Tag 2, Samstag: Erster Seetag
Seetag! Ausschlafen, Entspannen, in Ruhe das Schiff erkunden!? Denkste, der erste Programmpunkt heute beginnt bereits um 9:00 Uhr - die Küchenführung! Um 11:30 Uhr folgt dann der Frühschoppen im Brauhaus, den man sich ebenfalls nicht entgehen lassen will, um 15:30 Uhr ist ein Power Plate Training gebucht, schließlich hat man so ein Teil schon seit längerem ungenutzt im Keller herum stehen, was sich künftig ändern soll!
Also ist nichts mit Ausschlafen: Frühstück im Markt Restaurant ist angesagt und anschließend Aufbruch zum Edel-Bordrestaurant "Rossini", dessen Chef Georg uns durch die Küche oder besser die Küchen-Areale der AIDAmar führen wird. Das "Rossini" ist das Spitzenrestaurant der A-la-carte Lokalitäten an Bord, außer diesem ist noch das "Buffalo Steak House" zu nennen, wobei die anderen wie z.B. das "Markt Restaurant" oder das "Bella Donna" im wesentlichen kostenlose "All-Inclusive" Restaurants sind, von denen jedoch wiederum einige kostenpflichtige Getränke ausschenken wie zum Beispiel das "Brauhaus" oder das "California Grill". Im "East Restaurant" gibt es noch eine kostenpflichtige "Sushi Bar", wo wir ebenfalls eine Veranstaltung während der nächsten Tage gebucht haben ...
All diese Geheimnisse und andere an Bord kann man natürlich an so einem Seetag lüften, doch wir machen uns nun auf ins Rossini, wo uns Georg bereits mit einem Begrüßungs-Sekt erwartet. Er wird uns in die "Galley" geleiten, den Küchenbereich des Schiffes, der mit 130 Leuten auch die größte Abteilung der über 600 Mitarbeiter starken Besatzung darstellt und sich über mehrere Decks der AIDAmar erstreckt.
"Bei einem Abstecher in die Provision erfahren Sie anschließend allerhand Wissenswertes über Lieferung und Aufbewahrung von Lebensmitteln an Bord. Nach dem Rundgang steht Ihnen unser Chef de Cuisine bei einem herzhaften Snack Rede und Antwort." So steht es in unserem "Kabinengruß", der die Buchungsbestätigung enthält. Ein kleines IT-Problem des Schiffes offenbart sich hierin: ein Datumsproblem. Die Küchenführung ist für den 22. September datiert, auch in der Küche selbst werden wir an der Wand ein in amerikanischer Notation falsches Datum sehen, das handschriftlich korrigiert wurde. Weitere Fehler der ausgedruckten Bestätigungen werden wir später noch feststellen - Arbeit für IT-Spezialisten ..?
Wie uns Georg mitteilt, dürfen wir unterwegs außerhalb des Rossini nicht fotografieren, so dass unser letzter Schnappschuss die gemäß Hygienevorschriften verpackten Gäste zeigt, die nun mit Hygieneanzug, Haube und Überzügen an den Schuhen durch die Galley stapfen werden - mit einem Gefühl, wie es vielleicht die Komparsen im Film "Outbreak" einst hatten ...
In der Galley sind, wie überall auf dem Schiff und in der Flotte, überwiegend philippinische Mitarbeiter tätig. Wie DER SPIEGEL in seiner Ausgabe 1/2014 im Beitrag "Aufsteiger im Unterdeck" genauer ausführt, handelt es sich hier in der Regel um Personal, das gegen eine "Besatzungsgebühr" von der Firma Magsaysay, der größten Schiffscrew-Vermittlung der Philippinen, bereitgestellt wird. Auch für die neue AIDAprima wurden von der Aida Reederei dort bereits mehrere hundert Mitarbeiter geordert. Diese Arbeitskräfte, die entsprechend gering entlohnt werden, sind sowohl das Rückgrat der Kreuzfahrtbranche als auch ihrer heimischen Wirtschaft - ohne sie wäre das boomende Geschäft der Branche zu gegenwärtigen Konditionen nicht zu realisieren.
