Sa 15.08.98: Langstrecke über Stirling, Carlisle bis Hexham
Die 30m-Schlange am Himmel über Loch Tay hat den Bauern so beeindruckt, dass er an diesem Morgen nur zum Goodbye-Winken mit seinem geliebten Pickup bei uns vorbeigefahren kommt. Die Verabschiedung ist kurz, aber herzlich - er muss sofort weiter zum Stadtfest im nahegelegenen Killin, das wir leider nicht mehr besuchen können.
Was heute folgt, die ewig lange Rückfahrt nach England, ist nun nicht mehr länger aufzuschieben. Das nächste Ziel ist bereits ein Campground im bequemen Abstand zu Newcastle upon Tyne - der "heiß ersehnte Ort" soll morgen früh nach nur kurzer Fahrt erreicht werden.
In der Tat zieht sich die Strecke entlang der A84 nach Süden. Noch geht´s durch Schottland, wo wir bald Stirling erreichen. Oberhalb vom Ort prangt unübersehbar in einiger Entfernung das National Wallace Monument: "Meet Scotland´s National Hero"! Wer erinnert sich nicht an das Leinwand-Epos "Braveheart" mit Mel Gibson - er besiegt als Sir William Wallace hier die Engländer, später wird er jedoch verraten und in London gevierteilt - ein beeindruckender Film mit viel Landschaft, zeitgenössischen Bildern und 5 Oscars. Gerade wenn es um diese Gegend geht, wird im Film allerdings ein irisches Castle verwendet, nämlich das von Trim - mehr davon aber in unserem Beitrag Irland 99!
Auf dem Weg nach Süden passieren wir die gewaltigste Autobahnbaustelle, die wir je gesehen haben, es muss sich hier um eine der größten Europas handeln. Endlose Kilometer lang wird hier mit unzähligen Gerätschaften gebuddelt und planiert - es erfolgt ein sogenanntes "Upgrading" zu einem M-Motorway, das offensichtlich einen bestehenden Verkehrsengpass zwischen England und Schottland beseitigen soll.
Vorbei geht es an Glasgow, weiter auf der M74 Richtung Lockerbie und Gretna Green in Richtung Carlisle - nur noch übliche Autobahn-Raserei zum Ausklang, angereichert durch "Spezialitäten" wie einen Kreisverkehr auf der Autobahn und einen Parkplatz ohne Beschleunigungsspur. Da vorne einer steht, wird der Explorer bis zum Ende zurückgesetzt und es erfolgt ein "Katapultstart" 10 cm am Außenspiegel des anderen vorbei in eine winzige Lücke auf der linken Motorway-Spur ... echt erholsam!
Von Carlisle aus folgen wir in östlicher Richtung entlang der A69 einer englischen "Gürtellinie". Ewig parallel zum Hadrians Wall geht es nahezu vom äußersten Westen zum äußersten Osten der Insel, quer durch Northumbria, das sich zu Recht "Hadrians Wall Country" nennt.
Auf der Hinfahrt hatten wir nicht die Nerven, wie man weiß, Hadrians Wall zu suchen. Nachdem wir nun aber durch eine wirklich wunderschöne Landschaft kilometerlang parallel zu ihm fahren, der einst die Schotten von England abhalten sollte, wollen wir uns den Wall jetzt aber doch anschauen. Wir nehmen einen Stau auf der A69 zum Anlass, einen kleinen Abstecher zu diesem Touristenziel zu machen (N54°59.47´ W002°36.08´).
Wir fahren weiter. Wir stoßen vor bis kurz vor Newcastle, praktisch in "Sichtweite" wollen wir nächtigen - ein Tag durch die Kreisverkehre sollte morgen reichen. Leider eine Fehlkalkulation: Kein Campground weit und breit zu finden, auch Anwohner wissen angeblich nichts, obwohl der Platz offiziell verzeichnet ist!
Die Sucherei in der Umgebung von Ovington bleibt erfolglos, durch engste Sträßchen geht es (wieder mit Passing Places!) voran. Beim Suchen in der Nähe von Ovingham stehen wir urplötzlich vor einer sehr engen, einspurigen Brücke. Vor jeder Seite stehen wartende Pkws, wir reihen uns ein, die Breite sollte eigentlich gerade reichen.
