. Mai sollten wir frühmorgens Sydney wieder verlassen.
Hans hatte auch Leihwagen besorgt: Koffer eingepackt und den langen Weg von Bankstown nach Sydney Downtown angetreten, wir wollten so rasch wie möglich in dieses äußerst attraktiv gelegene Hyatt am Hafen, an der Harbour Bridge.
Und wieder überraschte die Gruppe eine neue, reizvolle Atmosphäre, ganz anders als jene, die wir morgens verlassen hatten: Sydney ist eine ausgesprochen hübsche, freundliche Stadt, schon bald nach dem Einchecken war es Zeit, in einem der hervorragenden Restaurants auf dem Kai direkt neben dem Hotel das Abendessen einzunehmen, zum Fisch oder dem hervorragenden Fleisch empfahl sich dieser köstliche australische Wein, der von uns bevorzugte Tyrell wird knapp nördlich von Sydney angebaut.
Der freie Tag in Sydney wurde unterschiedlich genutzt: Die "drei Wilden" von der PC12, aber auch Uli Busche, gaben sich dem Nervenkitzel hin und erklommen die Harbour Bridge: Gegen 50 Dollar kann man nämlich - unter extremen Sicherheitsvorkehrungen - auf die hochgeschwungenen Brückenbogen laufen, in Gruppe zu jeweils 10 Teilnehmern ...
Andere unternahmen eine Hafenrundfahrt, lernten einiges über die Entdeckung Australiens und sahen wahrhaft spektakuläre Häuser der wirklich Reichen in Sydney. Wieder andere unternahmen einen Ausflug in die Weinanbaugebiete, gingen shoppen, aber fast alle trafen sich abends abermals in den gigantisch guten Restaurants am Hafen.
Mutige kleideten sich fein ein und gingen in die Oper: Salome - als Ballett! Die Oper soll ja schön gewesen sein, aber Salome - Christian Ahrenkiel verdrehte die Augen, als er die Inszenierung kommentierte ...
Auf ins Outback ...
Hatten wir uns auf den Flügen nach Kakadu, Hayman und Sydney stets nahe der Küsten bewegt, sollte es am 14. Mai, dem 14. Reisetag, in das Zentrum des Kontinents gehen. Nach Alice Springs, einzige Siedlung, einzige Stadt inmitten dessen, was man dort mit Fug und Recht das Nowhere bezeichnen darf. Alice Springs wurde berühmt als Basis der Flying Doctors und größtes Schulzimmer der Welt: Von hier aus werden per Funk die im Outback wohnenden Kinder unterrichtet.
Von Bankstown nach Alice Springs waren wiederum rund 1.150 NM zu fliegen. Bei der frühen Ankunft auf dem Flugplatz Bankstown gab es dann zwei schlechte Nachrichten: Einmal hatten wir Gegenwinde von 50 kts zu erwarten, teilweise sogar noch mehr in der Höhe. Und Hans Bannink erklärte uns nach einem Telefonat, dass der Flugplatz Moomba - der liegt auf 2/3 der Strecke nach Alice und war auch von mir als Zwischenlandeplatz auserkoren - uns nicht aufnimmt: Es ist eine private Anlage einer Ölgesellschaft und steht Fremden nicht offen. Die Karten wurden konsultiert, nach der Erfahrung von Mornington waren wir sensibilisiert: Wer auf dieser gewaltigen Strecke irgendwo landet, dann dort keinen Sprit bekommt, hat ein Problem! Ich guckte Birdsville aus, rief vorsichtshalber an und ließ mir bestätigen: Es gibt Avgas.
Der Flugplan sah IFR vor nach Alice, Alternate Birdsville, etwa 300 NM vor Alice. Unsere Aerostar stand fix und fertig mit frischem Öl, neuen Filtern, ein undichtes Ablassventil war getauscht worden, dann tankte man noch voll: Wenig mehr als 1.000,- Australische Dollar (rund DM 1.100) zahlte ich für gut 600 Liter Treibstoff und die Kontrolle mit Ölwechsel!
Mit einigen Radarheadings führte Sydney ATC aus dem Nahbereich heraus, dann lag vor der Flugzeugnase nichts als Landschaft. Noch niemals habe ich eine derart gigantische Einsamkeit gesehen, tausende von Kilometern: Nichts. Nur sich eigentlich rasch ändernde Landschaftsbilder. Karger Stein wechselt mit sandiger Wüste, dort wo Wasser ist, wachsen Bäume, Büsche.
