Was man nicht haben muss (1) -

Britische Kreisverkehre zum Ersten, oder: Der Wahnsinn hat Methode ...


Reiseziele, wo man nicht gewesen sein muss: Kenton Bar, Newcastle upon Tyne

Hier hat der Wahnsinn Methode: Jeder Punkt ein Kreisverkehr ...

Es geschieht während unserer Reise Schottland 98: Am Tag unserer Abfahrt mit der Fähre in Newcastle upon Tyne sehen wir uns am Sonntag Vormittag erneut mit dem geballten Wahnsinn schlechter Beschilderung und hohen Verkehrsaufkommens konfrontiert.

In unserer Karte erweist sich jeder Punkt in Richtung Schiff als "Roundabout" - als eine solche Ausgeburt britischer Verkehrsplanung also, die deutlich sichtbar überfordert und überaltert aus besseren Zeiten dieses "Empire" stammt und heute noch den Kontinentaleuropäer das Gruseln lehren kann ...

Im Kreisverkehr "Kenton Bar", einem sogenannten mittelgroßen Roundabout, kracht uns von hinten rechts ein Taxifahrer rein, als wir im Schleichtempo die äußere Spur lang fahren. Der Knall beim Aufprall ist beachtlich, doch noch lauter ist das "Schei..."-Gebrüll im eigenen Cockpit: Es ist einfach kaum zu glauben, dass es uns doch noch erwischt hat - und das auf dem Rückweg zur Fähre, am letzten Tag - wenige Stunden vor der Abfahrt!

Wie sich nach dem Aussteigen zeigt, stammt das Krachen von der linken Vorderfront des VW Sharan-Taxis, das Redaktionsfahrzeug hat nichts abgekriegt. Nur unsere hintere rechte Felge zeigt Kratzspuren vom Aufprall ...

Schnell verlassen die Fahrgäste unseres "Unfallgegners" sein Fahrzeug, als einige Zeit später ein anderes Taxi eintrifft. Zeugen finden sich deshalb keine, auch als der Taxifahrer einige Personen in der Nähe des Roundabouts anspricht - Monate später wird sich nichtsdestotrotz aber dennoch ein geheimnisvoller Zeuge melden, wie wir heute wissen!

Was nun folgt, verdient nähere Beachtung: Drei Polizeifahrzeuge, nachdenkliche Gesichter, Belehrungen über "Spurdisziplin", Adressenaustausch - unsere Unfallschilderung wird später alles enthalten - so ärgerlich wie der Unfall auch der unnötige Aufwand ...


Verkehrsunfall in Newcastle upon Tyne, Sonntag 16.08.98 10.45 am
 Nissan/Explorer ./. Taxi, Stellungnahme zum Unfallhergang

Beschreibung Unfallhergang

Gegen 10:45 Uhr am Sonntag, den 16. August 1998, wurden wir in einen Verkehrsunfall in einem Kreisverkehr (sog. "mittlere Größe") in Newcastle upon Tyne verwickelt.

Ein Taxi (VW Sharan) des Unternehmens Hackney Carriages (Kennzeichen ...), das von hinten kam, rammte den hinteren rechten Reifen unseres Fahrzeugs (Nissan Pickup mit Explorer-Wohnkabine) mit seiner vorderen linken Seite (siehe Bild).

An dieser Stelle gaben wir vorschriftsmäßig kein Blinkzeichen nach links, da wir der äußeren Spur des Kreisverkehrs weiter folgen wollten (von der Einfahrt b nach Ausfahrt d).

Unfall im Roundabout ...

Bild: Unfallhergang

Unser Fahrzeug wurde bei dem Vorgang nicht beschädigt, lediglich ein Kratzer an der hinteren rechten Felge markiert den Auftreffpunkt des Unfallgegners. Das Taxi wurde demgegenüber an seiner linken Vorderseite erheblich beschädigt - die Polizei wies den Fahrer darauf  hin, dass er so nicht mehr abfahren dürfe.

Ein Taxi darf nicht mehr weiterfahren ...

Der Unfallhergang wurde dargestellt vom Taxifahrer sowie den Insassen des Nissan Pickups. Weitere Zeugen des Unfallhergangs sind nicht vorhanden.

Einer der herbeigerufenen Verkehrspolizisten (insgesamt 3 Polizeifahrzeuge, einer der Beamten als "Expert" zuständig) äußerte folgende bemerkenswerte Einschätzungen:

  • Verfahrensweisen nicht verstanden ..? Sofern ein Fahrzeug auf der äußeren Spur eines Kreisverkehrs unterwegs ist, muss es den Kreisverkehr an der nächsten Ausfahrt verlassen.
  • Der Fahrer des Pickups (Deutscher Tourist, der Unterzeichner) ist der Unfallverursacher.
  • Dieser Fahrer hat die Verfahrensweisen eines Kreisverkehrs nicht verstanden.
  • Dieser Fahrer hat gegen die "Spur-Disziplin" verstoßen.
  • Hinweise auf die Tatsache des von hinten kommenden anderen Fahrzeugs sind als "Einwendungen" (im Sinne von Streiten) anzusehen.
  • Dass das andere Fahrzeug von hinten hinein fuhr, beweist lediglich, dass der Pickup offensichtlich in der falschen Spur fuhr.

Stellungnahme zum Unfallhergang sowie den polizeilichen Äußerungen

Unsere eigene Analyse der Verkehrsregeln in Kreisverkehren (entsprechend der Veröffentlichung "The Highway Code" vom Department of Transport) führt dagegen zu folgenden Ergebnissen:

  • Ein Fahrzeug, das die äußere Spur benutzt, ist NICHT gezwungen, den Kreisverkehr an der nächsten Ausfahrt zu verlassen (Attachement 1, Nummer 124.), sofern es geradeaus will. Aus diesem Grund kann auch niemand grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Kreisverkehr von einem Fahrzeug in der äußeren Spur an der nächsten Ausfahrt verlassen wird.
  • Lediglich wenn der Kreisverkehr rechts verlassen werden soll, muss eine Einordnung in der rechten Einfahrspur des Kreisverkehrs erfolgen sowie die rechte (bzw. innere) Spur des Kreisverkehrs benutzt werden (Attachement 1, Nummer 124.).
  • Der Taxifahrer hielt keinen ausreichenden Sicherheitsabstand ("plenty of room", Attachement 1, Nummer 127.)
  • Der Taxifahrer war weitaus zu schnell, beachtete nicht ausreichend den anderen Verkehr und zeigte auch kein Verständnis für ein langsam vor ihm fahrendes größeres Fahrzeug.
  • In einem britischen Kreisverkehr, genau wie an jedem anderen Platz in Europa auch, besteht kein Recht, ungebremst in ein vorausfahrendes Fahrzeug hinein zu fahren.

Ergebnis

Es mag zwar bequem sein, Touristen die Schuld an einem derartigen, typischen Kreisverkehrs-Unfall zuzuweisen, jedoch weigern wir uns entschieden, die Ergebnisse und erfolgten Feststellungen dieser Unfallaufnahme zu akzeptieren. Eine entsprechende Stellungnahme leiten wir unserer Versicherung zu.

Weitere Stellungnahme (nicht zu diesem spezifischen Unfall)

  • Dass Fahrzeuge nicht berechtigt sind, die äußere Spur eines Kreisverkehrs für einen Vollkreis zu nutzen (was bei uns nicht erfolgte), weicht von europäischen Standards ab und macht den britischen Kreisverkehr (gemeinsam mit anderen Regelungen) zu einem extrem gefährlichen Verkehrssystem, das auf die Erzeugung von Verkehrsunfällen anstatt auf ihre Verhinderung hin programmiert zu sein scheint. 

Radfahrer plattmachen?Dass demgegenüber jedoch Radfahrer zu einem derartigen Vollkreis in der äußeren Spur berechtigt sind, falls sie sich sicherer fühlen wollen (!!) (Attachement 1, Nummer 200.), macht diese Regelung zusätzlich unverständlicher, verwirrender und gefährlicher (was wäre wohl aus einem Radfahrer in unserer Situation geworden?).

  • Newcastle upon Tyne ist die erste Stadt, die Touristen vom Kontinent befahren MÜSSEN (aber wirklich nicht unbedingt wollen!), da die Fähre leider hier endet. Obwohl die meisten dieser Touristen nach Schottland und nicht nach England wollen, werden sie gezwungen, sich ihren Weg (zusätzlich zum ungewohnten Linksverkehr) durch unzählige Kaskaden komplizierter und extrem gefährlicher, veralteter, überlasteter, mehrspuriger britischer Kreisverkehre zu bahnen, die sehr häufig nur unzureichend beschildert sind.
  • Es gibt weder Hinweise auf den Fähren, was die Touristen hier erwartet, noch Hinweise auf die Verfahren in britischen Kreisverkehren, die sämtliche kontinentalen und europäischen Standards ignorieren.

Jürgen de Haas
26.08.98

Anlagen:

  • Attachement 1, Auszug aus "The Highway Code"

Kopien:

  • Versicherung
  • DFDS (Deutschland) GmbH Scandinavian Seaways, D-22767 Hamburg, Van-der-Smissen-Straße 4
  • British Tourist Authority, D-60329 Frankfurt, Taunusstraße 52-60
  • ADAC Reise, D-81361 München, Leonard Moll Bogen 1

Wie ging es weiter?