Als unser Fahrzeug auf die Brücke rollt, ist der Schock groß. Offensichtlich war das Augenmaß etwas zu genau - die Metallschienen am Brückenrand haben offensichtlich exakt den Abstand unserer Spurweite! Fluchend geht es im Schrittempo voran - die Reifen sind eingeklemmt, Lenkbewegungen nicht mehr möglich, quietschend reiben die Flanken an den Schienen vorbei - man spürt den Abrieb geradezu bis ins Cockpit.
Atemlos scheinen die Fahrer der wartenden Pkws unsere Fahrt zu verfolgen - wahrscheinlich ist dort nur vom "crazy German" die Rede. Irgend wann kommen wir herunter von dieser verdammten Brücke, der fluchende Fahrer tanzt wie Rumpelstilzchen, als er die Beschädigung am rechten Vorderreifen und den starken Abrieb an den übrigen Reifen untersucht - die miese Vorahnung vom ersten Tag an scheint sich langsam zu bestätigen!
Eigentlich wollten wir so gegen 15:00 Uhr heute ein letztes Mal unter der Plane sitzen - weit gefehlt! Immer noch wütend geht es erneut auf die E18, diesmal wieder in die Gegenrichtung, weg von Newcastle, da wir wenigstens in Hexham einen Campground finden wollen, dem nächsten größeren Ort westlich der Newcastle-Vororte.
Auch Hexham kommt nicht ohne mehrere direkt hintereinandergeschachtelte Kreisel aus, zum Glück treffen wir am vermeintlichen Ort des Campgrounds eine freundliche Einheimische. Die bestätigt uns zwar, dass der Platz direkt in der Nähe, aber leider nicht direkt zu erreichen ist. Sie fährt vor uns her, wie ein hier so beliebtes "Convoy vehicle", durch diverse Kreisverkehre zurück, bis wir nach einer verwirrenden Fahrt nur ein paar hundert Meter Luftlinie von unserem letzten Halt den Campground erreichen. "Schnauze voll" ist wieder mal der vorsichtigste Ausdruck, als wir endlich wieder auf einem "echten" Campingstellplatz zwischen unseren Nachbarn zur rechten und zur linken eingereiht und ausgerichtet sind - nur der Wohnwagen fehlt uns zu unserem Campingglück!
Der Abend dient der Beruhigung - die zahlreichen Pubs von Hexham und die trotz kühlen Abends "rückenfrei" herumlaufenden Ortsschönheiten, bei deren Anblick man sich mit dickem Isländer-Pullover bekleidet deutlich "overdressed" fühlt, sorgen für Abwechslung. Der Pubbesuch zieht sich hin, an der Bar umgeben von vielen schrillen Gestalten kommt bald das Gefühl auf, dass man jetzt morgen auch Newcastle noch schaffen wird ...
So/Mo 16.08. - 17.08.98: Über Newcastle upon Tyne zurück nach Hamburg
Der Sonntagmorgen auf dem Campground von Hexham erlebt uns bei der Bastelstunde. Die Top-Box muss wieder runter und jede Schraube widersetzt sich natürlich so gut sie kann. Leider ist es diesmal nicht so wie auf der Fähre zurück von Oslo, wo man einfach aufs LKW-Deck gewunken wurde und die Box nicht entfernen musste, obwohl keine Höhe von 2,70m oder mehr gebucht war. Auf dieser Fähre wird es sehr genau zugehen und die maximale Höhe von 2,45m mit Sicherheit exakt eingehalten.
Zum x-ten Mal fahren wir auf die A69, die hier auch E18 heißt, diesmal wieder Richtung Newcastle. Am heutigen Sonntagvormittag rechnen wir in Anbetracht unseres Kreisverkehr-Trainingsstandes und des hoffentlich ruhigeren Verkehrs mit nicht all zu viel Stress. Doch weit gefehlt!
Kaum hat uns Newcastle upon Tyne wieder, setzt auch der geballte Wahnsinn schlechter Beschilderung und hohen Verkehrsaufkommens wieder ein. Und auch in der Gegenrichtung gilt: jeder Punkt der Karte ist ein "Roundabout"!
