Wenn es Herbst wird in Ungarn ...
Wir verlassen Harkany. Ein Einkauf direkt hinter dem Tor des Campingplatzes und ein Halt auf der Straße aktiviert den Parkplatzwächter dort: Nachdem er festgestellt hat, dass man nicht wirklich parken will, erzählt er, dass er einige finnische Brocken beherrscht - und in der Tat, Finnisch scheint der Sprache heute morgen ähnlicher zu sein als das Ungarische selbst. Welch ein "Segen", diese vielsprachige EU - manchmal und nicht nur heute wünschte man sich wirklich, in George W.s einsprachigem Land zu sein, das von Küste zu Küste reicht ...
Während wir nun erstmals bei dieser Reise wieder gen Norden aufbrechen, werden Erinnerungen an die Vortage wach: In Harkany war eigentlich das Essen übel gewesen, in der Bäckerei war niemand, als man da was kaufen wollte, die Kuchenteilchen dort waren die selben vom Vortag, in der Hotelküche schwappte Gulaschgeruch, der gekaufte Speck musste weggeworfen werden - Ungarn, wo bist du hingekommen mit deinen berühmten Speckschweinen? Dafür echt mieser Kekoporto und blutrünstige Mücken: Bei 12°C statt 9°C werden die Viecher besonders fit, Erinnerungen an das "echte" Finnland werden wach ...
Wir sind nur 5 km von der kroatischen Grenze entfernt: Doch keine genussreiche Küche lockte hier, man fand eher nur Kartoffeln in der Suppe vor, alles andere schien frittiert und lag in unansehnlichen Brocken auf dem Teller. Das Frittierfett müssen die Türken wohl einst nach dem Krieg zurück gelassen haben und heute wird versucht, damit den vermeintlichen oder tatsächlichen "Geiz-ist-Geil"-Tourigeschmack zu treffen - ein Trauerspiel. Kleinbusse mit Rentnern sammeln sich vor dem Thermalbad, jeder der davon Eilenden versucht noch den Vordermann beim Run auf das Thermalbad zu überrunden, das wohl den Tag retten wird ...
Wir wollen endlich weiter: Bei Ortsschildern finden wir alte deutsche Namen dazu geschrieben - neben dem ungarischen ist ein unmissverständliches deutsches "Auf Wiedersehen" zu sehen.
Beobachtungen im Straßenverkehr: Es wird überall gefahren, wie wir es schon oft in Europa angetroffen haben - Raserei ohne Sinn und Verstand, eine Höchstgeschwindigkeitsregelung in Orten, die zwar auf überall auf gut sichtbaren Schildern angemahnt wird, dennoch aber zumeist unbekannt zu sein scheint. Wer nur 60 km/Std in der Ortschaft fährt, wird auf schnurgerader Straße gnadenlos überholt - will man hier deutlich machen, dass die in diesem unseren Europa (mit wenigen Ausnahmen) üblichen geringsten IQs im Straßenverkehr jederzeit noch leicht unterboten werden können?
Wir sehen sogar hintereinander geschaltete Kreisverkehre, in einem Fall als Übungsgelände von einer Fahrschule genutzt. Eines jedoch wird man hierzulande sicher so schnell nicht abschaffen können: Wir bemerken nach jeder langen schnurgeraden Strecke, auf die eine Kurve folgt, in genau dieser jede Menge Kreuze am Straßenrand - glückliches Ungarn, dass du so viele problemlose Geradeausstrecken hast, die man fast bis zum Horizont einsehen kann ..!
Eigentlich hatte es ein Donau Tag an der Weinstraße Ungarns werden sollen - aber es kommt immer anders als man denkt! Wir passieren Szekszard in Richtung Norden (auf Karte rechts klicken), unser Ziel das Fadd-Dombori Camping auf der Westseite der Donau - nur 100 Meter entfernt von der 10 Kilometer langen Dombori-Donau. Doch wieder mal zeigt sich, dass Planung eben oft nur die Ablösung des Zufalls durch den Irrtum ist: Der Besitzer des Platzes teilt uns mit, dass nur noch das Hotel geöffnet ist, aber es gäbe wohl noch einen Platz bei Fokto, das Duna Camping, auf der anderen, der östlichen Seite der Donau.
