Do 06.08.98: Durch die Upper Highlands bis Tongue

Ab sofort wird´s einspurig ...Viel zu spät steigen wir am nächsten Morgen aus dem Explorer. Kaum zu glauben, aber gegen 10:00 Uhr ist bis zum Horizont nicht mal mehr der höchste Mast der gestrigen Ölplattform zu sehen, wie machen die das nur mit der Geschwindigkeit, oder war das letzte Nacht nur ein Traum?

Rund um den Cromarty Firth gehts weiter Richtung Alness auf der A9, danach wird es endlich ruhiger, als wir auf die A9176 und die A836 nach Norden fahren - aber viel weiter nördlich gehts ja auch nicht mehr in nächster Zeit!

Hinter Lairg wird es auf der A836 allerdings nun ab sofort anders: die Straße ist auf unserer Karte weiß-gelb gestrichelt; wie wir nun herausfinden, bedeutet das, dass die Verkehrsführung durch die Highlands von jetzt an überwiegend einspurig erfolgt. Na ja, kein Problem, oder?

Weit gefehlt! Kurz nach der Einfahrt in die einspurige Strecke passiert (gewohnheitsmäßig) der erste Fehler, der eigentlich genauso wie auf den Faröer-Inseln im Vorjahr abläuft, nur diesmal auf der anderen Seite: Wer kann sich auf einspuriger Strecke, gewöhnt von zu Hause an den Rechtsverkehr, schon entschließen, nicht rechts ran in die Ausweiche zu fahren, wenn denn mal eine auf dieser Seite ist? Aber genau das ist falsch und so lachen aus dem Tschechen-Bus, der uns entgegenkommt, etliche fröhlich heraus bei der Vorbeifahrt - Schande über den Explorer!?

Nun denn, wie dem auch sei, die Regeln sind eindeutig! Wenn die Ausweiche (der immer gut beschilderte "Passing Place") rechts ist, muss man halt mitten auf der Piste stehenbleiben und der andere durch die Ausweiche an einem vorbeikurven, was sonst ..!

Von da an passiert kein Fehler mehr, zu tief sitzt das Ehrgefühl und mehr als zweimal sollte man seine Fehler nicht wiederholen! Glücklicherweise gibts ja auch auf der linken Seite der einspurigen Strecken Ausweichen, und da kann man sich so richtig ausleben im Links-Ranfahren.

"Passing" will gekonnt sein ...

Aber stressig erlebt der Explorer-Fahrer die Situation schon - ist es doch nicht so, dass mal alle halbe Stunde einer entgegen kommt, sondern mindestens einer alle fünf Minuten oder so ähnlich. Aus diesem Grund beobachtet man dann die Strecke unaufhörlich, ob nicht schon hinter der nächsten Biegung einer lauert - und es kommt immer einer, so dass dann wieder die Entfernung zum geeigneten "Passing Place" abzuschätzen ist. Zu früh halten gilt nicht, macht schließlich auch kein Schotte, zu spät halten aber auch nicht, könnte als Nötigung empfunden werden. So muss dann halt eine Kompromiss-Ausweichstelle (die dritte von vorn oder so) gefunden werden, was zum Vorschießen bis zu dieser Stelle führt  (erst viel später auf der Tour bleibt man auch mal vorher stehen und guckt sich betont interessiert die Landschaft an, bis der besagte Gegenverkehr passiert hat) - alles in allem: Echt ätzend!

Die Ansicht der Umgebung und der eigentlich wunderschönen Landschaft leidet auf diese Weise beim Fahrer enorm - sind doch die Ausweichen dicht gesäht in Anbetracht des auch relativ dichten Verkehrs. Gegenverkehr alle paar Minuten, nichts für den Explorer-Fahrer, der auf dieser heutigen Fahrt bald mal wieder "die Schnauze voll" hat.

Hat man einen Beifahrer, kann sich dieser auf jeden Fall unentbehrlich machen als sogenannter "Wink-Möter" oder "Grüß-August". Bei diesem Wesen handelt es sich um eine Mischung aus "Mensch" und "Köter", den jeder kennt, der die Persiflage "Space Balls" gesehen hat und weiß, wie unschätzbar wichtig ein solches Wesen für den echten Globetrotter ist (im All oder auf der Erde), da es ihn immer versorgt und zur Stelle ist, wenn man es braucht. Hier in Schottland kann es noch ein übriges tun: Jedem Wartenden an der Ausweichstelle dafür zuwinken, dass er wartet - eigentlich eine Dauerbeschäftigung, belohnt durch die Zurückwinkenden aus dem anderen Fahrzeug ...

