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Eine Reise in den Norden, oder:
Vier Versuche, zum Nordkapp zu kommen ...


Versuche, Versuche ...

Seit 1996 unternahm ich genau diese Anzahl Versuche, zum Nordkapp zu kommen: Nun stellt sich die berechtigte Frage, was denn daran so schwer sein kann? Und warum ist das überhaupt ein Ziel? Da fährt man hin (oder auch nicht) und gut ist es. Das stimmt grundsätzlich, aber so einfach ist das nicht, wenn die Lofoten auf dem Weg liegen. Diese Inselkette vor Norwegens Küste ist ein Bremsklotz, mit dem man rechnen muss ...

Ein nicht hinterfragtes Ziel ist das Nordkapp, wenn man Motorradfahrer ist: Aus irgendeinem Grunde muss man dann einfach da gewesen sein und fertig. So war das eigentlich auch bei mir. Ich wusste von vielen Bekannten, die schon da waren, dass es sowieso fast immer im Nebel liegt und man gar nichts sieht. Die ganze Aktion hat also etwas von "Der Weg ist das Ziel". Zudem ist es auch nicht das wirkliche Nordkapp, denn man sieht vom Globus (der Markierung am Nordkapp) aus, dass weiter im Westen ein Landzipfel ist, der noch einen Hauch weiter nach Norden reicht. (Anm. der Red.: Erschwerend kommt hinzu, dass es sich dabei auch noch um eine Insel handelt. Das wahre "Festland-Nordkapp" ist somit eigentlich das Nordkinn! )

Egal! Wie sagte Tscharlies Oma aus "Münchner G´schichten": "A jeder Mann muas amol in Sacramento g´wesen sei." Der Spruch trifft irgendwie auch in Bezug auf das Nordkapp zu: A jeder Mann muas amol am Nordkapp g`wesen sei ...

A jeder Mann muas amol am Nordkapp g`wesen sei ...Der erste Versuch startete also schon 1996: Mit Freunden machte ich eine Motorradreise, die bei Narvik ein jähes Ende durch einen Motorschaden fand. Was war also zu tun? Den Rücktransport des Motorrades besorgte ein Automobilclub. Nun galt es ein paar Tage zu überbrücken und die nutzten wir für einen Besuch auf den Lofoten von Narvik aus, beim Kumpel hinten drauf.

Damit war der erste Versuch zum Nordkapp gescheitert, aber auch der Grundstein gelegt für weitere Versuche und gleichzeitig deren weiteres Scheitern programmiert … dieses eine Mal in die Lofoten "hinein" zu schnuppern hat gereicht: An diese Norwegenreise erinnere ich mich heute noch gerne, auch wenn sie nicht wirklich zum Ziel führte.

2004 der nächste Versuch: Wieder mit dem Motorrad. Diesmal setzten wir gleich von Bodø auf die Lofoten über, in der Hoffnung, dann von Andenes aus weiter nach Tromsö und in den Norden zu kommen. Ist schließlich egal, ob man auf dem Festland fährt, oder die Inselkette hinauf nach Norden, oder?

Baden im Nordatlantik am Strand von Ramberg hat was … sehr erfrischend! Aber so eine Rundreise über die Lofoten und Vesterålen zieht sich … und so mussten wir schon wieder aus zeitlichen Gründen zusehen, dass wir zurück Richtung Süden kamen. Das Nordkapp zog wieder den Kürzeren! Das Gefühl war aber keineswegs Unzufriedenheit ob des nicht erreichten Zieles, sondern Zufriedenheit, die Lofoten und Vesterålen nun besser zu kennen ...

Der dritte Versuch dann 2016 im Auto mit dem Land Rover: Ok, den Versuch kann man nicht so ganz 100% ernstnehmen, denn zeitlich wäre er so oder so ambitioniert gewesen. Aber auch hier blieb das Nordkapp unbesucht, weil auf dem Weg zu viel Zeit vertrödelt wurde. Die Lofoten und Vesterålen waren wieder einfach zu schön!

Man sucht mit einem Auto doch noch einmal ganz andere Plätze zum Übernachten als mit dem Motorrad. Mit einem Zelt ist man doch mehr auf einen passenden Untergrund angewiesen. Insofern ist es mit dem Offroader natürlich komfortabler, ohne auf die tollen Übernachtungsplätze verzichten zu müssen. Das Alter fordert ebenfalls seinen Tribut, aber alt zu werden ist sowieso nix für Feiglinge. Ich wusste bis dahin nicht, dass bei Bleik auf den Vesterålen der längste Sandstrand Norwegens liegt und dass es dort einen tollen Übernachtungsplatz gibt, von dem aus man die ganze Szenerie überblicken kann. Zudem findet sich kurz vor Andenes das Andøya Space Center: Ein richtiger Raketenstartplatz mit der dazugehörigen Forschungseinrichtung zur Erforschung des Nordlichtes. Wer in Norwegen irgend etwas mit Raumfahrt studieren will, landet hier. Es werden unregelmäßig Starts durchgeführt, aber leider gibt es keinen Startplan, an dem man sich orientieren könnte, um ihn zu beobachten. Ein Tipp für Hochschulangehörige und Studierende: Hier gibt es ein Eduroam - das richtig schnelle WiFi im weltweiten Universitätsnetzwerk!

