Destillerie-Besichtigung

Ardbeg ist eine meiner favorisierten Destillerien und so war ein Besuch mit Besichtigung obligatorisch (Bilder unten). Die Guide sagte vor der Destillerie stehend mit einem Blick über das Meer: "If you can see Ireland, there is rain ahead. If you can't see Ireland, it is raining."

Hier wird es wirklich schwierig. Wie gendert man "Guide"? Die Person, die uns durch die Destillerie führte, war eine äußert kompetente und humorvolle junge Frau. Gibt´s im Englischen überhaupt gendern? Obwohl "gender" ein englisches Wort ist, konnte ich nicht erkennen, dass sich Briten darüber Gedanken machen. Der Guide ... die Guide ... völlig egal, Hauptsache kompetent!

Man sollte sich im Klaren darüber sein, dass diese Destillerien natürlich kommerzielle Betriebe sind und zum Teil sogar zu großen Konzernen gehören. Wenn einem bei Ardbeg alte Maischefässer aus Eiche und alles in allem eine handwerkliche Struktur gezeigt wird, dann muss das nicht unbedingt dem täglichen Geschäft entsprechen.

Ardbeg (1) Ardbeg (2) Ardbeg (3)
Ardbeg (4): Spirit Safe Ardbeg (5) Ardbeg (6): Wer sich schon immer fragte, was in einer Still (Brennblase) eigentlich drin ist

Ardbeg (7): Rettungsboot für Maische-Überschwemmung? ;-))

Der Spirit Safe (Bild Ardberg (4) hat eine wichtige Aufgabe: Früher wurde er verplombt und diente den Behörden als Messstelle für die Menge der Alkoholproduktion und damit der Steuern. Hauptsächlich dient er aber als mechanischer Umschalter zwischen den destillierten Alkoholqualitäten. Als erstes kommt bei einer frischen Charge Maische der sogenannte Vorlauf. Da bei Methanol die Siedetemperatur bereits 65°C beträgt, kommt dieses neben anderen unerwünschten Stoffen als erstes: Man will es nicht trinken, denn es macht nicht nur blind, sondern auch blö ...

Dann kommt die Hauptfraktion, die mit dem Spirit Safe umgeschaltet und in einen extra Behälter geleitet wird. Sie besteht aus dem Trinkalkohol Ethanol und siedet bei 78°C. Daraus wird zum Schluss der Whisky.

Danach kommt noch der Nachlauf (Feint), der hauptsächlich aus weniger leicht flüchtigen sogenannten Fuselölen besteht. Die Definition zwischen Vorlauf und Nachlauf mit dem dazu gehörigen Umschaltzeitpunkt wird messtechnisch erfasst. Die Umschaltung zwischen dem Spirit und dem Feint offenbart aber die Kunst des Destillierens. Fuselöle will man nicht, denn sie bereiten Kopfschmerzen. Sie tragen aber auch viel Geschmack. Man erkennt, dass man vielleicht doch ein paar haben will ..?

Das Pot Still Verfahren macht das Ganze zweimal: Erst wird also die Maische (Mash) in der Pot Still destilliert und die Hauptfraktion wandert dann aus dem Spirit Safe mit Zumischungen aus Vorlauf und Nachlauf in die Spirit Still. Deshalb sieht man immer zwei Stills hintereinander geschaltet. Der zweite Spirit Safe macht dann noch einmal die gleiche Separation.

Viele Destillerien haben einen Ausstoß, der mit den auf diesen Führungen gezeigten Brennblasen (Bild Ardberg (6) nicht zu erklären ist. Im Hintergrund werkelt also sehr oft ein richtiger Industriebetrieb, der unter anderem auch Industriealkohol produziert. Den Vorlauf (Methanol) kann man ja nur dazu brauchen. Die auf der Tour gezeigten Einrichtungen erklären trotzdem sehr gut den Prozess und die entstehenden Produkte sind mit einem industriellen Hintergrund nicht weniger gut. Die Destillerien haben trotzdem ein romantisches Flair und sind einfach schön.

Eine sehr angenehme Hemdsärmeligkeit zeigt sich durch solche Details. Da war wohl ein Praktiker wie James Watt am Werk: Im Stillhouse von Ardbeg liegt doch tatsächlich ein Ruderboot (Bild Ardberg (7). Vermutlich ist es für Brennblasenexplosionen vorgesehen, wenn die Maische hektoliterweise durch das Stillhouse schwappt ..?