Begrüßungsschild: Am Kyle of Tongue ...Die knappen 80 km zwischen Lairg und der Nordküste entlang der einspurigen A836 zeigen auf beiden Seiten endlich die schöne und abwechslungsreiche Highland-Landschaft, auf die man eigentlich während der gesamten Fahrt gewartet hat - wer hier nicht nach Highlander-Art mit seinem Pferd und Schwert unterwegs ist, ist selber schuld, oder? Aber mit dem Schwertpferd ist nichts, leider kann man auch wegen der andauernden Ausweichstellen, in denen man (verständlicherweise) nicht parken sollte, auch kaum wo anhalten - ach wie verwöhnt ist man doch als Skandinavienfahrer!

Eigentlich sollte es ja vorher schon nach Osten abgehen, schien doch der Loch Naver hinter Altnaharra an der A873 einen schönen Campingplatz zu beherbergen - tat er auch, wie wir nach unzähligen Passing Places feststellten. Nur diesmal waren "Non members" nicht "welcome", sondern von vornherein ausgeschlossen - ein wunderschöner Platz am See nur für Mitglieder! Stinksauer zurückbrettern - auf normalen Straßen mag das noch angehen, aber hier ein echtes Risiko: Wenn der Explorer auf einspurigen Strecken der jetztigen Stimmung entsprechend gefahren wird, gibt es nur noch rauchende Trümmerhaufen - also Abregen ist angesagt!

Nach vielen weiteren Passing Places sind wir wieder zurück auf der vorherigen Strecke und fahren weiter nach Norden, was soll´s, Tongue am gleichnamigen Kyle wird uns hoffentlich schon freundlicher aufnehmen!

Und in der Tat, ein sehr schöner, urwüchsiger Campingplatz erwartet uns an einer der nördlichsten Buchten Schottlands - wir sind an der Nordküste angelangt! Der Platz am Kyle of Tongue (N58°28.38´ W004°25.05´) in Sichtweite der berühmten Castle-Ruine ist der echte Höhepunkt an diesem Abend.

Das Wetter ist zwar wechselhaft, aber insgesamt sehr angenehm heute abend, man kann wieder mal draußen sitzen, ganz ohne Plane. Auch Radfahrer sind hier zu finden, die ihre Wäsche genau wie unser Redaktionsmitglied auf seiner Süddeutschlandtour in der Folgewoche über dem Rad trocknen, nur manchmal gelingt das hier nicht so ganz!

Deutsche Camper am Platz wollen scheinbar mit einem Tarp-Segel den Abfluss direkt in den Zelteingang der Kinder testen - sie erzählen uns, dass sie Pech hatten mit dem Segel und es nun anders aufstellen als zuvor. Wir halten uns zurück und erwähnen nicht, dass sie Glück haben heute abend mit ihrer Konstruktion, nur das schöne Wetter bewahrt sie vor einer Familien-Wasserkatastrophe ...

Viel zu trocknen: Zelter vor malerischer Kulisse ... Idylle mit Blick auf Castle-Ruine: Am Kyle of Tongue ...

Der spätere Abend sieht uns (wieder mal) im Pub, hier in Tongue an der äußersten Nordküste kommt man sich schon irgendwie komisch vor, keine Spur von Einsamkeit trotz abgelegener Lage. Am Tresen kommen wir ins Gespräch mit einem Müllfahrer und seinem Bekannten - während der Whisky fließt, verspricht uns der Müllfahrer lachend, uns am nächsten Tag mit seinem "big yellow truck" von der einspurigen Straße zu fegen - seltsam, wie gut man hier oben wieder die Leute versteht!

Kein UKW-Empfang heute, auch kein GSM-Handy ist hier zu betreiben, wie immer jedoch funktioniert die Kurzwelle: Auf SW 6085 kann diesmal der BR1 verfolgt werden. Aber trotz dieser vorübergehenden Einschränkung und der Kassetten, die heute abend ausnahmsweise mal wieder abgespielt werden: In Anbetracht von BBC und Pubs hierzulande bedeutet Kassetten mitzunehmen nach England, die berühmten Eulen nach Athen zu tragen ...


© Text/Bilder 1998-2002 J. de Haas