Die "englische Zicke" wandert aus: Zweiter Teil ...
Der erste Aufenthalt in der Türkei dieses Jahr geht zu Ende. Ich muss noch einmal nach Deutschland, um die "letzten Sachen" zu regeln und Abschied von meiner Arbeitsstelle und den Kollegen zu nehmen. Auch der Abschied von meiner Familie steht an. Aber der Reihe nach ..!
Die Türkei am 15. Juli 2016: Zwei Tage vor meiner Abreise. Mitten in der Nacht weckt mich meine Freundin auf und sagt, dass es einen Putschversuch gegen Erdogan gegeben habe. Ich denke, die spinnt! Aber dann höre ich in den Straßen von Alanya heftiges Autohupen. Von den Minaretten wird der Bevölkerung mitgeteilt, sie solle Ruhe bewahren. Bis zum Morgen hat sich alles wieder beruhigt. Beim Einkauf in der Stadt ist dieser Putschversuch natürlich Thema Nummer eins, aber sonst ist nichts zu merken ...
Am 17. Juli will ich wieder zurück nach Deutschland. Morgens um acht geht’s los: Ich fahre über Antalya, Isparta, Baliksehir in Richtung Lapseki. Hier will ich mit der Fähre auf den europäischen Kontinent nach Gelibolu übersetzen.
Abends gegen 19:00 Uhr bin ich an der Fähre: Eine über 1 km lange Schlange wartet. Aber es gibt keine andere Möglichkeit, die Meeresenge zu passieren. Also stelle ich mich an und stelle die Zicke ab. Als sich die Schlange in Bewegung setzt, will ich wieder starten, aber die Zicke rührt sich nicht: Keinen Ton gibt sie von sich, das Miststück!
Ich muss die Zicke samt Anhänger anschieben: Da die Straße etwas abschüssig ist, klappt das auch. Jetzt wird die Zicke nicht mehr abgestellt. Nach einer Stunde bin ich auf der Fähre, und nun muss ich sie abstellen: Hoffentlich springt sie wieder an!
Als die Fähre anlandet, bete ich zu allen Göttern die ich kenne, "Lasst sie bitte wieder anspringen!!!". Meine Gebete werden erhört, sie springt an und ich kann die Fähre verlassen. Jetzt noch knapp 100 Kilometer bis zur griechischen Grenze. Um 22:30 Uhr bin ich schließlich am Grenzübergang bei Ipsala: Die türkische Passkontrolle dauert fünf Minuten, die Zollkontrolle trotz Anhänger auch nicht länger, dann bin ich in Griechenland.
Die griechischen Kontrollen sind auch nach 10 Minuten erledigt: Ich bin erleichtert. In Griechenland gibt es kurz hinter der Grenze nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten, deshalb muss ich noch einige Kilometer machen, um einen Schlafplatz zu suchen. Um 02:30 Uhr finde ich endlich einen, um 07:00 Uhr geht’s bereits weiter. Noch ca. 600 Kilometer bis zur Fähre in Igoumenitsa ...
Montag Nachmittag gegen 15:00 Uhr bin ich da und checke ein: Um 01:00 Uhr am nächsten Morgen soll mich die Fähre in Richtung Italien/Ancona bringen. Aber sie hat zwei Stunden Verspätung. Also kommen wir erst gegen drei Uhr weg. Nach 15 Stunden verlasse ich schließlich die Fähre in Ancona und fahre in Richtung Deutschland. Jetzt noch 1.500 km, die mache ich doch mit Links ..!