Und wenig später, noch auf der westlichen Seite von Newcastle, passiert es dann. Offensichtlich war die Brücke von Ovingham am Vortag doch noch nicht genug und die unguten Vorahnungen mehr als berechtigt ...
Im Kreisverkehr "Kenton Bar", einem mittelgroßen Roundabout, kracht uns von hinten rechts ein Taxifahrer rein, als wir im Schleichtempo die äußere Spur lang fahren. Der Knall beim Aufprall ist beachtlich, doch noch lauter ist das "Schei..."-Gebrüll im eigenen Cockpit: Der Berichterstatter kann es einfach nicht glauben, dass es ihn doch noch erwischt hat - und das auf dem Rückweg zur Fähre, am letzten Tag - wenige Stunden vor der Abfahrt!
Wie sich nach dem Aussteigen zeigt, stammt das Krachen von der linken Vorderfront des VW Sharan-Taxis, der Pickup hat nichts abgekriegt. Nur unsere hintere rechte Felge zeigt Kratzspuren vom Aufprall - so einen Sharan kann man nur weiter empfehlen!
Schnell verlassen die Fahrgäste unseres "Unfallgegners" sein Fahrzeug, als einige Zeit später ein anderes Taxi eintrifft. Zeugen finden sich deshalb keine, auch als der Taxifahrer einige Personen in der Nähe des Roundabouts anspricht - Monate später wird sich nichtsdestotrotz aber dennoch ein geheimnisvoller Zeuge melden, wie wir heute wissen!
Was folgt, muss hier nicht näher geschildert werden. Drei Polizeifahrzeuge, nachdenkliche Gesichter, Belehrungen über "Spurdisziplin", Adressenaustausch - unsere Unfallschilderung wird später alles enthalten - so ärgerlich wie der Unfall auch der unnötige Aufwand!
Viel später als geplant, aber dennoch rechtzeitig erreichen wir die Fähre, die diesmal "Prince of Scandinavia" heißt. Wir sind jetzt mehr als erleichtert, dass nun die Rückfahrt ansteht und man endlich wieder in der Warteschlange eingereiht ist - trotz Kriegszustand auf britischen Straßen!
Wie sich herausstellt, ist diesmal kaum Platz über dem Dach der Kabine unter Deck, das Rangieren wird an einer Stelle zur Nervensache, als auch das Deckspersonal aufgrund herabhängender Teile bedenklich schaut und Richtungsänderungen einwinkt.
Es folgt eine nur mäßig erfreuliche Rückfahrt - wen wundert es, dass der Berichterstatter den Ruinen von Newcastle bei der Ausfahrt einen bestimmten "Finger" zeigt?
Ein mieses Frühstück am nächsten Morgen rundet die Fahrt ab, ohne Restaurantbesuch geht auf dieser Fähre gar nichts. Nicht mal Eier sind in unserem Frühstücksraum zu bekommen - ein "Meckerzettel" wird ausgefüllt, aber ob´s was nützt??!
Zum ersten Mal seit langer Zeit ist es eine Rückkehr, die fast positive Gefühle auslöst. Nicht nur, dass der Rechtsverkehr auf der Stelle wieder vertraut ist, nein, selbst Hamburg und sein Verkehr wirkt geradezu sympathisch und erholsam - merkwürdiger Effekt!
Auch die Rückfahrt über deutsche Autobahnen erscheint diesmal nicht annähernd so übel wie nach anderen Exkursionen - eine Ahnung keimt auf, wie erholsam der Trip gewesen sein muss!
Was in den nächsten Tagen nach allem bleiben wird, ist ein zum Teil schaler Nachgeschmack. Trotz vieler landschaftlicher Super-Eindrücke aus Schottland werden wir sicherlich weitere Trips dorthin solange zurückstellen, bis mal eine Fähre bis vor die "Haustür" fährt. Den englischen Ort Newcastle upon Tyne brauchen wir jedenfalls so schnell nicht wieder, zumindest nicht ohne ein 8x8-Spezialfahrzeug - oder sollte es besser eines mit Ketten sein ... ?
© Text/Bilder 1998-2002 J. de Haas