Artà: Widerspenstig und liebenswert ...
Zur Eingewöhnung reisen wir bereits drei Tage vor dem offiziellen Weinreisebeginn an, das hat sich schon bei der Tour Sud-Ouest 2016 und auch 2017 an der Loire bewährt (Bericht folgt).
Frühlingshaftes Wetter erwartet uns, erstes Ziel ist die mittelalterliche Stadt Artà, mit dem gebuchten Kleinwagen sicher kein Problem.
Die Überraschung bei der Autovermietung lässt nicht lange auf sich warten: Statt des Kleinwagens mit Schaltung gibt es einen 3er BMW mit Automatik und allerlei SchiSchi, ganz ohne Aufpreis. Bereits der Start hat es in sich, auch der Angestellte der Autovermietung benötigt einige Versuche, bis der Motor endlich gehorchen will ...
Zügig erreichen wir Artà, unser Hotel Ca’n Moragues liegt inmitten der engen Altstadtgassen - mit einigem Gekurbel und dank unseres Navis findet der BMW seinen Weg durch die zahllosen Einbahnstraßen dorthin. Parken ist nur auf dem 200 m entfernten öffentlichen Parkplatz möglich. Irgendwie sind wir heute froh, dass uns die Autovermietung nicht ein noch größeres Auto (z.B. einen "American Pickup") zur Verfügung gestellt hat ...
Ca’n Moragues ist ein renoviertes altes mallorquinisches Herrenhaus mit viel Flair, das gemütlich und stilvoll eingerichtet ist. Auch wenn die Anfahrt durch den Ort etwas anstrengend war, entschädigt das Hotel und seine Lage: In nur wenigen Minuten Fußweg kann man alles Wichtige und Sehenswerte im Ort erreichen.
Über dem Ort thront die Burg Almudaina d’Artà, die aus der maurischen Zeit (10. - 13. Jhdt.) stammt. Das gilt auch für den Namen der Stadt, der auf arabisch "Garten" bedeutet. Nach der Rückeroberung wurde die Moschee in die Wallfahrtskirche Santuari de Sant Salvador umgebaut.
Viel ist nicht mehr erhalten, aber die Burgmauern mit ihren 9 Türmen geben einen guten Eindruck von ihrer Wehrhaftigkeit. Ringsum hat man einen weiten Blick ins Land und auf die Stadt.
Auf 180 Stufen kommt man vorbei an der Kirche Transfiguració del Senyor hinab in den Ort ...
Bei der Fahrt durch die engen Gassen haben wir deren Besonderheiten nicht wirklich beachten können: Da sind zum einen die Parkverbotsschilder an den Garagenausfahrten, alle sind hier durchnummeriert. Dann die Parkverbote, die 6 Monate im Jahr die rechte Seite und 6 Monate die linke Straßenseite betreffen. Wir vermuten, man will den Bewohnern einfach die Chance geben, wenigstens ein halbes Jahr lang keine parkenden Fahrzeuge direkt vor der Tür zu haben. Dann nutzt man in Artà noch kleine Nischen für Stromtankstellen - selbstverständlich gefördert durch EU-Gelder, wie man an der Tankstelle lesen kann ...
Ein besonderes Rätsel gibt aber das Einbahnstraßenschild auf, mit dem Zusatz "ausgenommen LKWs". Die Straßen sind extrem eng, was macht man, wenn ausgerechnet dort ein LKW entgegenkommt? Rückwärts in der Einbahnstraße zurückfahren? Ist das erlaubt? Oder muss etwa der LKW zurück? Fragen über Fragen und wir sind froh, nie in eine solche Situation gekommen zu sein ...
Abends geht es zur Fußgängerzone, denn dort befinden sich jede Menge guter Restaurants. Wir stolpern über das Cà'n Sión: Da wird doch allen Ernstes Wein vom saarländischen Weingut Othegraven angeboten, das Günther Jauch gehört. Man hat die Wahl: "Günther Jauch weiß" oder "Günther Jauch rot" ... Sofort bleiben deutsche Touristen am Schild stehen und diskutieren, wie toll das doch ist - Mensch, Wein vom Jauch - und das hier!
Wir wenden uns mit Grusel ab, nichts gegen Herrn Jauchs Wein, aber muss man so was auf Malle anbieten oder hier gar trinken? Irgendwie geht das in die Richtung Bierkönig: deutsches Bier, Schnitzel, Würstl, Sauerkraut - und jetzt deutscher Wein dazu!
Ganz scheint der Marketinggag allerdings nicht zu funktionieren, denn an allen drei Abenden bleibt das Restaurant leer ...
Wir kommen am Bahnhof vorbei: Ja, Artà war in den Jahren 1921 - 1977 mit der Bahn erreichbar. Dann wurde der Zugbetrieb eingestellt, die Gleise entfernt und die Trasse nach Manacor dient nun als Fahradweg. Geblieben sind der Bahnhof und der Bahnsteig.
Es ist 18:00 Uhr, wir sind schon lange unterwegs, haben den ganzen Tag nichts gegessen und die regionalen Restaurants öffnen erst ab 19:30 Uhr. So verschlägt es uns zu einem Italiener (die kochen rund um die Uhr). Aber immerhin trinken wir schon mal Wein von hier: Butibalausi, Jahrgang 2014, Biowein, eine Cuvée aus Callet, Ull de Llebre (Tempranillo) und Syrah. Und schon schmecken wir, mit den Weinen von vor 10 Jahren hat das nichts mehr zu tun, unsere Skepsis schwindet, eine schöne Vorbereitung für die Weinreise!
Und ganz bestimmt: Morgen gibt es zu regionalem Wein auch noch regionale Küche ...
© 2018 Sixta Zerlauth