Probleme in Ägypten: Defekt am Redaktionsflugzeug ...
Bei strahlendem Wetter brach die Flotte auf nach Ägypten. Letzte Wolkenfetzen lösten sich vor der afrikanischen Küste auf, der Wind drehte auf eine gefällige Komponente von hinten - schöner hätte die Leserreise eigentlich gar nicht beginnen können. Wir waren um kurz vor neun Uhr Ortszeit gestartet, vor uns Frühaufsteher wie das Ehepaar Rädisch in ihrer hübschen Mooney, die Piloten Brazel in der Seneca, denen wir uns von hinten näherten.
Kairo zog unter uns durch, ein mittlerweile gewohnter Anblick - zum siebten Male zog unsere Aerostar hier ihre Spur. Kurz hinter Kairo kündigte sich das Dilemma der Redaktionsmaschine an: Der rechte Motor zeigte Manifold-Schwankungen, der Gashebel stand ungewöhnlich weit vorn, um den Ladedruck von 29,5 inhg zu halten - irgend etwas war nicht in Ordnung. Das zeigte dann auch der Öldruck, der beliebte kontinuierlich zu sinken - nun wussten wir, dass wir ein Problem hatten.
Nur: Welches?
Die Maschine kam aus einer frischen 100 h-Kontrolle ohne jede Beanstandung, die Motoren just grundüberholt, die hatten schließlich in bester Performance erst vor Monaten den Weg nach Kapstadt und zurück überstanden. Sinkender Öldruck bei gleichbleibender Öltemperatur konnte grundsätzlich aber auch einen Instrumentenfehler bedeuten - man klammert sich in solchen Situationen ja immer an irgendwelche Hoffnungen.
Die wurden dann wenig später brutal zunichte gemacht: Abgasgeruch in der Kabine und weiter sinkender Öldruck befahlen, unverzüglich zu handeln:
- Bleed Air Valve schließen,
- Prop Feather,
- Mixer Idle Cut Off,
- Fuel auf Crossfeed,
- Seitenruder getrimmt und knapp 5 Grad Bank in den laufenden Motor
- ATC mit einer Emergency-Meldung versorgt, was den Jungs in Kairo einen gehörigen Schrecken einjagte.
Dann die Entscheidung: Kairo lag 100 NM hinter und Luxor gute 170 NM vor uns - was tun?
Statt in Kairo garantiert ein Chaos zu verursachen, flogen wir Single Engine weiter nach Luxor - ein Erlebnis der besonderen Art darf ich sagen, denn unter einem ist dort nichts als Wüste. Dem Controller von Luxor machte ich klar, Priority durch alle Level haben zu wollen und leitete einen sanften Sinkflug ein mit 200 bis 300 ft/min, die brave Aerostar schaffte dabei gute 150 kts IAS in dieser Höhe - mit einem Motor!
In FL 170 und später in FL 150 machten wir einen kurzen level off, um den Controllern auch die Möglichkeit zu geben, andere Maschinen - die Leserreise war in vollem Gang! - einzuordnen, was dem Lotsen in Luxor auch deshalb schwer fiel, weil der kein Radar hat.
Bei 75% Leistung flog die Aerostar in FL 170 mit einem Motor noch gute 130 kts IAS, was über 170 kts True Airspeed bedeutet! Was passiert war, wurde klar: Einer der beiden Turbolader der rechten Seite hatte einen Lagerschaden, der offensichtlich den Öldruck sinken ließ, wobei der Ölkreislauf des Triebwerks über ein Sicherheitsventil geschützt wird.
Es würde sich zeigen müssen, ob weitere Komponenten in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Natürlich denkt man in solchen Situationen erneut über Single Engine und Twin Engine nach. Zugegeben: Wir sind 2.800 Stunden mit unseren beiden Aerostars geflogen. Da die 4 Lader haben, trat ein erster schwerer Defekt an eben diesen nach statistischen 11.200 Betriebsstunden auf, mehr als die meisten Piloten im ganzen Leben fliegen.
