Wieder mal auf die Zugspitze
Es wird schließlich Freitag, bis wir unser wichtigstes Vorhaben vor Ort umsetzen können: Die Fahrt hinauf auf die Zugspitze, und zwar auf der Tiroler Seite. Wie man weiß, gibt es verschiedene Wege hinauf auf den Gipfel des 2.962 Meter hohen Bergs, der vielleicht wie oben vermutet zum höchsten Berg Deutschlands geworden ist (). Aus Tiroler Sicht kann er wohl eher als bescheiden gelten im Vergleich zum rund tausend Meter höheren Großglockner, dem höchsten Berg Österreichs in Osttirol, wo uns die letzte Tour hingeführt hatte.
Auf der Zugspitze können auch diejenigen, die sie sich nicht auf die harte Tour selbst erklettern können oder wollen, mit diverse Bahnen zum Gipfel gelangen. Auf der östlichen deutschen Seite ist das entweder möglich mit der neuen Seilbahn, die seit 2017 die alte Bahn der sechziger Jahre abgelöst hat und von der Talstation am Eibsee bis hinauf zur Bergstation 120 Personen in 10 Minuten 1.945 Meter hinauf befördert. Die Alternative dazu auf der deutschen Seite ist die Zahnradbahn, die sich seit dem Jahr 1930 ebenfalls vom Eibsee aus in die Höhe windet bis zum Gletscherbahnhof Zugspitzplatt auf 2.588 Metern. Mit dieser Bahn waren wir seinerzeit im Jahr 2000 auf der bereits erwähnten "Messtour" hinauf unterwegs.
Diesmal also auf der westlichen, österreichischen Seite zum Gipfel mit der Tiroler Zugspitzbahn, ebenfalls eine neue Seilbahn, die im Jahr 2003 nach vorherigem Brand wiedereröffnet wurde und die vorherige "neue" Bahn von 1991 ablöste, die ihrerseits auf die erste Seilbahn der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts folgte. Also geballte Historie, die uns hier und heute erwartet. Ebenfalls interessant für uns sind dabei natürlich auch Besuche des 2005 wiedereröffneten Panorama-Gipfelrestaurants und der "Erlebniswelt Faszination Zugspitze" aus demselben Jahr.
Vor die Auffahrt haben die Berggötter allerdings den Weg zur Talstation Ehrwald gelegt - ein Weg, den wir über zwei Haltestellen für einen fürstlichen Fahrpreis mit dem Bus ab Campingplatz zurücklegen können - nun ja, besser teuer gefahren als billig gelaufen!
Die Strecke führt zur Talstation im Ortsteil Obermoos, wo man auch eine Art Museum der alten Seilbahn besuchen kann, was wir aber erst nach Rückkehr vom Berg angehen wollen ....
"Bereits die Auffahrt in den 100-Personen fassenden Panorama-Kabinen ist ein Erlebnis. Nahezu lautlos gleitet man den Berg empor und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 1.725 m in nur 10 Minuten."
Diese Information aus dem Web erweist sich nicht als übertrieben, die Auffahrt von der Talstation ist in der Tat beeindruckend, schon nach kurzer Zeit gleiten wir an den Überresten der alten Strecke vorbei, die neben der aktuellen Seilführung und deren Masten verläuft. Rund zehn Minuten später kommen wir oben an: Nicht gerade leer ist es hier an diesem Freitag, als wir unter dem Schild "Herzlich Willkommen in Tirol" hervorkommen - offensichtlich richtet sich dieser Gruß an die Besucher von der deutschen Ostseite, die auf kurzem Weg den Grenzübertritt vorhaben. Ob die wohl von hier aus auch hinunter nach Tirol reisen ..? Aber vermutlich werden sie einen Besuch in der "Erlebniswelt" auf Tiroler Seite machen, bevor sie wieder nach D zurückkehren ...
In der Tat ist der Weg hier oben von Tirol nach Bayern nur ein paar Schritte weit - auch Bayern begrüßt zumindest mit einem Grenzschild vom Freistaat seine Besucher - wenn auch ohne ein ähnliches "Herzlich Willkommen" in die Gegenrichtung ...
Die Besuchermassen schieben sich hier vorwärts und vorbei am Münchner Haus mit den höchsten Bratwürsten Deutschlands und wir kommen zur Stelle, von der aus man genau gegenüber das goldene Gipfelkreuz sehen kann, bei dem sich ebenfalls die Besucher drängen. Deutlich erkennbar die hier angebrachten Aufkleber, die von Touristen mitgebracht wurden und das Kreuz verschandeln sowie das empfindliche Blattgold beim Entfernen beschädigen würden, wie die FAZ in ihrem Artikel vom Juni 2019 zu berichten weiß.