Nötig hierfür: Die Fähre nach Fajsz auf die andere Seite, doch der gewaltige Fluss erweist sich wieder mal als unüberwindbar. Nach Erreichen des Riesenfähranlegers zeigt sich recht schnell, dass auch hier nichts mehr geht, die Fähre sei kaputt, wird uns mitgeteilt. Es wird nicht das einzige Mal bleiben, dass uns die Folgen des diesjährigen Donauhochwassers einholen ...
Wir fahren weiter und erreichen nördlich noch eine alternative Fähre bei Gerjen, bei der mit einem Boot eine Plattform für wenige Fahrzeuge über den Strom bugsiert wird. Heute stellen wir hier das einzige Fahrzeug, lediglich zwei kostümierte einheimische Damen begleiten uns über den Fluss, auf dessen gegenüberliegendem Ufer prächtige Donaudampfer vom vollen touristischen Leben künden - die brauchen halt keine Fähren, die sind schon an Bord, die Passagiere und lassen es sich vermutlich gutgehen ...
Wir verlassen unsere sehr individuelle Fähre und erleben direkt am anderen Ufer die nächste Enttäuschung: Auch unser Alternate, das Duna Camping bei Fokto scheint schon seit langem verlassen und zeigt sich nur als zerstörtes und überwuchertes Feld am Donauufer - hier in dieser Gegend werden wir wohl offensichtlich nirgendwo campen ...
Nun gilt es schnell zu entscheiden: Bevor man hier in dieser gottverlassenen Donaugegend irgendwo die Nacht verbringen muss, heißt es weiter fahren, sehr viel weiter als ursprünglich geplant.
Und wir fahren weiter nach Norden, immer auf der östlichen Seite der Donau, bis zu einem Ort nahe Dunapataja, wo bei Szeliditopart ein weiterer Campingplatz sein soll. Wir erreichen diesen Platz auch, aber heute scheinen sich alle Donaugeister gegen uns verschworen zu haben: Der ganze Ort wirkt wie eine kleine Geisterstadt, und auch eines muss kaum erwähnt werden: Natürlich ist alles verriegelt und verrammelt. Und das ist hierzulande durchaus ernst gemeint: Dicke Ketten sperren einen verlassenen Platz wie diesen gegen Eindringlinge ab, niemand soll hier außerhalb der Saison Zuflucht finden.
Wir rufen einige der an den Fenstern sichtbaren Telefonnummern an, doch niemand hebt auf der anderen Seite ab - eine wahrhaftige Geisterstadt!
Es ist Zeit zu flüchten, bevor die Dämmerung hereinbricht: Das nächste Ziel ist die weiter nördlich gelegene Stadt Dunaföldvár, direkt an der Donau gelegen und eigentlich groß genug, um noch einen Campingplatz in Betrieb zu haben - aber wer weiß das heute Abend schon genau ..?
Endlich haben wir Glück: Man glaubt es kaum, aber der Campingplatz direkt am Donauufer ist noch zugänglich, als einzige Camper stehen wir in der Dämmerung am Rande des Ortes und der Campingplatzbetreiber erscheint noch kurz darauf, um zu kassieren. Dass es auf diesem Platz in jeder Toilettenkabine nur noch 3 Blatt Klopapier gibt und dass das Wasser bereits abgedreht ist, erwähnt er natürlich nicht - und wir werden es auch erst am nächsten Morgen erfahren ...
Den Abend verbringen wir an der Donau - die Dorfjugend scheint den Weg vor dem Campingplatz als lohnenswertes Ziel am Abend einzuschätzen, ständig wird bis zum Platz vorgefahren und dort gewendet - der eine oder die andere bleibt dann auch einmal im Auto davor im Dunkeln stehen und man ist sehr beschäftigt - die Donauatmosphäre regt halt den einen eher an und den anderen (manchmal) auf. Im flackernden Schein unserer Lampen sitzen wir noch vor dem Explorer, bei uns zu Gast die abendlich hochaktiven Donaumücken ...
Der nächste Morgen entschädigt dann für manches: Bei bestem Wetter stehen wir in landschaftlich angenehmer Umgebung - vor uns auf der Donau "ziehen" die gewaltigen Schubeinheiten mit ihren Lastkähnen vorbei - so kann man es aushalten!
© 2007 Explorer Magazin
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