Kirgistan 2016
Traumhafte Landschaften und herzliche Gastlichkeit ...
Nach der Mongolei Tour, bloß Kirgistan nicht verpassen ...
Nach über 8.000 Kilometer durch Russland, nach zwei erlebnisreichen und erholsamen Wochen am Baikalsee sowie zwei faszinierenden Monaten in der Mongolei, geht es weiter Kurs Südwest. Dem Chuysky Highway mit seinen schneebedeckten Vier- und Fünftausendern folgt ein scheinbar endloses Schlaglochreiten durch Kasachstan bis wir schließlich die Grenze bei Bishkek und damit Kirgisistan erreichen - auch Kirgisien oder Kirgistan genannt, wie in unserem Bericht ...
Nach nur knapp 1,5 Stunden korrekt und teils sogar freundlich abgewickelten Grenzformalitäten, halten wir zum Geldtauschen. Während Beate in der Wechselstube viele große Som-Scheine zählt, bekomme ich die erste Lektion in kirgisischer Gastfreundschaft: Die Beifahrertür wird geöffnet und ein freundliches Lachen strahlt mich an, ein Mann streckt mir die Hand entgegen und begrüßt mich mit "Hallo, ich bin Igor, herzlich willkommen in Kirgistan, ihr werdet hier eine schöne Zeit haben ..."
Im folgenden Gespräch erklärt sich sein gutes Deutsch damit, dass er seit 15 Jahren in Köln arbeitet, aber im Sommer immer für vier Wochen seine alte Mutter in Bishkek besucht. Er gibt uns zahlreiche Tipps zu Sehenswürdigkeiten, Land und Leuten, und dass wir der Polizei immer nur sagen sollten "no russky, only english, we are tourists".
Zum Abschied gibt er uns seine Handynummer und bittet uns, ihn unbedingt anzurufen, wenn wir irgendwelche Hilfe bräuchten, er wäre noch zwei Wochen in Bishkek.
Der letzte Tipp zahlt sich schon beim nächsten Halt in Bishkek aus: Zu spät merke ich, dass ich im absoluten Halteverbot stehe, als gegenüber auch schon ein Polizeiauto hält. Nach mehrmaligem Wiederholen des obigen "Dialogs" erhalte ich meine Papiere wieder und darf weiterfahren, während bei den drei geparkten Autos vor mir kurzerhand die Kennzeichen abgeschraubt werden. Danke Igor ..!
Nach einer kurzen Stadtbesichtigung bei 35°C geht es hoch in die Berge ins Almedin Tal und am nächsten Morgen in den Nationalpark Ala Artscha. Hier ist es angenehm kühl, und vor fantastischen Gebirgspanoramen finden wir auf 1.600 m Höhe einen schönen Stellplatz im Halbschatten, auf dem wir mit dem Heck direkt über einem Gebirgsbach stehen.
Am nächsten Tag lassen sich ein paar Kirgisen am Ende der Wiese zum Picknick nieder und irgendwann kommt einer auf uns zu, streckt wieder freundlich die Hand entgegen: "Hi, my name is Oleg, the Kebab is ready, please join us for meal". Alles ist ganz frisch aus dem Garten und es ist unser erster Entenkebab - lecker!
Bis uns abends ein jäh aufziehendes Gebirgsgewitter überrascht, müssen wir noch diverse 50 Gramm Cognac trinken und der schöne Tag endet wieder damit, dass wir für alle Eventualitäten diverse Handynummern bekommen.
Auch am nächsten grandiosen Standplatz höher im Tal kommt uns auf seinem täglichen Spaziergang ein freundlicher alter Kirgise besuchen und wir unterhalten uns mit Händen und Füßen. Die traumhafte Gebirgsluft tauschen wir dann wieder gegen die 35°C in Bishkek, aber die vielen Grünflächen und kleinen Kanäle machen die Stadtbesichtigung erträglich.
Letztmalig geht es auf dieser Tour dann nochmals gen Osten: Nach Tokmok machen wir einem Abstecher zum historisch wichtigen Turm von Burana, in dessen Park auch zahlreiche alte Steinfiguren, die Balbals, einen sicheren Platz gefunden haben und sich die Ausgrabungsstätte von Balasagun befindet.
