Auf in die Kasematten ...

Nach einer Stunde Flug erreichen wir den kleinen, ruhigen Flughafen von Luxemburg, der etwas außerhalb der Stadt liegt. Aufgrund seiner zentralen Lage und der perfekten Anbindung an alle Metropolen Europas dient Luxemburg vielen Geschäftsreisenden aus Übersee gern als Headquarter, um von hier aus Europa aufzurollen ...

Um in die Innenstadt zu kommen, braucht man kein Taxi: Alle 10 Minuten fährt ein Shuttlebus in die City.

Unweit des Bahnhofs erwartet uns ein reines Nichtraucher-Hotel. Im gesamten Gebäude ist das Rauchen verboten und in den Zimmern gibt es Warntafeln, dass die Hoteldirektion 70 EUR für eine Reinigung kassiert, wenn man beim Rauchen erwischt wird. Als überzeugte Nichtraucher genießen wir den Rauchfreikomfort natürlich sehr ...

Es geht schon bald auf Erkundungstour: Auf dem Felsen Bock wurde 963 eine Burg erbaut und damit der Grundstein der Stadt gelegt. Um sie zu schützen, wurden gewaltige Ringmauern errichtet. Der Ausbau der Verteidigungsanlagen erreichte seinen Höhepunkt im 17. Jhdt., als die Kasematten im Fels gestaltet wurden. Mitgewirkt hat dabei der berühmte Festungsbauer Vauban, dessen Baukunst wir bereits vor einigen Jahren in der beeindruckenden Burg im französischen Belfort bewundern konnten ...

Luxemburg Airport ... Blick über die Stadt ...
Hinab in die Kasematten, hier ruhen einige ehemalige Herrscher ... Kanonen erinnern an kriegerische Zeiten ...

Der ältere Teil der Kasematten, die so genannten Petruss-Kasematten, sind bei unserem Besuch leider wegen Renovierung geschlossen. Aber den Teil, der im 18. Jhdt. unter der Herrschaft der Österreicher errichtet wurde - die Bock-Kasematten - kann man besichtigen. Die gesamte Festungsanlage bestand einst aus 3 Verteidigungsgürteln, 40 Wehrbauten und 23 km Gängen und Räumen innerhalb der Kasematten. Man kann kaum glauben, dass es schon damals ein Abbildungsverbot gab und selbst Goethe bei seinem Besuch im Jahr 1792 die Wehranlagen im Geheimen illegal zeichnete ...

1867 mussten die Festungsanlagen auf dem Bock abgerissen werden. Man wollte zunächst die Kasematten sprengen, aber aufgrund des Risikos, dass dabei die Stadt schwer beschädigt würde, reduzierte man lediglich die Gänge auf 17 km. Grund für diese Maßnahmen war der Zweite Londoner Vertrag, in dem nach dem Gerangel zwischen Frankreich und Preußen um Luxemburg dessen Neutralität festgeschrieben wurde mit der Auflage, die Befestigungsanlagen zu schleifen.

Die Kasematten wurden schließlich im Jahre 1994 zusammen mit der Altstadt von Luxemburg zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt.

Ein Spaziergang durch die Felsengänge treppauf - treppab lohnt sich, hat man doch durch die zahlreichen Schießscharten - teils mit alten Kanonen bestückt - immer wieder einen herrlichen Blick auf die Stadt. Wen wundert es da, wenn man jede Menge japanischer Touristinnen mit Selfie-Stick bewaffnet "posen" sieht ...

Von dort aus ist man in wenigen Minuten in der Altstadt und kann durch die Fußgängerzone flanieren, vorbei am eher schlichten Palast des Großherzogs und am gut bewachten Informationszentrum der EU. In einer Seitengasse finden wir einen Briefkasten, in den Zeitschriften für das Europäische Parlament und die Europäischen Kommission eingeworfen werden sollen. Beim Anblick des Briefkastens kommt man schon ins Grübeln über die EU, die Bedeutung der Presse, die Krisen und die Situation insgesamt ...