Und zwischendrin die berühmten Pisten, auf denen die Road Trains, LKW mit zwei riesigen Anhängern und insgesamt 11 Achsen, tausende von Kilometern zwischen ihren Zielen zurücklegen ...
Schon beim Climb wussten wir: Die Wettervorhersage stimmte! Sonnenschein und Gegenwind. Nach 45 Minuten gaben wir jede Hoffnung auf, Alice non stop zu erreichen: 45 kts von vorne im Mittel drückte die Speed auf 190 kts über Grund, bei 200 kts auf dem GPS kam schon Euphorie auf: Für 6 Stunden Sprit hätten wir gebraucht, es hätte knapp passen können, aber nur in unsicheren Bereichen. ATS teilten wir mit, nach Birdsville zu fliegen und bekamen unser längstes Direct über etwa 580 NM!
Selbst bei diesen gewaltigen Distanzen ist der Funkverkehr mit VHF sicherzustellen, Radar gibt es natürlich nicht, deshalb werden Positionreports abgegeben. Und man kann landen, wo man will: Dort steht dann kein Tower, aber man hat selbst am Boden Kontakt etwa zu Melbourne, Brisbane oder Adelaide: Man kann überall seine Landemeldung durchgeben, man kann - wichtig, wenn man IFR unterwegs ist - sofort nach dem Start Verkehrsinformationen austauschen.
Der Flug nach Birdsville wurde für Angelika und mich zu einem besonderen Erlebnis. Egal, wo wir unterwegs waren, ob in Kanada, Labrador, in den North West Territories oder auf Grönland, in Arabien: Überall gibt es Merkmale, terrestrische Hinweise auf den näher kommenden Flugplatz, der sicher immer neben einer Stadt, zumindest neben einer Siedlung zu finden ist: Straßen kündigen die baldige Ankunft an, auch Küsten, Flüsse, zunehmende Besiedlung bestätigen visuell die Informationen der Instrumente, dass man sich eben dem Flugplatz nähert.
Der Anflug auf Birdsville dagegen war gespenstisch. Zwar erklärten GPS und ADF unmissverständlich, direkt voraus ist die Bahn, immerhin 1.400 m Asphalt, aber man sah - nichts. Gar nichts. Nur wüste Landschaft. Keine Straße. Keinen Weg. Kein Haus. Keinen Rauch. Keinen Zaun. Keinen Mast - nichts eben, nicht den kleinsten Hinweis auf irgendein menschliches Lebewesen, das hier irgend wann einmal gewesen ist ...
20 NM auf dem GPS: Nichts. 10 NM auf dem GPS: Nichts. Man hat natürlich auch keinen Funkkontakt mit Birdsville.
Dann, etwa 5 NM vor dem Platz, konnte man einen geraden Strich ausmachen, der in der gut organisierten Unordnung der wilden Landschaft eigentlich nichts zu suchen hat: Die Bahn von Birdsville.
Über den Platz, Windsack angepeilt, dann auf der Bahn 32 gelandet, völlig ungerührt schlich ein Wesen am Ende der Bahn über die Piste. Irgendwo bewegte sich ein Auto, einige Gebäude, ansonsten: Absolute Stille, nachdem die Motoren standen. Es war auch niemand da, niemand kam, niemand begrüßte uns, der Fahrer des Pick Ups, der sich irgendwo gespenstisch bewegte, ignorierte uns. Wir waren mitten in dem, was man Outback nennt: Ein Flecken Zivilisation in mitten einer Wüste, die sich rund 1.000 Kilometer in jede beliebige Richtung erstreckt ...
Aber: Die Infrastruktur funktioniert. Ein Telefon lockte mit einer Nummer, unter der man Sprit ordern konnte. Nur Minuten später kam der Fuel Truck mit einem freundlichen, aber extrem wortkargen, ansonsten schwer verständlichen Outbacker: Bezahlt mit Kreditkarte, 20 Minuten später gaben wir Gas, hoben ab und flogen nun VFR der untergehenden Sonne entgegen mit Westnordwestkurs nach Alice Springs: Mal eben noch knapp 324 NM.
Überrascht hörten wir auf der Company-Frequenz, dass unsere Zwischenlandung uns gar nicht weit zurückgeworfen hatte: Einige Turboprops, die kurz hinter uns aus Sydney raus sind, waren nun nur runde 10 Minuten vor uns: Der Wind machte allen mächtig zu schaffen.