Torfabbaugebiet (1) Torfabbaugebiet (2)

Zumindest die Tage auf Islay waren inzwischen doch meine ersehnte Destillerietour und ich kam voll auf meine Kosten. Die Straßen auf Islay empfand ich als besonders wellig: Nicht kaputt, aber besonders wellig und uneben. Freunde des sportlich harten Fahrwerkes werden hier nicht glücklich. Das Ganze lässt eher einen Bandscheibenschaden erwarten. Aber es bremst die Durchschnittsgeschwindigkeit zusammen mit den Single Track Roads enorm, um möglichst viel von der Gegend mitzubekommen. Wie in ganz Schottland gibt es hier fast nur Single Tracks, die einspurige Straßen mit Ausweichbuchten sind. In den Ausweichbuchten (Passing place) für irgendwelche Verrichtungen stehen zu bleiben, kommt übrigens gar nicht gut an: Passing places sind nicht als Parkplätze gedacht. Man ist auf jeden Fall langsam genug für jede Menge Landschaft unterwegs. Die Torfabbaugebiete sind eigentlich relativ klein und sie prägen nicht die Landschaft. Fast muss man suchen, um solche Bildmotive zu finden ...

Bei Bruichladdich habe ich dann doch den probierten Octomore gekauft. Ich kenne die Marke schon lange und war immer begeistert. Diese Marke gilt mit bis zu 300 ppm Phenol als der am stärksten getorfte Whisky der Welt. Das klingt spektakulär und wirkt sich aber toll aus. Selbst mit Fassstärke (cask strength) von über 60% Alkohol kann man ihn trinken, ohne dass die Zunge pelzig wird, obwohl man eigentlich immer ein wenig Wasser beifügt. Nur wenige Tröpfchen Wasser sorgen in einem guten Whisky quasi immer für eine enorme Geruchsfreisetzung, eine regelrechte Duftexplosion. Man kann vor dem Genuss gar nicht genug schnuppern ("Nosing")! Sogar bei minimalen Schlückchen hat er einen extrem langen Abgang. Nach 15 Minuten schmeckt es im Mund immer noch, als hätte man gerade genippt ...

Mein Whiskyerlebnisbedarf ist nun nach diesem Intensivkurs fürs erste gestillt. Bye Islay: Heute geht es zurück auf die große Insel und wie geplant in Richtung Edinburgh.

Destillerie Oban, mitten in der Stadt Destillerie Laphroaic Destillerie Lagavulin

Edinburgh

Ich machte wieder den gleichen "Fehler" wie letztes Jahr in Island: Ich dachte mir "Du hast ja viel Zeit" und buchte erst mal nur die Hinfahrt mit der Fähre um flexibel zu sein. Die Rückfahrt von Britannien auf das Festland ist zwar erheblich einfacher als von Island, weil es nicht nur eine Strecke gibt. Aber man muss in Kauf nehmen, an nicht vorgesehene Orte fahren zu müssen. Das war hier der Fall, denn Hull-Rotterdam war im in Frage kommenden Zeitraum ausverkauft. Wir bekamen einen Platz von Harwich nach Rotterdam und mussten dazu halt nach dem Besuch von Edinburgh ein Stück weiter nach Süden fahren.

Wer in Edinburgh eine günstige Bleibe sucht, sollte sich das Studentenwohnheim Beaverbank Place anschauen: Es handelt sich um Studentenappartements, die in vorlesungsfreien Zeiten und leer stehend als Fremdenzimmer vergeben werden. Einfach und günstig für Edinburgh mit guter Busverbindung. Über Edinburgh lässt sich nur sagen, dass es sich um eine wunderschöne Stadt handelt. Sie ist allemal einen Besuch wert und bietet enorm viel. Alleine im Edinburgh Castle lassen sich Tage verbringen und ich denke, man findet genug Infos im Internet.

Es gibt auch Strecken ohne Destillerien ... ;-))Die vorgesehene Airshow in Duxford im Imperial War Museum ist ausverkauft, wie sich nun herausstellt. Schade, das wäre noch ein Ziel gewesen, um großvolumige Propellerflieger zu sehen. Nun geht es aber trotzdem nach Süden: Schottland ade!

Durch die Hügellandschaften kommen wir fast bis nach Hull. Am Besten mitten durch und zur Navigationshilfe den kürzesten Weg über kurze Distanzen routen. Das führt über Wege, die man sonst weder von selber fahren, noch finden würde. Ein dickes Wohnmobil ist aber nicht empfohlen, da die max. Durchfahrtsbreite schon mal 2,20 Meter sein kann, bzw. "weak Bridges" auf 3,5 to begrenzt sein können. Dann stehen aber schon vorher Schilder da: "Unsuitable vor HGV" wobei ein HGV ein "Heavy Goods Vehicle" ist, ein LKW also. Das steht auch bei vielen Byways: Die Straßen sind meist single tracks und oft fährt man regelrecht durch einen grünen Kanal, weil die Hecken auf beiden Seiten so hoch sind. Das begrenzt die Aussicht, hat aber oft einen ganz eigenen Charme.

London

Da wir noch einen Blick nach London werfen wollten (wenn man schon in der Nähe ist), buchten wir uns einen Campingplatz in Edmonton, also noch knapp außerhalb der LEZ im Norden von London. Die LEZ ist die "Low Emission Zone" von London.

Wir verbrachten einen ganzen Tag in London, in das wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Edmonton aus hinein fuhren. Im Sightseeing Bus wurden wir zwei Stunden durch London kutschiert. Selber laufen geht bei mir ja nicht mehr so gut. Wenn man große Städte sowieso am liebsten umgeht, dann ist das eine brauchbare Lösung. Geballte Infos bekommt man am besten im Bus auf so einer Rundfahrt. Schottisches Geld von der Bank of Scotland funktioniert nicht in London: Von Manx Pound (Isle of Man) wusste ich das, aber dass auch die Schotten eigene Pounds haben, wusste ich nicht. Man schaut wohl etwas überrascht aus der Wäsche, wenn der Händler sagt, dass Pounds von der Bank of Scotland nicht genommen werden ...

Masse Mensch soweit das Auge reicht ..? ... und was ist hier los ..? Geballte Infos am besten im Bus ...

Der Brexit ist wohl nicht das größte Problem der Briten: Überwachungskameras entdeckt man überall. Wir sind vollständig überwacht ... aus welchem Grund auch immer. Da fühlt man sich doch gleich sicherer ..?

Diese Stadt atmet Geschichte. Sie atmet aber auch eine unglaubliche Dekadenz ...

  •  Obdachlose mit Schlafsäcken in Parks mitten in der City
  •  Glaspaläste des großen Geldes
  •  Jugendliche mit Goldzähnen
  •  Royal, royal, royal ... aristokratisches Getue überall
  •  Der Buckingham Garten ist eingemauert mit Stacheldraht auf der Mauer. Man schützt sich vor den Briten?
  •  Blaulicht und Autoalarmanlagen permanent ...

Die Tour geht natürlich auch am (königlichen, was sonst) Justizpalast vorbei, wobei ich unwillkürlich an Julian Assange denken musste: Wie lange ist er jetzt schon in dieser prächtigen Stadt seiner Freiheit beraubt und wofür ..? Nach Schottland ist das ein echtes Kontrastprogramm. Sie zeigt wie so oft, dass die Politik der Staaten mit den Menschen nichts zu tun hat. Der Prunk und der Protz in London mit verfallenden Dörfern in Schottland auch nicht ...

Resümee

London und der ganze urbane Raum rund herum ist für mich gegessen und wäre ich kein seelenloser Technokrat, dann hätte mir dieses Erlebnis Schottland wohl auch noch verleidet ..?

Schottland ist jedoch eine wunderbare Gegend, in die man auch gerne ein zweites Mal fahren möchte, weil dort sogar die Städte anders sind ... einfach menschlicher. Wales und weite Gebiete im Westen und im Süden der Insel warten auch noch. Bis bald mal ...

Zum Schluss noch eine weitere kleine Auffälligkeit ... ohne es Leidenschaft nennen zu wollen. Ein Ratespiel: Welche hatte wohl ein Freizeichen ..?

Telefonzelle ..? Telefonzelle ..? Telefonzelle ..? Telefonzelle ..?
Telefonzelle ..? Telefonzelle ..? Telefonzelle ..? Telefonzelle ..? Telefonzelle ..?
Telefonzelle ..? Telefonzelle ..? Telefonzelle ..?

© 2023 Sigi Heider


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Sigi Heider finden sich in unserer Autorenübersicht