Wie bisher im ganzen Land finden wir auch hier wieder ein schönes Plätzchen zum Übernachten, bevor es uns dann bei wechselhaftem Wetter weiter zum Yssykköl zieht. Der auf 1.609 m Höhe liegende Bergsee ist im Tin Shan Gebirge eingebettet und sein Panorama - im Norden begrenzt durch bis zu 5.000 m hohe Gebirgszüge und im Süden zu China hin dürfen es auch mal sieben Tausender sein - machen ihn so einzigartig und faszinierend. Mit maximal 692 m Tiefe ist er der weltweit größte Bergsee ...
In einem kleinen Ort am Südufer befüllen wir am Dorfbrunnen nochmal unsere Wassertanks und finden dann eine Traumbucht in der Nähe von Kyzyl-Tuu. Hier relaxen wir ein paar Tage direkt am oder im leicht salzhaltigen Wasser und genießen das Traumwetter und den einmaligen Ausblick. Am dritten Tag hält ein paar Meter entfernt ein alter MB Doka, vorne steigen fünf Erwachsene aus und von der Ladefläche springen 12-14 Kinder. Während die Frauen einen großen langen Tisch ausladen und anfangen, fröhlich Gemüse zu putzen, gehen die Männer und die schon des Laufens fähigen Kinder schwimmen. Es duftet bereits gut, als ein 14jähriges Mädchen zu uns kommt, um uns zum Essen zu bitten. Sie spricht Deutsch und auch ihr zwölfjähriger Bruder möchte mit seinen Englischkenntnissen nicht hinten anstehen.
Es wird wieder ein schöner und lustiger Nachmittag, man teilt das wenige gerne mit uns. Und natürlich möchte man auch unser "Zimmer" besichtigen, als das Spielen mit den übergebenen Luftballons und Stiften langweilig wird. Ruckzuck stehen 10-12 Personen - Erwachsene und Kinder - in unserer Kabine. Dass es aber alle auf einmal versuchen, damit hatten wir natürlich nicht gerechnet. Dass wir wieder zwei Handynummern sowie auch eine Einladung in ihr Dorf erhalten, ist dann eigentlich keine Überraschung mehr ...
Da im Osten noch zwei Höhepunkte auf uns warten, brechen wir schweren Herzens auf und es geht weiter zum Skazka Tal: Ein einsamer Stellplatz in einem kleinen Seitental, welches gerade so breit ist, dass wir noch die Kabinentür öffnen können. Ein Traumplatz, den wir allerdings nur nach langer, konzentrierter Rückwärtsfahrt erreichen. Der Mühe Lohn: Einsam können wir den Sonnenunter- und -aufgang inmitten dieser fantastischen, in erdfarbenen Tönen explodierenden Hügeln, Burgen, Wällen und steilen Felsen erleben.
Auch von hier müssen wir uns regelrecht losreißen, aber es geht ja jetzt zu dem "Höhepunkt" unserer Reise, vorbei am Barskoon Wasserfall zur Barskoon Hochebene. Bei der Fahrt durch das Traumtal sehen wir auf einmal im Rückspiegel einen vertrauten Land Rover, es ist der uns bereits bekannte Tim, der alleine unterwegs ist und noch weiter nach China will.
Gemeinsam nehmen wir den Pass in Angriff und finden auf 3.800 m Höhe einen schönen Stellplatz am Jashil Köl und wir sitzen Stunden in unserem einst "Idefix" getauften Fahrzeug und tauschen Erlebnisse seit unserem Treffen beim Naadam Fest in Khovd aus. Es wird immer kälter und bald so windig, dass Tim sein Dachzelt wieder einpackt, während wir wie schon oft darüber erfreut sind, wie unberührt unser Klappdach auf jedes Wetterunbill reagiert.
Bei Sonnenaufgang sind es dann -5°C und der Iveco ziert sich 20 Minuten lang anzuspringen, aber dann kann es doch losgehen, zunächst zur Passhöhe Söök Ashuusu auf 4.028 m, und dann über die Hochebene bis zur Kumtor Goldmine. Hier am Petrow Gletscher auf 4.000 m werden jährlich mit 3.700 Tonnen Zyanid gerade mal weniger als 20 Tonnen Gold aus dem Gestein gespült: Eine Katastrophe für die Umwelt und ein nicht kalkulierbares Risiko für die Zukunft der ganzen Region. Nach den einmaligen Ausblicken bei dieser Tour ein bedrückender Gedanke ...
