Portugal  Portugal 2022

Meeresverschmutzung: Die "Plastikkugel" ...    

Die "Plastikkugeln" ...

Vorbemerkung der Redaktion

Unschöne Erinnerungen an Baltrum ...Beim Bericht über Conimbriga, die antike Römerstadt, hatten wir bereits erwähnt, dass Autor Jürgen Sattler einst Kapitän des Tierschutzschiffes "pacifico" war. Deshalb hatte er sich auch schon früher intensiv mit dem Thema "Meeresverschmutzung" beschäftigt, so z.B. in seinem Beitrag Tod in Ihrem(?) Netz! über die Inseln Baltrum und Helgoland. 

Da er nun in Portugal ist und es auch in der Nähe von Conimbriga jede Menge Strände gibt, ist er bei der Weiterreise natürlich auch dort einmal hingefahren und hat bei dieser Gelegenheit Entdeckungen gemacht, die weder ihn noch unsere Leser sonderlich erfreuen können. Aber dazu mehr in unserem zweiten Beitrag von Jürgen in der aktuellen Ausgabe!


Ein Spaziergang am Strand des Atlantiks an der Costa de Lavos in Portugal: Es ist der 30. Dezember 2021, der Jahreswechsel steht kurz bevor. Nach meinem Aufenthalt in Conimbriga will ich noch einmal schnell ein wenig Meeresstimmung genießen. Doch dabei bleibt es nicht ...

Portugal 2022: Auf zu den Stränden!Bei Corona grassiert auch hier mittlerweile die Variante "Omikron", und so bleiben meine Vorsichtsmaßnahmen daher unverändert - wenn erforderlich Maske, Abstand und keine Menschenansammlungen. So laufe ich wieder mal allein an diesem Strand entlang. Mein Blick schweift heute nicht nur in die Ferne, sondern auch häufiger mal nach unten: Der Sand, in dem ich laufe, macht keinen so guten Gesamteindruck. Überall finden sich Plastikteile. Weggeworfen von Menschen, die hier am Strand entlang gingen oder angespült durch die fast immer ankommenden Wellen.

Es ist bekannt, dass die Meere mittlerweile schon erhebliche Verschmutzungen durch Plastik erfahren haben. Und hier treffe ich auf diese: Jetzt ist wieder meine Neugier geweckt, denn ich kenne sie! Sie beträgt nur etwa 1,5 bis 2 mm im Durchmesser: Die Plastikkugel. Mein nächstes Abenteuer beginnt, und dieses Mal völlig unerwartet ...

Der Strand an der Küste von Lavos macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Doch jetzt sehe ich einmal genauer hin: Sofort fällt auf, dass viele Plastikteile überall verstreut herumliegen. Zu viele! Die größeren Teile, wie etwa Plastikflaschen, Folien oder größere Netzteile von Fischnetzen fallen sofort ins Auge: Immer wieder sind sie auf den höher liegenden Strandabschnitten zu sehen. Dort, wo die Bequemlichkeit einiger Strandbesucher ihre Spuren hinterlassen hat.

Über den WWF erfahre ich, dass gut 75% des Mülls in den Meeren Plastikmüll ist: Das sind bis zu 12,7 Millionen Tonnen jährlich! Kunststoffe werden erst seit 1907 hergestellt. Falls sich jetzt an dieser Stelle bereits jemand erstaunt oder ungläubig zurücklehnt – dafür sollte man erst die nächsten Bilder abwarten ..!

Zivilisationsmüll wohin man blickt ... Auf Suche an der Costa de Lavos ... Reste von Plastikfolien ...
Jeder Kreis ein Plastikteilchen ... Die Verschmutzung setzt sich innerhalb des Sandes fort ...

Mich interessieren aufgrund meiner Erfahrung mit Aktionen für Mensch, Tier und Umwelt eher die kleinen Teile des Plastiks: Dieses zersetzt sich im Meer immer weiter und in immer kleinere Teile. Es löst sich jedoch niemals vollständig auf: Je nach Art oder Größe können Jahrtausende vergehen, bis sich das Plastik zu winzigen Partikeln verkleinert hat. Sonnenlicht unterstützt diesen Zerfall, kommt aber in der Meerestiefe und in Tieren nicht vor. Teile ab einer Größe von 5 mm nennt man Mikroplastik. Tiere verwechseln diese winzigen Plastikteilchen häufig mit Nahrung. Dabei bleibt das Plastik fast immer in den Verdauungsorganen und wird nicht wieder ausgeschieden. Wir wissen es aus unterschiedlichsten Meldungen in allen möglichen Medien, dass in den Mägen toter Tiere heutzutage immer Plastik gefunden wird. Diese Meerestiere, dazu zählen auch Seevögel, sind in der Regel an dem Plastik in ihrem Körper verendet und nicht etwa eines natürlichen Todes gestorben ...

Erschreckend ist ein Blick auf die beiden Bilder oben: Jeder Kreis bedeutet ein Plastikteilchen, der Sand ist davon völlig durchsetzt. Das, was man hier sieht, ist allerdings nur die Oberfläche des Strandes. Da Wellen und Wind den Sand bewegen, setzt sich die Plastikverschmutzung innerhalb des Sandes weiter fort. Die Fläche eines dieser Bilder hat in der Realität eine Abmessung von etwa 20 x 40 cm.

Winziger Rest eines Fischernetzes ... auch andere Plastikteile weit und breit ...

Das Bild oben links zeigt den winzigen Rest eines Fischernetzes. Man geht heute davon aus, dass etwa 70% des Plastikmülls auf den Meeresboden absinken. Die übrigen 30% verteilen sich zur Hälfte an den Stränden, der Rest verbleibt auf der Wasseroberfläche oder in verschiedenen Wassertiefen.

Man stelle sich einmal ein weggeworfenes Fischernetz vor: So etwas gibt es auch bei uns in der Nord- und Ostsee, die Netze liegen auf Grund oder treiben im Meerwasser. Sie sind allerdings nur für den wirtschaftlichen Gebrauch nicht mehr geeignet und nicht völlig zerstört: Der größte Teil der Netzmaschen ist dabei intakt. Das bedeutet: Diese weggeworfenen Netze fischen immer weiter! Jahrhunderte lang. Ob am Boden des Meeres als Gefahr z.B. für Plattfische oder innerhalb des Wassers treibend: Sie fischen und fischen ...

Jeder kann sich nun vorstellen, welche riesige Menge an Fisch oder anderen Meerestieren völlig sinnlos dadurch zu Tode kommen werden: Netzreste am Strand werden von Seevögeln auch gern zum Bau ihrer Nester verwendet. Bleibt ein Vogel etwa mit einem Bein oder dem Kopf darin hängen, kommt er dort niemals wieder hinaus! Netze reißen nicht: Er hängt weiter darin, bis er verhungert oder stranguliert ist. Die deutsche Insel Helgoland zum Beispiel hat solche Fälle jedes Jahr wieder auf´s Neue ...

Die beiden äußeren Bilder unten zeigen Reste von Kunststoffseilen versteckt im Sand: Zieht man daran, kommt meistens ein längeres Stück Seil aus dem Sand oder sogar noch mehr. Das mittlere Bild dagegen zeigt ein winziges Stück eines Plastiknetzes im Größenvergleich zu meinem Fuß. Besonders billige Kunststoffseile fasern an den Enden sehr aus. Ein Vogel sucht sich genau solche Gebilde zum Bau seines Nestes: Ein fataler Fehler!

Rest eines Kunststoffseils Stück eines Pastiknetzes: Bauteil für ein Vogelnest?? Und noch ein Kunststoffseil ...
Reste einer Angelschnur ... Der "Star" der Verschmutzung: Gewerbliche Plastikkugel ... Kaum zu fassen: Unmengen von Plastikkugeln und -teilen ... Dasselbe Bild an anderer Stelle ...

Immer kleiner werdende Plastikteilchen gelangen also problemlos in jeden Körper, ob Tier oder Mensch. Wir können davon ausgehen, dass das bereits seit sehr vielen Jahren der Fall ist.

Kunststoffe enthalten oft auch Zugaben wie Weichmacher und Flammschutzmittel. Das ist natürlich auch in den kleinsten Partikeln noch enthalten. Die Auswirkungen der Aufnahme von Kunststoffteilchen in einen lebenden Körper sind fast NICHT erforscht. Plastikartikel finden sich auch in Kosmetikprodukten: Hier hat mittlerweile ein vorsichtiger Trend eingesetzt, davon abzukommen. Wie es bei Menschen jedoch üblich ist, geht das natürlich viel zu langsam voran ...

Auch der Abrieb von Reifen oder Bremsbelägen ist ein großer Faktor beim Erzeugen von Mikropartikeln. Reifen und Bremsbeläge will ich aber an dieser Stelle einmal außer acht lassen, da hier kein Mikroplastik anfällt.

Im Bild links oben erkennt man, kaum sichtbar, ein Stück Angelschnur. Hier am Strand wird auch geangelt. Immerhin, es war nur ein sehr kurzes Stück. Ich habe es eher zufällig gefunden.

Das Bild rechts daneben zeigt daneben den "Star" dieses Abenteuers, die Plastikkugel selbst. Die Verschmutzungen des Strandes mit Kunststoff, über die ich bisher geschrieben habe, fanden ausschließlich durch Privatpersonen statt. Die Verschmutzung mit solchen Plastikkugeln ist dagegen eine Verunreinigung durch das Gewerbe: Sie stammen vom Transport mit Schiffen. Man nennt die Kugeln auch Polyethylen-Kugeln. Sie sind der Grundstoff, aus dem PET-Artikel wie etwa Getränkeflaschen und Frischhaltedosen hergestellt werden. Natürlich gibt es noch weitere tausendfache Möglichkeiten, mit diesen Kugeln Plastikartikel zu erzeugen. Auf keinen Fall aber haben sie im Meerwasser etwas zu suchen. Die Kugeln sind mit etwa 1,5 mm Durchmesser bereits so klein, dass sie eine direkte Gefahr durch Verschlucken für alle Lebewesen darstellen, die in Verbindung mit dem Meer leben. Die Anhäufung der Kugeln hier am Strand von Lavos lässt ahnen, dass es nur hier mit der Verschmutzung nicht getan sein wird. Ich beschließe deshalb, auch Strände weiter südlich zu untersuchen ...

Bei Vieira: Auf den ersten Blick ein schöner Sandstrand ... Auch hier "erfolgreiche" Suche ...
Ein bekanntes Bild bietet sich auch hier ... Erneute Ansammlungen von Plastikkugeln ...

Inzwischen ist der 12. Januar 2022 angebrochen: Ich habe mich mit dem LERRY zur Suche nach den Plastikkugeln auf den Weg gemacht. Mein erstes Ziel ist Vieira de Leiria, ganz in der Nähe von Leiria und fast an der Küste gelegen. Vieira ist ein eigentlich ein kleiner, gemütlicher Fischerort, doch an ihm ist die Entwicklung nicht vorbeigegangen: Der Tourismus hat den Ort erheblich seiner alten Struktur beraubt  und es wurde dabei auch kaum Rücksicht genommen. Eine Einwohnerin macht sich mit mir auf den Weg zum Strand, nachdem ich sie über mein Vorhaben aufgeklärt habe. Es geht nichts über einheimische Unterstützung!

Wir brauchen nur wenige Minuten und treffen auf das selbe Ergebnis wie an der Costa de Lavos: Allerdings befinden wir uns nun rund 36 km südlich davon (Bilder oben)! Es muss eine wirklich viele Kilometer lange Verschmutzung sein, die von den Anwohnern hier am Atlantik offenbar noch gar nicht bemerkt wurde. Ich habe natürlich ab und zu Menschen befragt, die hier leben. Mit dem Übersetzungsgerät war das ein Kinderspiel: Doch wirklich niemand wusste etwas von dieser Verschmutzung!