Aber: Dieser Schaden an einer der mitfliegenden Mooney, einer PA46, auch an der Extra 400 hätte bedeutet: Landung in der Wüste, in the middle of nowhere.
Unsere Landung in Luxor klappte reibungslos.
Nicht ganz so reibungslos verlief der Wiederstart der Maschinen nach Khartoum, unbarmherzig schlug der ägyptische Bürokratismus, Ausgeburt supragalaktischer Dummheit und massiv wütender, außer Kontrolle geratener Vollidiotie, zu: Die Controller vom Tower waren ebenso sauer wie wir, da alle Crews - im Transit! - eine General Deklaration, zweifach bitteschön, ausfüllen und die Pässe zum Abstempeln herreichen mussten.
Die Schikanen hatten erst ein Ende, als direkter Kontakt zum Airportmanager den erlösenden Satz fand: "You can fly. Everybody can fly." Mit dem Erfolg, dass dann natürlich ATC kollabierte, denn ohne Radar 16 Flugzeuge auf den selben Trip zu schicken, ist nicht so einfach: Luxor ist und bleibt ein Albtraum!
Als Folge dieser Schikane diktierte ich Ursula Bosl in Straubing ein Fax an seine Exzellenz, den ägyptischen Botschafter in Berlin, das weitreichende Folgen haben sollte, wie wir auf dem Rückflug bemerkten - davon später.
Die miesen Schikanen der Ägypter jedenfalls führten dazu, dass viele Crews - auch einmotorig - nachts über die Wüste nach Khartoum fliegen mussten, es zeichnet diese Damen und Herren aus, dass diese fliegerische Leistung nonchalant erledigt wurde trotz der stressigen Vorkommnisse in Luxor. Meine Lebensgefährtin Angelika stieg zunächst in eine Cessna 340, denn die Regel bei unseren Leserreisen lautet: Wer einen technischen Defekt hat, muss selbst damit fertig werden, die Flotte zieht weiter.
Nun hatte es mich erstmals getroffen, nach knapp 3.000 Aerostar-Stunden bin ich erstmals überhaupt mit einem technischen Defekt liegen geblieben. Das alles wäre auch gar nicht tragisch gewesen: In Luxor strandete ich am Freitag, 25. Februar. Am Abend desselben Tages schickte ein Ersatzteilhändler in Oklahoma einen Lader auf den Weg, der am Sonntag dem 27. Februar in Kairo eintraf, der somit am Montag, 28. Februar, hätte eingebaut werden können, womit ich am gleichen Tag noch Khartoum hätte erreichen können, um dann am 29. Februar wieder zur Gruppe zu stoßen in Victoria Falls.
Das auch deshalb, weil die rührige Firma Rieger in Straubing nicht nur unverzüglich für die Expedition des Laders nach Ägypten sorgte, sondern auch einen Mechaniker am Sonntag in die Airline setzte, um selbigen einzubauen.
Jedoch: Die Bürokratie, die korrupte Ägyptens sowieso, machte einen Strich durch die Rechnung. Und da gibt es eine Firma, die gilt es in Situationen wie der meinigen zu meiden wie die Pest: FEDEX.
Federal Express.
Dynamisch.
Schick.
Unfähig.
Passiert ist nämlich dieses: Am Montag, 28.02., waren Herr Lottes, ein gewiefter Mechaniker der Firma Rieger, und ich gegen 11:30 Uhr auf dem Flughafen. Nachdem unsere Pässe konfisziert wurden, durften wir auf das Vorfeld, 60 Minuten später war der Lader ausgebaut, die Diagnose bestätigt: Veritabler Lagerschaden.
Ab etwa 12 Uhr versuchte ich, die sagenhafte Firma AN-Aviation, Handling Agent und Adressat des neuen Laders, zu bewegen, in Kairo den Lader auf ein Flugzeug nach Luxor zu legen. Das gelang nicht, obwohl - keine Übertreibung! - fünf Leute fünf Stunden eher ununterbrochen telefonierten: Vitalster Beweis des absoluten Fehlens jeder Effizienz und Hinweis auf die Gründe des Armuts der ägyptischen Nation.