Von den Vorräten der "Provision Area" bis hin zum "Garen im Vakuum-Aromabeutel" werden wir bei unserer heutigen Besichtigungstour sehr viel lernen. Beim Rundgang durch die verschiedenen Bereiche auf mehreren Decks erfahren wir in der Tat einiges: 1.500 Eier gibt es pro Frühstücksschicht und 1.500 Brötchen, letztere werden wie auch das Brot vollständig an Bord gebacken. Getrennt sind die Bereiche Wareneingang und diejenigen, wo die Produkte anschließend gewaschen, geschnitten und vorbereitet werden, bevor sie in die Küche gelangen und anschließend zum Gast: Alles, was "am Gast" gewesen ist und nicht verbraucht wurde, muss später entsorgt werden. Wir können den Weg der Lebensmittel an Bord verfolgen, stapfen durch Kühlhäuser, sehen riesige Geschirrspüler, in denen mit 88°C für Sterilität gesorgt wird und vor allem sehen wir jede Menge freundlich grüßendes Personal, das hier wohl unter äußerst harten Arbeitsbedingungen "unter Tage" arbeiten muss - heute dort mit jemandem zu tauschen, kommt nicht unbedingt in den Sinn ...
Dass dieses Personal täglich 250 Liter Milch trinkt, erfahren wir genauso wie die Tatsache, dass Georg als Rossini-Chef in allen Häfen für sein Restaurant einkaufen kann - Hummer, weißen Trüffel und andere Spezialitäten wird er sich wohl wieder in den Markthallen von Barcelona beschaffen, in die wir auch noch gehen wollen. Davon, dass das Brauhaus drei Sorten Bier braut, werden wir uns später noch selbst überzeugen können, doch dass der Chefbetriebswirt an Bord der "Provision Manager" ist, können wir wohl nur jetzt erfahren. Ebenso, dass dieser für alles an Bord, von Schrauben bis zum T-Shirt im AIDA Shop zuständig ist. Laut Georg wird die Küche vor jeder der wöchentlichen Kreuzfahrten vollständig auseinander genommen, gereinigt und wieder zusammengesetzt, zusätzlich wird noch jeweils pro Tag ein gesonderter Bereich speziell gereinigt - Hygiene erweist sich auch und gerade hier als eines der wichtigsten Themen an Bord ...
Wer mehr zu solchen Internas an Bord eines Aida Kreuzfahrtschiffes erfahren will, dem sei die DVD "AIDA Inside" empfohlen, die im Shop an Bord oder (billiger) auch im Internet erhältlich ist. Dieses Video zeigt in Spielfilmlänge Arbeit und Leben der Crew auch in den Bereichen, die ein normaler Passagier niemals betreten kann und wird. Die Abläufe betreffen die neuen Schiffe der "Sphinx-Klasse" und sind durchaus sehenswert, wie wir nach der Reise feststellen können. Ein erheiternder Augenblick in dem Film aus dem Jahr 2011: Ein junger Sicherheitsoffizier namens Claas Cramer kommt auf der AIDAbella zu Wort, einer Vorgängerin der AIDAmar, auf der er zwei Jahre später Kapitän sein wird - eine so schnell wachsende Flotte wie die der AIDA Cruises bietet offenbar auch hervorragende Karrieremöglichkeiten ..!
Nach dem ausführlichen Rundgang durch alle Küchenbereiche landen wir schließlich wieder im "Rossini": Georg beantwortet Fragen, während wir uns dem Snack widmen können, der einen schmackhaften Gruß aus der Küche mit einigen besonderen Spezialitäten enthält. Bald danach werden wir wieder ins Bordleben entlassen, natürlich nicht ohne dass wir noch Näheres erfahren zum Rossini und seinen besonderen Events: Außer dem heutigen "11-Gang-Menü zum Genießen" wird es zum Auslaufen in Marseille ein weiteres derartiges Event geben: Georg würde sich natürlich freuen, uns dabei zu begrüßen ...
Es ist nun bald Mittag und auf uns wartet jetzt schon der Frühschoppen im Brauhaus-Biergarten - Stress ohne Ende!
Zu einer schmackhaften Erbsensuppe probieren wir die drei verschiedenen Biersorten, die an Bord selbst gebraut werden: Die Entscheidung fällt eindeutig zugunsten des naturtrüben Zwickels aus - das wird auch ab sofort unser (kostenpflichtiges) Hauptgetränk, wann immer wir im Brauhaus einkehren.