Hier am Geländer stehend kann man sich auch mit dem Gipfelkreuz im Hintergrund fotografieren lassen, wenn jemand den Auslöseknopf des Automaten betätigt - Tage später findet man sich auf diese Weise auch auf der Webseite der Zugspitze wieder.
Von dieser Stelle aus hat man nicht nur einen guten Blick auf das Gipfelkreuz, sondern auch auf die atemberaubenden Flugmanöver der Jochdohlen: Hat man sie gerade noch auf der Hand gehabt, stürzen sie sich im nächsten Moment möglicherweise von hier aus rücklings in die Tiefe - vor allem dann, wenn etwas Futter heruntergefallen ist, das sie noch im Flug wieder auffangen wollen und auch können. Was gäbe man darum, hier mal eine halbe Stunde mitfliegen zu können ..!
Ebenfalls im Blick hat man die zum Teil wahnwitzigen Kletterer rund um das Gipfelkreuz: Insbesondere ein Mädel in Sandalen fällt uns auf, das sich in unmittelbarer Nähe des Abgrunds hier entlanghangelt und auf dem Weg zurück vorbei am Halteseil unter dem Schnee zögerlich wird, bis jemand kommt und ihr weiterhilft - der am nahen Abgrund erkennbare unglaubliche Leichtsinn lässt nur staunen. Insbesondere darüber, dass an dieser Stelle nicht täglich mindestens ein paar solcher "Bergsteiger" auf Nimmerwiedersehen in der Tiefe verschwinden ...
Rapide verschlechtert sich das Wetter noch während wir uns in der "Erlebniswelt" aufhalten: Als wir uns dort mit der Geschichte der Erstbesteigung der Zugspitze im Jahr 1820 befassen, mit den Anfängen des Seilbahnbaus, den "Gondeln" der Presse 1926 sowie den Ausstellungen zur alten Bahn, ballen sich draußen dichte Wolken zusammen, die jeden Blick ins Tal und hinunter Richtung Eibsee versperren.
Wir machen uns schon bald auf den Rückweg und als wir unten angekommen sind und das Museum der alten Tiroler Seilbahn besuchen, beginnt es wie aus Kübeln zu schütten. Umso intensiver beschäftigt man sich deshalb nun mit alten Elektromotoren, mit Antriebs-, Spann- und Umlenkscheiben, mit Spanngewichten, Haupt- und Notantrieb, mit Bremsbacken, Zug- und Spannseil sowie anderen hochinteressanten Seilbahnkomponenten ...
Besonders interessant natürlich für den Betreiber des "Modellbaukellers" ein wirklich großartiges Modell der Talstation der ersten Tiroler Zugspitzbahn um 1960, bei dem Motoren und Getriebe durch 3D-Druck entstanden sind. Alle Stahlkonstruktionen sind dabei aus Messing nachgebaut, rund 3.000 Nieten und 500 Schrauben wurden verbaut. Der Nachbau im 3D CAD dauerte allein 2 Jahre nach einem vorherigen ausgiebigen Studium der alten Anlage. Spezialfirmen aus Liechtenstein und Deutschland waren mit Teilaufgaben betraut, M16-Schrauben des Originals wurden übrigens im Modell durch Messingschrauben mit 0,8 mm Durchmesser dargestellt - selbstverständlich ausgestattet mit Unterlegscheibe und Mutter ...
Als wir das Museum verlassen und mit dem Bus Richtung Ehrwald zurückfahren, wird sehr schnell klar, dass sich das mit dem Wochenendwetter "erledigt" hat: Der Sturzregen unterbricht nur kurz, als wir noch ein Lokal im Ort finden, wo wir ohne Reservierung unterkommen können. Die Rückkehr zum Platz erfolgt anschließend wieder zu Fuß, zu unserer eigenen Überraschung sogar "zu trockenem Fuß". Dort angekommen überbringt uns "Mehmet" schon bald eine Info, die wir erwartet hatten: Die Bergfeuer am Samstag, den 22. Juni 2019 sind aus Wettergründen abgesagt - nächster Versuch am kommenden Wochenende. Klar ist in diesem Moment auch, dass wir erstmals an einem solchen "Bergfeuertag" wieder abreisen werden - und das leider auch ohne Wiederkehr am nächsten Wochenende ...
© 2019 J. de Haas