Nach einer Übernachtung kurz vor dem Brenner mache ich mich auf den Weg weiter nach Österreich und Deutschland. Beim ersten Stopp will die Zicke nicht mehr anspringen. Dieses verdammte Mistvieh! Warum lässt sie mich an den unmöglichsten Stellen im Stich?? Dann - nach ein paar Minuten - hat sie plötzlich wieder Lust und fährt froh und munter weiter, als wäre nichts passiert. Genau das gleiche beim nächsten Tankstopp: An der Tanksäule zickt sie wieder rum. Aber nach einiger Zeit geht’s weiter. Gut, denke ich, diese Flausen treibe ich dir schon aus. Jetzt stelle ich den Motor nicht mehr ab, er läuft auch beim nächsten Tankstopp weiter. Bei Würzburg stehe ich ungefähr 1,5 Stunden im Stau, kurz hinter Wiesbaden wieder Stau, dann noch eine Vollsperrung auf der A3, kurz vor Bonn. Jetzt reicht’s! Um 20:30 Uhr bin ich endlich wieder in meiner Wohnung ...
In den nächsten Tagen muss ich einige Sachen klären, beantragen, regeln. Ich habe vor, Ende August wieder in Richtung Türkei zu fahren. Aber die erste Aktion ist, der Zicke die Macken abzugewöhnen. Ich spreche mit einem Bekannten vom Bosch Dienst: Er schaut kurz in den Motorraum auf den Anlasser, kriecht dann in den Fußraum auf der Fahrerseite und findet eine Kabelverbindung, die sich fast gelöst hat. Einer der Vorbesitzer hat hier ziemlichen Murks eingebaut: Die Kabelenden abisoliert, einfach zusammen gedrillt und ein bisschen Isolierband darum. Dass diese Verbindung auf Dauer nicht hält und vielleicht auch einen Kabelbrand verursachen kann, müsste jedem klar sein. Aber nach dem Zusammenlöten und Isolieren funktioniert schließlich alles so, wie es soll ...
Nach vier Wochen habe ich alles was ich brauche: Die Wohnung ist leergeräumt, das Auto und der Anhänger sind gepackt. Ich verabschiede mich bei meinem Arbeitgeber, Kollegen, Familie, Freunden usw. Und los geht’s wieder ..!
Wie schon beim ersten Mal 1.500 km bis Ancona/Italien, dann mit der Fähre nach Igoumenitsa/Griechenland. Der Grund, warum ich diese Route nehme, ist einfach zu erklären: Auf der Balkanroute hätte ich mindestens an drei Grenzübergängen Kontrollen (Ungarn, Serbien, Bulgarien). Um diese zu umgehen, habe ich die andere Route gewählt, da es dort nur eine einzige Kontrolle gibt, und zwar die an der griechisch/türkischen Grenze.
Es sind noch fast 700 km bis zur türkischen Grenze. Und hier wird es wie beim ersten Mal wieder spannend. Aber ich bin überrascht: Die Grenzer sind wieder sehr freundlich und nett. Die Kontrolle ist nach 30 Minuten erledigt, und schon bin ich auf türkischem Hoheitsgebiet. Aber auch hier werde ich immer wieder freundlich gegrüßt, man fragt nach dem Woher und Wohin. Wie schon einige Male vorher steuere ich den Campingplatz bei Troia an: Hier noch kurz ein Bierchen, dann ab in die Koje. Für heute waren es 900 km, das reicht ...
Am nächsten Morgen weiter Richtung Izmir, Aydin, Denizli, Antalya und dann endlich Alanya. Gegen 21:00 Uhr am Abend bin ich da: Abgekämpft, müde und hungrig.
Aber immerhin: Die türkische Bergziege hat durchgehalten! Ohne rumzuzicken hat sie die 3.500 km in knapp drei Tagen gemacht. Ich hoffe, dass ich sie jetzt soweit habe, dass sie endlich kapiert, wie gut sie es bei mir hat.
Das Getriebe muss in der nächsten Zeit mal überholt werden, beim Wechsel vom ersten in den zweiten Gang kracht es schon mal, Ölverbrauch nicht messbar, der Stellmotor der Zentralverriegelung der Hecktür schwächelt, die Hupe tut nicht und die SRS Lampe leuchtet dauerhaft, die Warnblinkanlage schaltet sich beim Überfahren von Bodenwellen schon mal ein, aber sonst ist alles im grünen Bereich ...
© 2016 Ludwig Hauhoff (Hauy)