5.Tag: Immenstaad - Jestetten (110 km)
Wieder ist es extrem heiß. Trotzdem will ich die vertrödelten Kilometer vom Allgäu wieder aufholen. Mit einem Affentempo fahre ich nach Meersburg, von dort weiter nach Überlingen. Hier genehmige ich mir erstmal ein Eis und kaufe einige Ansichtskarten. Vorher habe ich in Immenstaad schon mal in der Redaktion angerufen und mir von dem Unfall in Newcastle erzählen lassen. Weiter gehts mit "wahnsinniger Geschwindigkeit" nach Sipplingen, Ludwigshafen und weiter Richtung Radolfzell.
Auf dem Weg dorthin kaufe ich mir 2 kg Zwetschgen, die ich während der Fahrt esse und so die Mittagspause spare. In Radolfzell ist das nächste Eis fällig. Danach werden Funkgerät und Antenne abgebaut, da mein nächstes Ziel Stein am Rhein schon in der Schweiz liegt. Die 80 Kanal Stabo xh9082 DTMF hat aber eine rein deutsche Zulassung, so daß ich mich schon mit der Mitnahme ins Ausland strafbar mache. Aber kein normaler Zöllner wird wohl bei einem Radfahrer ein Funkgerät vermuten.
Den Aufwand hätte ich mir sparen können, denn die Grenze wird nur durch Schilder angezeigt und weit und breit ist kein Zöllner in Sicht. Von Stein aus geht es weiter Richtung Gaillingen. Zwar ist der Rhein nicht zu sehen, dafür führt der Weg aber durch eine sonst sehr schöne Landschaft. Mitten im Wald informiert mich ein Schild darüber, daß ich jetzt wieder in (Good???) old Germany bin.
Von Gaillingen weiter nach Schaffhausen - wieder in die Schweiz. Der Rheinfall ist ein Muss auch für den eiligen Touri und wird gnadenlos auch von mir besichtigt.
Im kleinen Nest Jestetten gibt es laut Karte einen Campingplatz. Nach einigem Fragen und Suchen werde ich auch fündig. Der Platz ist mit einem Freibad kombiniert, außer mir sind nur noch einige Dauercamper auf dem Platz - endlich mal nachts Ruhe! Ich baue mein Zelt auf und melde mich danach an. Am Kiosk bekomme ich gerade noch ein Käsesandwich und ein Eis. Das ist schnell verspeist und danach setze ich mich mit dem Inhaber des Kiosks und einer anderen Angestellten auf die Terrasse, um bei einem Bier noch etwas zu schwätzen, wie er es ausdrückt. Leider gibt es noch eine kleine Sprachbarriere zwischen uns. Während ich in Hochdeutsch rede (glaube ich jedenfalls!), schwätzt er im Dialekt. Außerdem erfahre ich noch, daß jemand, der Reval raucht wie ich, auch kleine Kinder frißt - vielleicht sollte ich mal meine Marke wechseln! (Anmerkung der Chefredaktion: Aufhören wäre besser!)
Kurze Zeit später gesellt sich auch noch eine Frau, die ebenfalls im Kiosk arbeitet, zu uns. Die hatte heute anscheinend ihren ersten Tag und will genau wissen, wie sie sich denn so macht. Wenig später kommt auch noch ihr Mann mit Sohn vorbei, wieder mal entwickelt sich ein interessantes Gespräch. Leicht benebelt vom Bier räume ich mein Zelt ein. Da ein Käsesandwich doch nicht gerade reichlich ist, mache ich mir im Zelt noch eine Dose Erbsen warm - das sollte bis morgen reichen!
6.Tag: Jestetten - Lörrach (109 km)
Nachdem ich mich bei den netten Leuten vom Platz verabschiedet habe, starte ich Richtung Rafz. Ein guter Weg führt mich bis Hohentengen, wo ich erstmal einkaufen gehe. Der Kassierer wünscht mir einen guten Appetit - mehr als 10 Müsli-Riegel gibt es aber trotzdem nicht zu Mittag!