Leider wurden die Telefonate auf Arabisch geführt, so dass ich den Inhalt immer nachfragen musste. Jedenfalls war das große Problem der Zoll: Der verlangte die Originalpapiere, die lagerten bei FEDEX Kairo, die wiederum waren unfähig, das Zeug in der Zeitspanne eines halben Tages in das Zollbüro am Flughafen zu bringen.
Dann wurden Nachforderungen gestellt: Teegens Pass in Kopie per Fax an den Zoll. Dann 3000 Pfund Zoll außerdem - soviel verdient ein Lehrer in Ägypten in einem halben Jahr. Ja - und bevor nach 5 Stunden hektischer Telefoniererei und Faxerei so gut wie nichts erreicht wurde, schloss dann das Zollbüro am Nachmittag: Einen Tag länger warten, bitte schön, der Bürokraten wegen.
Nicht nur: Auch Allah war im Spiel. Schon einigermaßen verblüfft musste ich ansehen, wie sich die Jungs von AN-Aviation gelegentlich in dem kleinen, verdreckten Verschlag, der als Büro dient, Schuhe und Strümpfe auszogen, dann ins schräg gegenüber gelegene Scheißhaus schlurften - sorry, aber der Ausdruck Toilette wäre eine Beleidigung von jedem bäuerlichen Plumpsklo -, die Füße wuschen, um sich anschließend dem Gebet hinzugeben.
Ich frage mich, ob Allah es nicht lieber gesehen hätte, man hätte dem ungläubigen Deutschen zum Turbolader verholfen? Kurz: Ein Tag vertan in Luxor, der Stadt meiner Alpträume:
Dreck.
Armut.
Bettelei.
Verfall.
Inkompetenz.
Touristen.
Während dessen erfreute sich der Rest der Gruppe in der komfortablen Victoria Safari Lodge bei bestem Wetter an dem organisierten Programm - abends Dinner in der Boma!
Während ich in Luxor gegen mein Schicksal kämpfte, kam die nächste Hiobsbotschaft: Die Crew Prinz strandete mit ihrer Cessna 337 ausgerechnet in Lokichogio, einem UN-Flugplatz knapp südlich der Grenze zwischen Sudan und Kenia mit einem zerstörten Heckmotor.
Das Flugzeug wurde Tage später einmotorig nach Nairobi geflogen, um dort repariert zu werden.
Am 29. Februar gegen 18:00 Uhr Ortszeit konnte Herr Lottes, Fa. Rieger, sein Werkzeug zusammenpacken: Der neue Lader war drin. Nervenkitzel aber bis zum letzten, bitteren Augenblick: Der Lader sollte, so hieß es, mit einer Air Egypt um 13:00 Uhr Kairo verlassen, um 14:20 Uhr in Luxor anzukommen.
Der dicke A340 landete aber erst 15 Minuten vor 16 Uhr, somit blieben knapp zwei Stunden bis Sonnenuntergang, um den Lader einzubauen. Herr Lottes schaffte das in bravouröser Art, die anschließenden Standläufe blieben ohne Befund: Alles im Grünen.
Am 01.03. starte ich um 6 Uhr UTC mit der N60HT, wollte um 9 Uhr in Khartoum sein, dort wieder raus spätestens um 9:30 Uhr, um dann gegen 13:15 Uhr in Kenia auf dem UN-Flugplatz Lokichogio zu landen, 200 Liter nachzutanken, um noch 1:50 h weiter nach Kilimanjaro zu fliegen.
Mit etwas Glück wäre ich dann am 02.03. nachmittags in Swakopmund angekommen, um dort wieder mit der Gruppe zusammen zu treffen. Die befand sich in Höchststimmung in der Mokuti-Lodge nach einem traumhaften VFR-Flug von Victoria nach Namibia. Phantastisch betreut von meiner Lebensgefährtin, Dr. Reitenspieß, die mit Elan die Aufgaben von Pilot und Flugzeug wahrnahm ...
© Text/Bilder 2000 Heiko Teegen, Pilot und Flugzeug 05/00-06/00