Alice Springs ist ein kontrollierter Flugplatz mit einer Tower-Frequenz. Der Lotse hat kein Radar, versucht über DME-Distanzen sich ein Verkehrsbild zu machen und stellt so seine Staffelung her. Wir meldeten uns 80 NM östlich ,,VFR inbound" in FL 185 und konnten unbehelligt in den Alice Springs umgebenden Luftraum "C" einfliegen.
Mit Annäherung an den Platz wurden wir tiefer geholt, man staffelte uns zu einer ebenfalls nach VFR anfliegenden Navajo, es ging aber straight in auf die Bahn 30.
Auf uns wartete Matthew Byrne. Ein Photo-Journalist, der außerdem exklusive Gruppenreisen betreute. Matt sollte uns in das Outback führen. Und zwar mit Vierradfahrzeugen.
Gleich am Flugplatz übernahmen wir nach einiger Improvisation 17 Toyota Landcruiser, denen - zumindest teilweise - die wohl härteste Zeit ihrer bisherigen Kilometerleistung bevorstand.
Aber zunächst ging es ins Hotel, wir hatten wieder das beste am Platz gemietet, das Rydges. Aber selbst in diesem Hotel spürte man, ganz weit draußen zu sein ...
Matt und seine Freunde hatten unsere 2,5-tägige Jeep Tour als "Rallye" angelegt, und dieses Wort "Rallye" richtete Fürchterliches an, zumal unter uns einige ehemals aktive Rennfahrer waren, etwa Dieter Dutzi, der früher Tourenwagenrennen bestritt, aber auch Egon Evertz, ehemaliger Deutscher Meister sogar.
So erklommen einige den Sitz hinter dem braven Dieselmotor mit wild entschlossenem Gesichtsaudruck, bei manchem erwartete der Beobachter, dass er sich grimmig mit Helm und Brille ausrüstete. Am 18. Mai morgens führte uns Matt in einer langen Kolonne zunächst aus Alice heraus, einige Kilometer über eine asphaltierte Straße, wir bogen dann rechts ab Richtung Osten auf eine der typischen, rotsandigen Pisten, im Grunde die für Australien typischen "Straßen".
Matt und seine Freunde hatten äußerst liebevoll "Gebetsbücher" gezeichnet, in der die gesamte Strecke anhand von Weg- und Geländemerkmalen gekennzeichnet war.
Ein Begleitfahrzeug - dieses gesteuert übrigens von einem deutschen ehemaligen Rallyefahrer, fuhr voraus, hatte Proviant an Bord. Matt rollte als Lumpensammler mit seinem roten Nissan hinterher.
Nach einem letzten Briefing fuhren wir im Abstand von 2 Minuten - um der Staubfahne des Vordermannes zu entgehen - los. Zunächst ganz gemütlich. Aber als Herr Bayer, der den ersten Wagen steuerte, bemerkte, dass wir uns als Nummer zwei näherten, entwickelte sich sein Toyota zu einem sehr niedrig fliegenden Fourwheeler.
Wir durchquerten Ranches, dort galt es, Rindergatter zu öffnen, einzufahren, dann die Gatter wieder zu schließen. Und, akkurat nach einem Schild, das vor kreuzenden Känguruhs warnte, sahen wir drei dieser eigentlichen Ureinwohner Australiens, gemächlich über die Pisten hüpfend, dann im Busch verschwindend. Dieser unmittelbare Kontakt mit der Wildnis war herrlich.
Erste Rast machten wir an einer verlassenen Goldmine, dort standen eindrucksvoll die alten Maschinen, man konnte betrachten, wie die Männer früher gelebt haben. Nachmittags gegen 15 Uhr rollten wir in unsere Unterkunft: Ross River Homestead, eine urige Anlage mit einzeln stehenden Holzhütten, allesamt mit Nasszelle, auf den Weiden, den Koppeln Kamele und Pferde.
Wir wurden mit selbstgebackenem Brot verköstigt, bekamen einen besonderen Tee serviert, dessen Aroma sich entwickelt, während man die Teekanne um sich schleudert, wer wollte, konnte sich an einem Boomerang versuchen.