Ab jetzt geht es für uns nur noch gen Westen, zunächst Richtung Song Köl, einem Bergsee auf knapp 3.000 Metern Höhe. Leider müssen wir nach langen Kletterpassagen rund 5 km vor dem See die Notbremse ziehen, wir haben ja noch 10.000 km Heimweg vor uns und der Pass von Norden kommend, scheint uns eher für Pferde als für 5,5 Tonnen schwere 4x4-Fahrzeuge geeignet zu sein.
Aber dieser Übernachtungsplatz entschädigt uns dann doch noch und Sicherheit geht immer vor. Weiter geht es über teils holprige Staubpisten zur Schlucht des Kökömeren. Noch vor dem Geburtsort des legendären 2,36 Meter großen kirgisischen Recken Koshomkul uluu Kaba finden wir direkt am reißenden Fluss einen Übernachtungsplatz, wo wir für ein paar Tage vor der Fahrt zur Suusamyr Hochebene rasten und relaxen.
Ab jetzt geht es dann an den langsamen Abstieg und mit jedem Höhenmeter weniger wird es auch wärmer. Der Verkehr nimmt genau so wie die Radarkontrollen zu und so sind wir über jeden Polizisten froh, der lieber Pause und etwas isst als blitzt ...
Über Toktokul, Dzhalal Abad und Uzgen, die Stadt des roten Reises, geht es nach Osh. Der Wetterbericht verspricht uns, dass wir uns noch einen Wunsch erfüllen können, also hinein in den Pamir und Aufstieg zum Pamir Highway. Am ersten Abend stehen wir 45 km vor Sary-Tash auf 2.455 Meter in der Kurve der alten, geschlossenen Passstraße und die Rundumsicht ist einfach nur genial ...
Am 01.09. ist Schulanfang und wir sehen viele mehr oder weniger motivierte Schulkinder, bevor wir über den 3.615 m hohen Taldik Ashuu klettern und uns dann ein schönen Standplatz in Sichtweite des Pik Lenin (7.134 m) suchen. Immer wieder wechselnde Ausblicke auf das traumhafte Bergpanorama sind mehr als eine Belohnung für die kurvige und steile Anfahrt. Auf der Straße geht es zu wie beim Almabtrieb - die Nomaden verlassen ihre Sommerweiden, treiben Schaf-, Kuh- und Pferdeherden ins Tal und transportieren die letzte Kohle sowie Futtermittel für den langen Winter bergab ...
Wegen der Gültigkeit der Visa für Usbekistan müssen wir uns leider auch auf den Rückweg nach Osh machen, auch wenn wir uns gerne die gesamten 60 visafreien Tage in diesem Kleinod aufgehalten hätten. Was bleibt, sind wunderbare Erinnerungen und ein Reiseziel, das es auf unserer Reiseliste in die Rubrik "gerne nochmal" geschafft hat!
© 2018/2019 Dirk Flock
Nachtrag, Jahreswechsel 2018/2019: Gruß aus Hessen
Uns erreichte rund um Weihnachten auch eine Mail von Dirk mit guten Wünschen für ein paar geruhsame Feiertage, einen guten Rutsch und schöne Reisen in 2019, die wir ebenfalls auch an alle Leser weitergeben möchten.
Nach längerem Aufenthalt auf Sardinien sind die Flocks wieder zu Hause, aber, wie Jürgen schreibt, derzeit "irgendwie immer noch nicht angekommen". Das erscheint durchaus verständlich, wenn man sich das Bild anschaut, das Jürgen vom letzten Aufenthaltsort auf der Insel mitgeschickt hat: Dort, am Ende des Regenbogens, möchte man dagegen sicher jederzeit gern ankommen!
Anm. der Red.: Der Beitrag von Dirk Flock zu seinem Iveco ist nun ebenfalls im Magazin zu finden: