Tag 3, Sonntag: Rom
Am Morgen hat die AIDAmar in Civitavecchio festgemacht, der Hafenstadt in der Provinz Rom und der Region Latium. Gegenüber liegt bereits ein anderer Kreuzfahrtriese: Auch die Navigator of the Seas hat offenbar Rom als Ziel.
Die "Ewige Stadt"! Bereits am Vorabend hätte man sich bei einem Vortrag des Lektors Georg Hahn im Theatrium informieren können: "Weltreich-Metropole und Ewige Stadt" hieß seine Einführung zum heutigen Ziel. Aber als nicht unbedingter Freund solcher ewigen Städte, selbst wenn sie für anderthalb Jahrtausende kultureller Mittelpunkt Europas gewesen sein mögen, konnte man zu dieser Zeit auch beim Abendessen mit Rotwein im Markt Restaurant sitzen.
Also heißt es heute recht unvorbereitet die Busfahrt von Civitavecchio aus anzutreten: Für 8:45 Uhr ist das Treffen der Teilnehmer im Theatrium angesagt, über eine Stunde soll dann der anschließende Transfer von der rund 70 km nordwestlich von Rom liegenden Stadt bis zum Ziel dauern. Dort haben wir das Programm "Rom auf eigene Faust" gebucht, also eigentlich mehr oder weniger nur nur einen Bustransfer, was aber auch schon über 46,- EUR pro Person kostet.
Immerhin gibt es aber eine italienische Reiseleiterin, wie sie bei allen Landausflügen von örtlichen Agenturen gestellt werden und die die Aida Gäste am jeweiligen Zielort betreuen. Eine Karte und etliche Hinweise gibt es von ihr: Wegen der Krise sind heute am Sonntag nicht etwa alle Geschäfte geschlossen, wie man vielleicht vermuten würde, sondern vielmehr etliche geöffnet, wie wir zu unserer Verblüffung erfahren - so geht eben "Krise" in Italien!
Während der Bustour gibt sie uns auch einen Rat zur Gestaltung unseres Trips "auf eigene Faust": Sie empfiehlt uns zwei Alternativen für den Tag in Rom, der um 15:00 Uhr wieder am Sammelplatz Piazza del Popolo enden wird. Entweder soll man von diesem Startpunkt aus, zu dem wir von ihr mit hoch gehaltenem Schild und Busnummer "15" gebracht werden, dann südwestlich geradeaus zum Vatikan gehen oder aber Richtung Südosten Richtung Forum Romanum und Kolosseum. Nun denn, so geht eben "eigene Faust" in Rom!
Aufgrund unseres nur geringen Interesses an einer Papstaudienz entscheiden wir uns für die zweite Alternative: Direkt in der Nähe der Piazza kann man in die Linie A der Metro (M) steigen und von dort aus zur Station Termini fahren, wo man wiederum in die Linie B umsteigen und mit dieser bis zum Circo Massimo fahren kann. Von dort aus wollen wir dann schließlich zu Fuß zurück bis zur Piazza Popolo.
Mit diesen Plänen beginnt bereits eines der Probleme bei der Besichtigung der "Ewigen Stadt": Denn diese hat tatsächlich nur zwei Linien der U-Bahn "Metropolitana di Roma", die sich am Hauptbahnhof kreuzen. Die Linie A wurde 1980 eröffnet, die B bereits deutlich früher im Jahr 1954. Ende der neunziger Jahre wurden zwar beide Linien um einige Stationen verlängert, aber das Grundproblem bleibt: Trotz des vergleichsweise dichten Taktes dieser Metro von nur wenigen Minuten sind die Züge vollkommen überfüllt. Dies soll vor allem in den Hauptverkehrszeiten der Fall sein, aber gehört dazu etwa auch der heutige Sonntagmorgen?
Die "Mafia Capitale", die mittlerweile publik gewordene Hauptstadt-Mafia, die hat eben andere Prioritäten. Die Mafia, die hier dazu beiträgt, dass die Kulisse durch Schmutz und Abfall vernachlässigt wird, die eigentlich das Kapital der Stadt ausmacht. Und die sich auch nicht im Geringsten für Dienste am Bürger oder gar gut funktionierende Verkehrsmittel interessiert. Wir stehen immerhin in der Hauptstadt eines Landes, wo nach Schätzungen Eingeweihter mehr als ein Fünftel der Einkünfte des organisierten Verbrechens in Italien aus öffentlichen Investitionen abgeschöpft werden ...