Abends wenige Minuten Fahrt zum Ross River, Matt und die Crew vom Homstead servierte dort ein phantastisches Barbecue. Der Chef dieser Anlage hielt später eine äußerst reizvolle Ansprache: Er wies uns nämlich in den Himmel der Südhalbkugel ein, der über ein Sternenmeer verfügt, von dem man auf der Nordhalbkugel nur träumen kann: Eine rundum gelungene Veranstaltung.
Am nächsten Tag führte der Weg Richtung Westen, in Alice wurde getankt. Vorbei an Hermansburg, einer ehemaligen deutschen Siedlung, heute bewohnt von Aborigines vorzugsweise. Es war Sonntag, das halbe Dorf in einer zu kleinen Kirche, die Predigt wurde gehalten in der auch ansatzweise nicht verständlichen Sprache dieses Volkes.
Ein Rundfahrt durch das kleine Dorf gab bedrückende Einblicke: Müll, Müll, Müll, wohin man blickte. Die Sozialisierung der Ureinwohner gelingt den Australiern mit den Aborigines so wenig wie den Dänen mit den Inuits, den Amerikanern und Kanadiern mit den Indianern ...
Gab der Vortag schon Eindrücke über das Off Road Fahren, dieser Sonntag hatte es in sich: Rund 70 km über schwere und schwerste Strecken teilten die Gruppe in zwei Teile: Die einen hetzten die Toyotas durch trockene Flussbetten, enge Waldwege, steile Sandhänge und rutschige Geröllstrecken, als säße ihnen Häkkinen persönlich im Nacken, die anderen fuhren im Fußgängertempo und belichteten mehrere Kilometer Film.
Gefahren wurde wieder nach Gebetbuch - sofern der Beifahrer das noch lesen konnte bei dieser Fahrerei. Auf dem Gebetbuch waren auch viele Passagen mit dem Wort "Danger" gekennzeichnet, dort hatte man tiefe Querrillen, extreme Hänge oder scharfe Kurven zu erwarten.
Szene aus unserem Auto, vor uns, kaum sichtbar im Staub, Walter Adam mit Anja Krebs, hinter uns im Permanentdrift Dieter Dutzi mit seiner Frau Hanne. Beifahrer: "Nach der Kurve kommt ein Danger." Fahrer (brüllt): "Danger interessiert mich nicht! Will nur wissen, wo wir abbiegen müssen! Nur rechts oder links - klar?" Wenig später ein fürchterliches Krachen, so als ob der Toyota beide Achsen liegen lassen würde. Fahrer (brüllt): "Warum hast du nichts gesagt? Was war das, verdammt?" Beifahrerin (triumphierend): "Danger!"
Das Outback ist sehr beindruckend, wir bekamen auch eine Vorstellung davon, wie gefährlich es sein kann: Nachdem unsere zweite Gruppe - die mit den Filmen - über eine Stunde überfällig war, brachen wir mit meinem Wagen auf, um zu suchen - Funk, Telefon, Handy - alles Dinge, die dort nicht funktionieren.
An einer äußerst kritischen Stelle - ein sandiger Weg - kamen uns die verloren geglaubten entgegen. Wir wichen aus, mussten dann schwungvoll zurücksetzen - und saßen fest. Matt versuchte, uns mit seinem Nissan herauszuziehen - dann saßen beide fest.
Gut eine Stunde in brütender Hitze teilweise mit bloßen Händen schaufelnd haben wir erst den Nissan, dann den Toyota freigelegt. Es kamen zwei Australier vorbei, professionell ausgerüstet, die spontan geholfen haben: Allein in einer solchen Situation - keine Chance. So haben wir direkt den Grund gesehen, weshalb regelmäßig im Outback Touristen umkommen, nachdem sie eine technische Panne hatten oder sich unwiderruflich festgefahren haben.
Der Abend dieses Tages sah uns im Kings Canyon Resort in unmittelbarer Nähe des riesigen Kings Canyon. Die Fahrt durch das Outback hat noch einmal klar gezeigt: Australien ist sehr vielseitig. Wer lange durch Kanada fährt, sieht viele Bäume, eine gleichmäßige Landschaft jedenfalls, ebenso ist es in den Weiten der USA. Australien dagegen ändert sein Gesicht ständig und sehr schnell, egal, ob man am Boden unterwegs ist oder das Land aus der Luft betrachtet ...
© Text/Bilder 2000 Heiko Teegen, Pilot und Flugzeug 08/99-09/99
- Fortsetzung: Australien (3) - Richtung Nordwesten
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