Bevor es nun bald auf die Rüttelplatte im Sport- und Wellnessbereich geht, ist noch ein ausführlicher Schiffsrundgang fällig. Bei Reisen in der Vergangenheit waren wir zwar bereits auf Schiffen ähnlicher Größe gewesen, so z.B. auf Fähren wie der Color Fantasy oder Color Magic der Color Line, die den täglichen Verkehr zwischen Kiel und Oslo abwickeln und auch als Kreuzfahrtschiffe mit Autodeck gelten. Hier auf der AIDAmar befinden wir uns allerdings in einer anderen Kategorie von Touristenschiff, wie man an allen Ecken und Enden zu spüren bekommt: Von der Bibliothek bis zu diversen Ruheräumen und Shops ist alles vorhanden, was der "Kreuzfahrer" so braucht, wir kommen vorbei an Tanzkursen, Künstlerproben im Theatrium und allen möglichen anderen Veranstaltungen. Das Schiffs-TV unterhält zusätzlich Gäste, zufällig wird gerade unser Küchenchef Georg interviewt, als wir (ausnahmsweise!) mal in einer Bar sitzen ...
Es wird 15:30 Uhr und das Powerplate-Training beginnt: Die Trainerin gibt sich alle Mühe, dem lendenlahmen "Sportler" diverse Übungen beizubringen, die man auf dem Gerät absolvieren kann, aber ob das später im heimischen Keller auch klappen wird? Am Ende der halben Stunde gibt es auf besonderen Wunsch auch noch ein paar Probeminuten auf dem Laufband. Dank guter Federung und inzwischen erheblicher Besserung der Lendenwirbelproblematik funktioniert das weitaus besser als erwartet: Der weitere Nachmittag kann also hoch motiviert in Angriff genommen werden!
Gegen 17:00 Uhr sind wir wieder in der Kabine und können vom Balkon aus das Geschehen draußen auf dem Meer verfolgen: Es ist erneut ein sonniger Tag, die See ist ruhig und die Kursverfolgung im Schiffs-TV zeigt, dass wir auf dem langsamen und knapp 900 km langen Weg nach Civitavecchia, dem Hafen von Rom, mittlerweile auf die Nordwestspitze Sardiniens zusteuern. Die AIDAmar fährt auf die Straße von Bonifacio zu, die Meerenge zwischen Korsika und Sardinien, die nach der korsischen Küstenstadt Bonifacio benannt ist. Erinnerungen werden hier wach, denn diesen Ort konnten wir leider während unserer Tour Frankreich 2010 wegen des andauernden Streiks und folgender Benzinknappheit bei unserem Aufenthalt auf Korsika nicht mehr anfahren. Die rund 12 km breite und zum Teil 70 m tiefe Meerenge war früher bei Seefahrern gefürchtet wegen schwieriger Witterungsbedingungen und Meeresströmungen, auch wegen der Untiefen und Riffe, die hier zu umfahren sind.
Unser Kapitän heißt aber nicht Schettino und unser Schiff nicht Costa Concordia und seitens der Schiffsführung ist wohl auch weder ein "Verwandtenbesuch" noch eine "Verbeugung" bei Bonifacio geplant, und so steuert die AIDAmar am heutigen Seetag nach vorübergehendem Ostkurs problemlos wieder Richtung Nordost und italienischer Küste.
Nach einem ausgiebigen Frühstück, dem Snack bei der Küchenführung und dem ausgedehnten Frühschoppen fällt das Abendessen fast schon schwer: Eingefleischte Aida Reisende wissen und sagen das auch, man solle bei derartigen Touren eine Hose dabei haben, die man weiter machen kann. Auch der Kapitän wird später bei der Vorstellung von ihm und seinen Offizieren davon berichten, dass hier manch einer die Form an Bord verändert, weniger in der Höhe als mehr in der Breite ... Offenbar stört das Aida Fans nicht weiter, denn man hört auch von einem Virus, der die Reisenden befallen soll und dafür sorgt, dass sie immer wieder kommen. Von manchen Gästen an Bord erfahren wir sogar, dass sie bereits das fünfte, neunte oder schon das elfte Mal mit Aida unterwegs sind ...
Die Vorstellung von Kapitän und seinen Offizieren, zu denen neben einer "Umwelt-Offizierin" auch der erste weibliche "Staff Captain" der Reederei Aida gehört (siehe Nachtrag unten), erfolgt um 21:30 Uhr im voll besetzten Theatrium des Schiffes. Vom neunten bis zum elften Deck sitzen die Zuschauer dabei kreisförmig um und oberhalb der auf Deck 9 befindlichen Bühne - eine gelungene Architektur, die für alle Schiffe der "Sphinx-Klasse" typisch ist.