Während der Fahrt stehen wir dicht gedrängt in der Bahn und man wartet nur darauf, endlich wieder aussteigen zu können - ein Zustand, der uns von nun an in Rom bis zur Rückkehr zum Schiff begleiten wird. Rom, eine Stadt des Gedränges, unglaublicher Touristenmassen und eines einzigen Geschiebes auf allen Straßen, die wir heute betreten. Es beginnt am Circus Maximus: Touristenmassen quetschen sich allerorten voran, an ein Betreten des Forum Romanum denken wir bereits nach kurzem nicht mehr, als wir die Warteschlange vor einer der Kassen sehen.
Zu Fuß geht es vorbei am Gelände des Circus Maximus: Einen wunderbaren Reisebegleiter haben wir leider zu Hause gelassen, das von uns immer geschätzte Buch von den 1000 Orten, die man knicken kann - selbstverständlich hat auch Rom hier seinen würdigen Platz gefunden. Der Circus Maximus, wo wir uns jetzt befinden, wird als "Ödfeld einer ehemaligen Pferderennbahn" gepriesen und wir gehen weiter bis wir eine gute Aussicht auf das Ausgrabungsfeld des Forum Romanum haben. Der Weg führt uns schließlich bis zum Kolosseum, wo wir allerdings wegen der Touristenmassen nicht recht weiterkommen (wollen) und nach einem Foto wieder umdrehen: "Selbst wer sich nur einen Tinnitus holen will, kommt um das Abschreiten von Gesteinsbrocken und Mauerresten nicht herum. Nur die Kombination von Verkehrslärm, Abgasen und Bildungsresten führt zu den erwünschten Symptomen" rät hier der eigenwillige Führer. "Zum Glück führen nur wenige Wege nach Rom" stellt der Verfasser einleitend fest, womit er sicherlich recht hat, und "Wer leiden möchte, wird in Rom eine Menge finden."
All das hält uns nicht ab, eine Markthalle zu besuchen und unterwegs auch mit einem Indio zu plauschen, der uns auf dem Weg zum Kolosseum mit seinem beeindruckenden Panflötenspiel auffällt. Er schwärmt uns von seiner Zeit in München vor und zückt auf Verlangen seine neuste CD: Für nur 10,- EUR ist "Tata Inti" von Pablo Benavides ein Schnäppchen und zugleich ein wundervolles Stück traditioneller Musik der Anden - bis heute das schönste Andenken an Rom!
Der Rückweg zieht sich, die Massen werden nicht weniger: "Zwei Kilometer voller schwitzender Touristen. Die Piazza Navona ist der angesagte Platz für Musikanten, Schnellzeichner, miserables Eis, Nepp und schlechte Pizza. Fontana di Trevi: Wer eine Münze in den Brunnen wirft, braucht nicht nach Rom zurückzukehren ... Fünfhundert Meter zur Spanischen Treppe, auf deren Stufen man sitzen kann. Hochsteigen lohnt nicht." Der alternative Reiseführer hat wieder mal recht: Die Menge an Leuten, die sich auf der Spanischen Treppe bereits eingefunden hat, lässt allerdings bereits auch ein Sitzen auf den Stufen nicht unbedingt erstrebenswert erscheinen ...
Defenderkurs in Rom ..? |
Irgend wann haben wir es geschafft: Gemeinsam mit einigen wenigen anderen Reisenden finden wir uns bereits wieder vor 15:00 Uhr auf der Piazza Popolo ein - auch die anderen hatten schon genug gesehen und wollten schließlich nur noch in Ruhe in dem Café an unserem Sammelpunkt sitzen. Bei einem Latte Macchiato hat man nun Gelegenheit, über die Meinung anderer Rom-Kenner nachzudenken, zu denen z.B. der Schauspieler Marcello Mastroianni gehört: "Man muss Rom nicht kennen, um es zu hassen. Aber es hilft enorm" soll er gesagt haben. Auch seine Kollegin, die Schauspielerin Anna Magnani ist nicht nur des Lobes voll: "In Rom wohnen Leute, die wissen, dass sie in die Hölle kommen. Sie wollen einfach schon mal trainieren."