Gelegentlich macht sich das rechte Knie unangenehm bemerkbar. Ich hoffe, daß das bald wieder vorbeigeht, denn sonst müßte ich meine schöne Tour abbrechen. Teils durch Auenwälder, teils auf dem Radweg entlang einer Bundesstraße, fahre ich weiter den Rhein abwärts. Plötzlich führt der Radweg durch einen Tunnel - so ein übler, bei dem man sein Rad durch eine Schiene herunterschieben muß und dann wieder auf der anderen Seite herauf. Für den Vollidioten, der diesen Tunnel geplant hat, oder denjenigen, der beschlossen hat, die Radfahrer auf einer Hauptroute hier durchzuschicken, ist mein Gürtelmesser, der "Puma White Hunter II", schon geschliffen! Oder er sollte zur Strafe allen Radlern, die hier durch müssen, das Rad runter und wieder rauf schieben. Nach oben schaffe ich es nämlich auf Anhieb nicht mehr, erst als ich den Packsack und das Zelt runterschmeiße, geht es gerade so.
Am Nachmittag erreiche ich Waldshut, später Bad Säckingen. Die Wege lassen zwischenzeitlich zu wünschen übrig. Mal geht es einen Berg hoch, dann wieder über Schlaglochpisten. Zwischendurch geht´s dann auch mal durch Fußgängerzonen. In Bad Säckingen fahre ich versehentlich über eine alte Holzbrücke in die Schweiz. Ein Geschäft verkündet, daß es hier orginal Schweizer Schokolade und Getränke der Coca Cola Gruppe gibt. Nach dieser Aufforderung kaufe ich eine Tafel Schokolade, ein Eis und eine Flasche Eistee.
Weiter nach Schwörstadt: nachdem mein Knie zwischenzeitlich Ruhe gegeben hat, fängt es jetzt wieder an zu schmerzen. In einer Bäckerei genehmige ich mir eine Quarktasche und einen weiteren Eiskaffee. Das haben auch die Wespen mitbekommen, die gierig über mich herfallen. Ich attackiere die "Scheißviecher" mit Zigarettenrauch, was auch etwas hilft (Anmerkung der Chefredaktion: Raucher sind eben echt ätzend!).
Um den Weg etwas abzukürzen, fahre ich nun nicht mehr den Rhein weiter entlang, sondern kürze über Lörrach ab. Wenn ich stehend trete, tut das Knie gar nicht mehr weh und bei den zahlreichen Bergen ist dies oft der Fall. Irgendwie komme ich noch Schopfheim - wie weiß ich nicht. Ich fahre mit dem Kompass als Navigationshilfe immer nach Westen aus dem Städtchen heraus, zum Glück finde ich auch bald einen Radweg nach Lörrach. Bei einem Straßenstand schiebe ich mir noch einen Döner rein und fahre weiter.
Die Zeit bis zur Dunkelheit wird auch langsam knapp. In Lörrach finde ich nach kurzem Herumirren den Campingplatz und baue kurz bevor es ganz dunkel wird mein Zelt auf. Neben mir hat ein Motorradfahrerpärchen sein Zelt aufgeschlagen, die kommen auch aus München und haben die Strecke an einem Tag hinter sich gebracht.
Duschen ist im Preis enthalten, hat der Mann bei der Anmeldung gesagt. Wasser kommt pro Knopfdruck ca. 15 Sekunden - auch eine Art Wasser zu sparen, die aber die Nerven stark strapaziert.
Morgen will ich Offenburg erreichen. Das wäre dann die längste Etappe auf der ganzen Tour. Bisher zumindest.
7.Tag: Lörrach - Offenburg (168 km)
Pünktlich um 9.00 Uhr starte ich von meinem Campingplatz. Die vermeindliche Abkürzung stellt sich dann doch nicht als solche heraus. Ich verpasse nämlich den Abzweig und lande kurze Zeit später doch in Basel. Wieder ist kurzes Herumirren angesagt, ich finde die Grenze und fahre wenig später auf den Rheintalradweg. Ich komme auf den Wegen, die mit einer "wassergebundenen Decke" befestigt sind, gut voran. Mit meist über 20 km/h rattere ich Kilometer für Kilometer ab. Leider ist mein Film schon seit dem Rheinfall voll, so daß es nun keine Bilder mehr gibt.
Der Rhein selber ist aber sowieso nicht so schön, durch die Kanalisierung gibt es nur noch wenige Nebengräben, die noch wirklich Leben und eine reiche Artenvielfalt vorweisen können. Sehr schön sind aber die Auenwälder, durch die mein Weg gelegentlich führt. Als es gegen 11.30 Uhr zu regnen beginnt, suche ich mir eine Bank unter einem großen Baum und koche mir diesmal den "Deftigen Erbsentopf." Dieses Fertiggericht sieht auf der Packung immer sehr schmackhaft aus, wirkt aber im Topf eher wie halb anverdaut und danach wieder hochgekommen. Außerdem braucht das Zeug auch noch 20 Minuten, bis es fertig ist - letztendlich schmeckt es aber doch nicht so widerlich wie es aussieht (Anmerkung der Chefredaktion: Bei diesen dauernden Essens-Schilderungen kommt uns langsam das Würgen! ).