Das ist für mich Ansporn genug, meine Suche noch weiter südlich fortzusetzen: Ich mache mich auf den Weg nach Nazaré. Nachdem ich den LERRY wieder abgestellt habe, ziehe ich los. Ich bin nun 77 km südlich der Costa de Lavos und noch einmal 41 km weiter südlich von Vieira. Hier in Nazaré gibt es allerdings eine Landzunge, die in den Atlantik ragt. Ich habe die Hoffnung, dass Strömungen und die Landzunge eine Art Grenze für die Ausbreitung der Plastikkugeln sein könnten.

Bei Narzaré ... Gröberer Sand als bisher ... Gesäuberter Strand ...

Zuerst fällt mir auf, dass der Strand sehr viel sauberer ist, als der von Vieira und Lavos (Bilder oben). Der Müll von Privatpersonen fehlt fast völlig, hier findet offenbar eine regelmäßige Strandreinigung statt. Nun, ich befinde mich am direkten Strand der Stadt Nazaré, wo auch entsprechend viel Besucherverkehr  herrscht.

Der Sand des Strandes ist oft gröber als bisher. Außerdem finde ich hier eine winzige Muschelart, deren Hälften von oben den Plastikkugeln sehr ähnlich sehen. Am Ende entscheide ich mich für: Nichts gefunden! Das gefällt mir durchaus, doch ich will sicherheitshalber noch einen weiteren Strand südlicher aufsuchen: Peniche.

Platz für LERRY ..!In einem kleinen Ort am Strand von Consolacao, südlich von Peniche, finde ich einen schönen Platz für den LERRY (Bild rechts). Von hier aus will ich mir die 3,6 km Strand nach Peniche vornehmen. Inklusive eines Strandspazierganges für mich ...

Ich werde auch hier angenehm überrascht: Dieser Strand ist ebenfalls sehr sauber, hier muss regelmäßig "geputzt" werden (Bilder unten). Der Strand ist dem von Nazaré sehr ähnlich. Da ich mir bei dieser Gelegenheit gleich den Ort ansehen will, laufe ich die gesamte Strecke weiter bis nach Peniche.

Viele grobere Bereiche machen das Auffinden der kleinen Plastikkugeln sehr schwierig. Wie am Strand von Nazaré gibt es auch hier die kleine Muschelsorte, deren Halbschale den Kugeln sehr ähnelt. Da hilft manchmal nur das Umdrehen. Ich nehme mir Zeit, doch ich finde auch hier keine der kleinen Kugeln ...

Und das Ergebnis?

Ich bleibe noch eine Nacht und mache mich dann wieder auf den Rückweg nach Vieira. Nach dem Besuch der Strände und dem Fund der kleinen Kugeln dürfte die Verschmutzung der Küste Portugals etwa nördlich von Nazaré beginnen und bestimmt bis nach Figueira da Foz reichen. Das sind gut 45 km!

Strand bei Peniche Auch hier groberer Sand ... ... und ein gesäuberter Strand ...

Die kleinen Kugeln werden mit der Zeit durch Wind und Seegang nicht mehr so zahlreich zu sehen sein. Sie werden innerhalb das Sandes der Strände verschwinden oder einfach im Meer. In Wirklichkeit werden sie dort aber immer nur weiter verteilt: Von der Oberfläche des Sandes aus nach innen und im Meer treiben sie schließlich durch Seegang und Strömungen im Wellensystem. Sie werden von Tieren aufgenommen und geschluckt, oder sinken einfach nur auf den Meeresboden, um den Bewohnern dort in die Quere zu kommen. Über eines muss sich allerdings jeder klar sein: Die Verunreinigungen durch Kunststoff werden niemals wieder verschwinden ..!

Auf jeden Fall werden sie weniger sichtbar, sind aber niemals weg. Irgendwann, wenn mal wieder beim Seetransport etwas schief läuft, kommt der nächste Schwung Plastikkugeln ins Meer. Wir können davon ausgehen, dass sie auch innerhalb der gefangenen Fische gefunden werden. Wir bekommen sie nur nicht zu sehen, weil wir nur fertig vorbereiteten Fisch auf den Teller bekommen. Doch die Kugeln sind da und sie werden immer mehr! In diesem Sinne: Guten Appetit ..!


© 2022 Jürgen Sattler


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen Sattler finden sich in unserer Autorenübersicht!