Zufriedenheit, die Lofoten und Vesterålen besser zu kennen ... Vier Versuche ... Dritter Versuch mit Land Rover ...

Was macht diese Inselchen eigentlich so toll? Die beste Beschreibung, die mir bislang einfiel, erklärt es so: Stell dir etwas rundgelutschtere Alpen vor … bei denen in den Tälern das Meer schwappt und kleine Ortschaften mit roten und gelben Häuschen malerisch an den Ufern liegen. Ich glaube, dieses Bild trifft es ganz gut. Bei schönem Wetter mit den Wolken- und Nebelfetzen zwischen den Gipfeln ist das völlig umwerfend. Die Lofoten sind tatsächlich ein Gebirge auf dem Meeresgrund, dessen Gipfel aus dem Meer schauen. Alles gemischt mit weißen Sandstränden und tropischen Farben. Besonders eindrücklich wird das im nordischen Frühling, wenn die Wiesen satt grün und mit gelben Blüten überzogen sind. Vielleicht liegt es am Einstrahlwinkel der Sonne so weit im Norden, dass die Farben satter erscheinen. Das Grün ist einfach grüner, das Blau blauer und das Gelb gelber. So manchen Anblick könnte man deshalb als "vergnügungssteuerpflichtig" beschreiben ...

Dazu kommt als ganz wesentlicher Faktor die lange Helligkeit: Wenn man um die Sommersonnenwende in den Norden fährt, kommt man nördlich des Polarkreises in den Bereich, wo die Sonne nicht untergeht. Die langen Tage pushen den Organismus richtig. Es gibt einem schier endlose Energie, die sich natürlich auch auswirkt. Es ist völlig normal, dass sich der Tagesrhythmus verschiebt. Bereits bei der ersten Reise sind wir manchmal erst Nachmittags gegen 15:00 Uhr aufgebrochen und fuhren dann bis 24:00 Uhr "nachts". Man merkt dann an der Natur, dass gegen 22:00 Uhr langsam alles noch ruhiger wird. Der Verkehr ist eh dünn. Eine Schlafbrille kann für einige wegen der Helligkeit nicht schaden. Andererseits machte es einem auch klar, warum im Winter genau das Gegenteil der Fall ist und warum Winterdepression zur skandinavischen Einstellung zu Alkohol führt.

Lofoten noch näher ... Vergnügungssteuerpflichtiger Anblick ...

Bestimmt führt auch die Mückenthematik zum Alkohol: Das lässt sich doch nur im Suff ertragen, oder? Weil die Skandinavier aber früh lernen, damit umzugehen, tut es das aber nicht. In der Tat kann man das lernen und dann fallen nur noch unbedarfte Touristen den blutrünstigsten Raubtieren Skandinaviens zum Opfer.

Was sollte man lernen?

  • Plätze mit hohem Gras und Buschwerk meiden. Da sitzen SIE nämlich. Darum ist in Skandinavien gerne englischer Rasen rund um das Haus, auch (oder gerade wenn) es allein im Wald steht und gar kein Nachbar zu beeindrucken ist. Die Skandinavier erscheinen darum als ein Volk von Rasenmähern … sind sie aber nicht wirklich ...
  • Windige Plätze suchen, der Wind hält SIE fern ( Anm. der Red.: siehe u.a. hier!)
  • Sonnige Plätze suchen, SIE mögen Schatten.
  • Findet man die ersten drei Punkte nicht, dann chemische Antiterrormittel vor Ort kaufen. Sie beizen zwar den Lack von Metallteilen, aber sie helfen.
  • Netzhauben und dünne Baumwollhandschuhe verwenden für seltene extreme Orte ...

Auf die Knöchel achten, sie sind eine wenig beachtete Schwachstelle! Die Viecher stechen durch die Socken. Abhilfe schafft Antiterrorspray außen auf die Socken gesprüht. Kriebelmücken sind häufig, aber viel zu klein, als dass man ihnen Böses zutrauen würde. Sie sind so klein, dass sie sogar durch so manches Fliegennetz passen und werden dann zum Ärgernis. Alles in allem kann man sagen, dass Mücken ein deutlich kleineres Problem werden, wenn man all das beherzigt ...


© 2021 Sigi Heider