Außer auf die möglichen Probleme mit der Formveränderung weist Kapitän Cramer auf ein weiteres Problem hin, das offenbar immer wieder ein ganz wesentliches an Bord zu sein scheint: Die Handtücher auf dem Pooldeck. Zwar wussten wir bereits vor der Tour, dass deutsche Touristen im Ausland dafür berüchtigt sind, mit irgend welchen Handtüchern begehrte Poolplätze zu reservieren, jedoch hatten wir aufgrund anderer Freizeitgestaltung bisher noch nie selbst mit diesem Phänomen zu tun, auch hier an Bord nicht, mangels Brataufenthalten in der prallen Sonne. Umso erstaunter sind wir nun zu hören, dass es offensichtlich hier an Bord dasselbe Problem gibt und der Kapitän deshalb androht, herrenlose Handtücher in Zukunft gnadenlos einsammeln zu lassen - manchmal kann selbst eine Kreuzfahrt offenbar grauenvoll enden!
Wir können in aller Ruhe im Theatrium sitzen bleiben und weiter "Radeberger" auf vorgekaufte Getränkegutscheine trinken: Wie schon vor der Kapitäns- und Offiziersvorstellung, wo wir die Theateraufführung "Blaue Nacht am Hafen" geboten bekommen, geht es auch danach mit dem Showprogramm weiter: Die spektakuläre "Unterwasser-Show" namens "Kauri" wird für die nächste halbe Stunde die Gäste und Zuschauer in Atem halten. Diese Show wurde speziell für die AIDAmar entwickelt und ist nur auf diesem Schiff zu sehen. Fremdartige Unterwasserwesen treten auf in einer "mysteriösen und faszinierenden Unterwasserwelt", mit eindrucksvollen Landschaften als Kulisse. Tatsächlich wird hier eine atemberaubende Show veranstaltet, die nicht spart an tollen Kostümen, Choreografien und musikalischer Begleitung - der donnernde Applaus am Schluss ist mehr als verdient und insbesondere Marta Debreczeni, eine ungarische Sängerin, die wir gemeinsam mit ihren Kolleg(inn)en in den nächsten Tagen noch öfter erleben werden, singt sich ganz und gar ins Herz des Neu-Kreuzfahrers ...
Was will man nach so einer Show an Bord am ersten Seetag noch alles machen? Einen weiteren Schiffrundgang auf dem nächtlichen Deck natürlich, weitere Besuche in diversen Bars ebenso, weiteres Ausweichen vor dem unaufhörlich irgendwo an Bord fotografierenden Schiffsfotografen (), der auch möglichst viele glückliche Gäste an der Wand seines Fotoshops aushängen möchte und vieles mehr - irgendwann ist auch der längste Seetag dann mal zu Ende und die Kabine wartet - die Kondition morgen muss schließlich für Rom reichen ..!
Nachtrag, Januar ´14: Erster weiblicher "Staff Captain"
Manchmal gibt es wirklich Zufälle: In der Silvester/Neujahrs-Ausgabe 2013 der Süddeutschen Zeitung erschien im Wirtschaftsteil ein Artikel mit dem Titel "Kommando voran". Gegenstand dieses Artikels ist der erste weibliche "Staff Captain" der Reederei Aida: "Nicole Langosch ... ist damit die ranghöchste Frau in Deutschland an Bord eines Kreuzfahrtschiffes. Mit den Offizieren und Maschinisten an Bord hat sie keine Probleme. Nur die Passagiere müssen sich noch daran gewöhnen." verrät der Untertitel des Beitrags über "unsere" Staff Kapitänin an Bord der AIDAmar.
Nun, gewöhnen mussten wir uns nicht an Nicole Langosch, die mit ihren 30 Jahren an zweiter Stelle hinter dem Kapitän in der Schiffshierarchie steht und damit über allen anderen Offizieren an Bord. Wir sind aber sicher, dass dies auch nicht erforderlich gewesen wäre, wenn wir sie öfter gesehen hätten als nur das eine Mal bei der Vorstellung durch Kapitän Cramer. Auf jeden Fall ein interessanter Artikel in der SZ, der über ihre Karriere berichtet, die auf einem Containerfrachter begann und nun zu der halbjährigen Tätigkeit auf der AIDAmar im Mittelmeer führte. Auch wenn ihr einst ein philippinischer Bootsmann keine schwere Bohrmaschine anvertrauen wollte, so sind wir dennoch davon überzeugt, dass sie auch weiter auf der AIDAmar einen guten Job machen wird!
© 2014 J. de Haas