Rotweine, wir kommen ..!

Ausgiebige Frühstücke sind auf jeder Weinreise Pflicht, denn wenn man nicht nur "spucken" will, sollte man für die Verkostungen am Vormittag gut vorbereitet sein ...

Heute gibt es weniger Prickelndes, ab heute stehen Rotweine im Zentrum der Verkostung!

Unser erstes Ziel des Tages ist Celler de Capçanes, der sich im gleichnamigen kleinen Ort befindet, der nur über knapp 400 Einwohner verfügt. Bei Celler de Capçanes handelt es sich um eine Winzergenossenschaft der Region Montsant. Es werden Weiß-, Rosé- und Rotweine produziert. Die Spezialität sind aber koschere Weine. In den 90er Jahren begann man für die jüdische Gemeinde in Barcelona koschere Weine zu produzieren. Eine der wichtigen Regeln dabei ist, dass keine "Götzendiener"- so werden die Andersgläubigen genannt - mit dem Wein in Berührung kommen dürfen. Die Weine werden deshalb "ferngesteuert" produziert. Die Profis von Capçanes erläutern den jüdischen Weinmachern jeden Arbeitsschritt, überwachen die Arbeit und geben Hinweise. Eingreifen dürfen sie nicht. Die vom Rabbi zertifizierten Weine werden dann in einem abgesperrten Bereich der Kellerei gelagert, zu dem nur Juden Zutritt haben.

Die Böden im Montsant und die verschiedenen Weine ... Abgesperrter Keller für koscheren Wein, aber es gibt auch offene Bereiche ...
Was wurde hier verkostet?

Da die Weinberge der Genossenschaft über derart unterschiedliche Böden verfügen und man überwiegend Garnacha anbaut, gibt es hier eine Weinserie, die nach dem Boden & Garnacha benannt ist.

Also Sand & Garnacha, Kalkboden & Garnacha, Schiefer & Garnacha usw. Jede Flasche eingewickelt in bedrucktes Seidenpapier mit Informationen zum Boden. Und tatsächlich merkt man bei der Verkostung, wie unterschiedlich gleich produzierte Weine einer Rebsorte aus einem Jahrgang schmecken können, nur weil der Boden variiert!

Natürlich gibt es auch koscheren Wein und man muss feststellen, auch das ferngesteuerte Winzern funktioniert!

Heute Abend gibt es keinen Restaurantbesuch, denn Gerhild selbst kocht auf! Deshalb muss noch allerlei eingekauft werden und in den winzigen Dörfern sind keine Parkplätze für Großeinkäufer vorgesehen. Also stehen wir vor dem Metzger, es ist einspurig und rings um uns herum rangiert jeder, der durch diesen Ort will: Das ist nur etwas für stahlharte Autofahrernerven, über die Gerhild ja wie bekannt ausreichend verfügt. Zum Glück sind alle anderen Autofahrer aber gut gelaunt und sehr geduldig - vielleicht liegt es ja am Wein ..?

Anstregende Arbeit, bis der Wein in den Amphoren ist ... Was wurde hier verkostet?

Rechtzeitig treffen wir bei Gratavinum ein, einer kleinen Bio-Kellerei nahe Gratallops - Priorat. Die Winzerfamilie Cusiné produziert neben Wein auch ein unglaublich mildes Olivenöl. Nach dem Rundgang durch den Keller, wo die aktuelle Ernte gerade verarbeitet wird, lassen wir uns im engen, aber urgemütlichen Verkostungsraum nieder. Man merkt beim Önologen Jordi Fernandez, der uns durch die Kellerei führt, mit wie viel Herzblut der Wein gekeltert wird. Neben Stahltanks wird hier auch experimentiert mit Amphorenweinen.

Es ist nicht mehr weit zum Hotel Trossos, das wir ganz allein für uns haben. In der großen Wohnküche stehen in allerlei Körben regionale Lebensmittel, die Gerhild für den Kochabend schon im voraus bestellt hat. Auch für ausreichend Weinbegleitung der Kellerei Trossos del Priorat ist gesorgt.

Obwohl das Hotel auf den ersten Blick von außen eher an einen Betonbunker erinnert, hat man es doch geschafft, mit Holz und Glas eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen. Selbst der Regen kann dem Zauber nichts anhaben. In das Hotel integriert ist eine Kellerei und durch die großen Scheiben kann man sehen, wie hier Wein entsteht ...

Vor unserer kleinen Terrasse - ganz stilecht mit Weinfass und Paletten - stehen Weinstöcke mit reifen süßen Garnacha-Trauben: Für Nachtisch ist also ausreichend gesorgt!

Trotz Regen, das Hotel ist wunderschön ... Gerhild zaubert für uns ein Dinner ...
Terrasse mit autemberaubendem Blick ... Was wurde hier verkostet?

Im Gemeinschaftsraum lodert der Kamin, im Backofen brutzelt das Lamm, auf dem Herd köcheln herrliche Gemüse, Tapas stehen bereit - ein stimmungsvoller Abend beginnt. Kurz lässt sogar der Regen nach für Landschaftsfotos in traumhaftem Licht. Danach regnet es wieder stark weiter, aber wen interessiert das heute Abend ..?

Da Essen ist hervorragend (warum gehen wir abends überhaupt in Restaurants?), die Nacht wird lang bei all der Fachsimpelei über Spanien, den Wein und das Essen. Da uns das Hotel alleine gehört, müssen wir auch keine Rücksicht nehmen auf andere Gäste - so sollte es häufiger sein ..!


© 2021 Sixta Zerlauth