Man ist bei derart gelungener Rom-Poesie fast noch geneigt, eine eigene Erkenntnis hinzuzufügen, die bei Explorer Touren der Vergangenheit zumeist dazu geführt haben, derartige Stätten weiträumig zu umfahren. Es gibt Orte, da ist man bei einem Besuch gleich dreimal: Das erste Mal, das letzte Mal und nie mehr wieder ...
Man hätte sich fast gewundert, wenn hier der Rückmarsch zum Bus und die Abreise wie geplant verlaufen wäre: Auch eine Viertelstunde nach dem vereinbarten Zeitpunkt fehlen immer noch zwei Touristinnen. Zunehmende Nervosität bei den Aida-Begleiterinnen: Immer wieder spähen alle in Richtung der Menschenmassen, die immer noch über die Piazza eilen. Wo bleiben die beiden, hat sie etwa Rom verschluckt, was einen nicht wirklich wundern würde?
Einzelne Gäste beginnen bereits über angemessene Strafen für die verspäteten Rückkehrerinnen nachzusinnen, über Strafen, die von "zu Fuß zurück" bis "Hinterherschleifen" reichen, was aber beides bei einer mehr als einstündigen Busfahrt nicht wirklich zielführend wäre. Das "auf eigene Kosten" zurück zum Schiff wäre da vielleicht eher geeignet, die reisegruppenkonforme Korrektheit zu befördern, auch der Hinweis auf "Alle an Bord 19:30 Uhr". Was würde eigentlich die Aida Besatzung machen, wenn tatsächlich Gäste bei einem Landausflug verschwinden? Um 20:00 Uhr auslaufen wie geplant? Das Ablegen samt "Sail away Song" verschieben und vielleicht ein wenig warten ..?
Wir werden es nicht erfahren, die beiden Damen kommen völlig abgehetzt über die Piazza gerannt, die strafenden Gesichter der restlichen Reisegruppe sind offenbar ausreichend peinlich genug für die beiden, so dass weitere Diskussionen über Teeren und Federn nicht mehr entstehen - es geht zügig zurück zum Bus, der uns bei zunehmender Dunkelheit zurück nach Civitavecchia und zur AIDAmar bringt. Man glaubt gar nicht, wie schnell man sich auf ein Ziel wie unser Schiff nach einem Tag wie heute freuen kann - zumal es uns besonders leicht gemacht wird: Die Rückkehrer werden vor dem Schiff mit einem Begrüßungstrunk willkommen geheißen - und man ist wieder "mit einem Lächeln zu Hause" ...
Der Abend auf der AIDAmar wird nach dem Rom-Besuch in der Tat die reinste Erholung. Im Biergarten vom Brauhaus erwartet den Gast keine Überfüllung, dafür aber heute Abend eine hervorragende Rinderroulade - ein Genuss, auch wenn das selbst gebraute Zwickel-Bier hier zusätzlich bezahlt werden muss - das Ambiente entschädigt den gestressten "Römer" voll und ganz.
Und der Abend ist wie üblich damit noch lange nicht zu Ende: Wie immer ist auch heute wieder volles Programm angesagt, nachdem das Schiff planmäßig in Civitavecchia in Richtung Livorno ausgelaufen ist. Bevor wir uns morgen in der Toskana in erneuten Touristenrummel stürzen, kann man an Bord bis zum späten Abend noch viel erleben: Von der "Brauhaus-Sause" über die "Black & White Party" in der Anytime Bar, von Live Musik mit der Band SunJamma in der AIDA Bar über das "Varieté Eden" im Theatrium bis hin zu "I feel good" mit Marta Debrezeni, die heute - wie in den nächsten Tagen auch ihre Kolleginnen - dran ist mit einer hinreißenden Solovorstellung. So kann man es aushalten ..!
Irgendwann in der Nacht umfährt die AIDAmar schließlich auf ihrem Weg nach Norden großräumig die Insel Giglio und das immer noch dort liegende Wrack der Costa Concordia. Weder wir noch die anderen Passagiere werden irgend etwas davon bemerken ...
© 2014 J. de Haas