Der Regen hat sich auf ein erträgliches Maß reduziert. Gegen 15.00 Uhr erreiche ich Breisach, dort kaufe ich mir einen Hefezopf, um die inzwischen entstandene Lücke im Magen zu füllen. Dann rufe ich schon mal vorsichtshalber in Offenburg an, um mich bei den Freunden, bei denen ich die Nacht verbringen will, anzumelden. Übernachten wird kein Problem, sie haben aber alle kaum Zeit. Das wäre geregelt und beschäftigen werde ich mich schon selber.
Bei Sasbach fahre ich vom Rhein weg, denn auch laut Karte folgt der Rheintalradweg nun nicht mehr direkt dem Rhein. Über viele kleine Dörfer erreiche ich Rust, wo ich neben dem Europapark ein Telefonhäuschen finde. Wieder mal rufe ich in der Redaktion an - dort ist man über meinen Anruf sehr erfreut und wünscht mir weiter eine gute Fahrt (Anmerkung der Chefredaktion: Hauptsache, er ist noch ne Weile unterwegs! ).
In Grafenhausen kaufe ich mir ein Flasche Wasser ("Vittel weckt Vitalität"), das Zeug schmeckt wie Leitungswasser. Jan Ulrich scheint aber gerne Leitungswasser zu trinken, denn er macht schließlich Werbung dafür. Über Schwanau erreiche ich Meißenheim. Dort verliere ich die Beschilderung und verfahre mich hoffnungslos. Irgendwann finde ich die Beschilderung dann wieder, der Spaß hat mich eine halbe Stunde gekostet.
Langsam kommt mir die Landschaft wieder bekannt vor. Hier habe ich schließlich die ersten sieben Jahre meines Lebens verbracht und war auch zwischendurch immer wieder für ein paar Tage hier. Morgen werde ich mich auf mein Rad setzen und mir mal anschauen, wie sich alles verändert hat. Leider wird es allmählich dunkel. In einem Dorf namens Hesselhurst hängen überall selbstgemachte Plakate herum. Anscheinend soll hier ein Gefängnis gebaut werden, die Leute scheinen aber etwas dagegen zu haben. Mittlerweile ist es dunkle Nacht. Ich kenne mich aber sowieso wieder aus - an einer Ecke erinnere ich mich: hier wurde ich früher immer zum Milchholen hingeschickt!
Vorbei an meinem früheren Wohnhaus fahre ich die letzten Meter bis zu den Freunden von damals. Dort werde ich freudig empfangen, zur Zeit ist nur einer der drei Söhne da, die Eltern sind im Urlaub. Nachdem ich geduscht habe, schmeiße ich erstmal meine Wäsche in die Maschine, in der Küche wartet schon ein Topf Nudeln auf mich. Nach dem Essen höre ich mir noch die deutschsprachige Sendung von RAE Buenos Aires an, danach falle ich halbtot ins Bett.
8.Tag: Pause in Offenburg (11 km)
Wie gewünscht werde ich am Morgen um 10.00 Uhr von meinem Gastgeber geweckt. Nach einem reichlichen Frühstück wird der Drahtesel durchgecheckt. Die Kette wird frisch geölt und ein paar Schrauben nachgezogen.
Bei der anschließenden Entdeckungsfahrt hat das Rad ohne das ganze Gepäck eine viel schlechtere Straßenlage. Dafür lässt es sich jetzt spielend leicht treten. Ich fahre durch ein paar Orte, die ich noch von früher kenne. Es hat sich im großen und ganzen kaum etwas verändert, schon 2 Stunden später bin ich wieder zurück.
Ich krame sämtliche Karten heraus und schaue mir die Strecke an, die mich morgen erwartet. Dann werde ich schon wieder müde und wache erst zum Abendessen auf. Es wird gegessen, etwas Radio gehört, dann schon wieder geschlafen - anscheinend habe ich einiges nachzuholen!
© Text/Bilder 1998 Karsten Franke