Blick hinab in den Brunnen und entlang der Kasematten Das Jazzfestival wird vorbereitet ...
Europa (1): unbewachter Palast, streng bewachtes Informationsbüro ... Europa (2): Bankpaläste und Presseprodukte für die Regierung

Durch die Gassen schallt Geklapper, Gehämmer und typischer Lärm von Schlagschraubern. Diesmal stammen die Baugeräusche allerdings nicht von den unzähligen Renovierungsbaustellen in der Stadt, bei denen man wahre Luxemburger Gerüst- und Abstützkunstwerke bewundern kann.

Der Lärm kommt vielmehr vom Aufbau der Bühnen überall in der Stadt, denn einerseits läuft ein Kinofestival, andererseits bereitet sich die Stadt auf ein großes Jazzfestival vor: die Blues'n Jazz Ralley. 230 Musiker werden auf 11 Bühnen erwartet, die auf einem Parcours von 7,5 km verteilt sind und ihr Bestes geben. An 50 Ständen können sich die Besucher stärken für die musikalische Nacht ...

Der Aperitif  wird im Octans genommen - einem Lokal, das sich auf hochprozentige Leckereien spezialisiert hat: Hier kann man auch eher seltenere Spirituosen probieren ...

Weiter geht es zum Place d'Armes, dort befinden sich zahlreiche Lokale, unter anderem das Traditionslokal L'Academie, in dem traditionelle Luxemburger Küche aufgetischt wurde und wir vor Jahrzehnten regelmäßig Stammgäste waren. Jede Kontaktaufnahme zum Reservieren eines Tisches scheiterte jedoch diesmal, nie war jemand zu erreichen. Nun stehen wir vor den Resten des Lokals und können sehen, warum wir scheitern mussten: Es wurde Ende 2014 abgerissen und nur noch Überreste vom früheren Glanz sind erkennbar ...

Unweit davon befindet sich "unser" indisches Restaurant, dass wir seit 1986 kennen, den Star of Asia. Hier kann man exzellente indische Küche genießen. Die Portionen sind reichlich, da empfiehlt es sich schon, die Vorspeisen vorsichtshalber zu teilen. Von dem freundlichen Luxemburger Kellner erfahren wir, dass die Besitzer seit unseren früheren Besuchen gewechselt haben: Seine indischen Schwiegereltern würden das Restaurant nun besitzen und betreiben. Wir können ihm bestätigen, dass die Qualität des Essens durch den Wechsel keinesfalls gelitten hat. Nicht entgehen lassen sollte man sich bei einem Besuch in diesem Lokal die Möglichkeit, indische Biere zu probieren, sie passen gut zum Essen.

Auch Nachts ist die Altstadt lebendig, überall sitzen noch Leute in den Lokalen und es ist kein Problem, auch lange nach Mitternacht noch einen Absacker und einen Kaffee zu bekommen. Da man hier nicht an Beleuchtung spart, sind die angestrahlten Gebäude und Brücken, die von der goldenen Frau überragt werden, durchaus sehens- und fotografierenswert.

Viel Renovierung = viel Gerüst Das war einmal: L'Academie ...
Velos überall ... Luxemburg bei Nacht ...

Überall in der Stadt trifft man auf Fahrradmietstationen und wir treffen auch immer wieder auf Leute, die sich mit den gemieteten Velos durch die Stadt bewegen. Das Konzept geht hier auf: 12 automatische Fahrradzähler erfassen in der Stadt die Fahrradfahrer.

Nach dem Besuch der Kasematten und Wehrmauern, die von historischen Kriegen zeugen, werden wir uns am nächsten Tag in Diekirch eher der neueren Geschichte zuwenden: Der Zweite Weltkrieg und der Koreakrieg hat hier seine Spuren hinterlassen ...


© 2015 Sixta Zerlauth