Hinauf in schwindelnde Höhen ...
Die Wettergötter sind uns wieder gnädig: Die Sonne scheint, es hat getaut - der richtige Tag, um sich auf die Höhen der Hohen Tatra zu begeben!
Auf dem Campingplatz gibt es einen Fahrplan nach Tatranská Lomnica, wo in der Karte eine Seilbahn auf den 2.635 m hohen Lomnický štít eingezeichnet ist: Immerhin der zweithöchste Berg der Hohen Tatra, da wollen wir hoch!
Der Fahrplan wird studiert, es ist für uns nicht ganz ersichtlich, worauf er sich bezieht. Der Camp-Warden, der ein wenig deutsch spricht, meint, die Bushaltestelle wäre 70 m auf der linken Seite entfernt und die Tickets müsse man bei ihm kaufen. Bei den Spaziergängen rings um den Platz finden wir aber auf der linken Seite weder in 70 m noch in 150 m Entfernung irgend eine Bushaltestelle ...
Aber nach 200 m auf der rechten Seite finden wir eine Haltestelle mit Fahrplan, wobei der Fahrplan nichts mit den am Campingplatz aushängenden Zeiten zu tun hat. Auf Rückfrage meint ein weiterer Camp-Warden, wir könnten 700 m nach links (da hat sich der Kollege wohl um eine Zehnerpotenz vertan) oder 200 m nach rechts gehen zum Bus. Bustickets hätte er aber keine, nur Zugtickets.
Gut, wir gehen zunächst 200 m nach rechts: Kein Bus kommt, und der Fahrplan hat auch keinerlei Busverkehr am Vormittag vorgesehen. Vielleicht kommt an der anderen, weiter entfernt gelegenen Bushaltestelle eine andere Buslinie vorbei? Wir versuchen unser Glück und marschieren los. Auf dem Weg dahin fällt uns ein, dass wir bei der Anfahrt zum Campingplatz einen Bahnhof gesehen hatten.
Nun wird uns alles klar: Der Fahrplan am Camp war ein Bahnfahrplan und die Camp-Warden haben wohl nicht nur 70 m mit 700 m verwechselt, sondern auch Bus und Bahn - Deutsch ist ja auch schwierig. Am Bahnhof angekommen sehen wir schließlich auch, warum Zugtickets am Camp gekauft werden müssen: Hier fehlt der Automat. Aber wir haben Glück, vom Bahnhof aus fährt auch ein Bus nach Tatranská Lomnica, der in wenigen Minuten kommt und Reisende für 50 Cent mitnimmt.
Auf dem Stadtplan im Ort ist eine Seilbahnstation eingezeichnet: Nicht weit vom Grand Hotel Praha, zu dem ein hübscher Weg hoch führt. Doch die Überraschung ist groß: Eine Stationsruine mit zwei alten Gondeln steht vor uns. Die Enttäuschung ist riesig, haben wir doch im Fernglas die Bergstation und die Zwischenstation gesehen. Von wo mag die Bahn starten, die wir gesehen haben?
Also geht es wieder zurück in den Ort. An einem Kiosk werden die Süddeutsche Zeitung und Aufkleber für den Explorer angeboten: Die freundliche Verkäuferin kann etwas Deutsch und so fragen wir nach, seit wann die Bahn denn so kaputt sei. Lachend meint sie: Es gibt doch eine neue Bahn und sie erklärt uns den Weg dahin. Es ist zum Glück nicht weit.
Die neue Bahn finden wir dann auch. Hier ist wirklich alles neu und unterscheidet sich wenig von den uns bekannten Talstationen in den Alpen. Viele Kioske mit diversen Andenken sind zu sehen, auch Schneeraupen für den Winter.
Auch die Preise für die Tickets bis zum Gipfel sind auf "Alpenhöhe": Stattliche 33,- EUR pro Person sind zu entrichten, wir hoffen für die Slowaken, dass es - ähnlich wie in Österreich - Einheimischenrabatte gibt ...
Für die Bahn auf den Gipfel erhält man eine Zeitvorgabe: Damit wird die Auslastung der Bahn gesteuert. Wir dürfen erst um 15:20 Uhr auf den Gipfel. Derweil kann man mit kleinen Sesselliftgondeln zur Zwischenstation auf 1.700 m fahren. Zwar existiert auch auf 1.100 m eine Zwischenstation, aber da bleibt man am besten in der Gondel sitzen, sonst wird man vom Personal ganz schnell wieder dorthin zurück geleitet: Diese Zwischenstation ist nur für die Skifahrer im Winter vorgesehen.
Auf 1.750 m Höhe befindet sich Skalnaté pleso (Steinbachsee), das Tatra-Observatorium und eine Wirtschaft mit Preisen, die ebenfalls sehr unslowakisch sind: Kostet unten im Tal ein Bier noch ca. 1,- EUR, muss man hier mehr als das Doppelte bezahlen. Ausflüge hierhin sind für Slowaken ein teures Vergnügen.
Von der Zwischenstation aus hat man schon einen herrlichen Blick in das weite slowakische Land. Anders als in den Alpen, wo man auf allerlei Vorgebirge blickt, hat man hier eher den Eindruck, auf einem Turm in der Landschaft zu stehen.
Irgend wann sind auch wir dran für die Fahrt auf den Gipfel. Die Gondelbahn wird voll gequetscht mit Touristen, die ein Ticket mit 15:20 Uhr haben. Auf der gesamten Seilstrecke gibt es keine Stützen, was den Eindruck vermittelt, man würde auf den Gipfel hoch gleiten. Auf dem Gipfel selbst hat man dann 50 Minuten Zeit für den Aufenthalt dort. Man bekommt eine Platzkarte für die Rückfahrt.
Hektik kommt auf, denn jetzt ziehen Wolken herein und wir haben nur noch wenige Sekunden Zeit für den gigantischen Ausblick und einige wenige Bilder. Doch auch in den Wolken ist es hier zwischen den Felsen sehr beeindruckend. Drei Bergsteiger in voller Ausrüstung erklimmen den Hang neben der Station: Sie waren den ganzen Tag vom Tal bis hierhin unterwegs. Respekt! Auch sie sprechen ein wenig Deutsch und haben noch Luft und Lust für eine kurze Unterhaltung.
Wem es zu kalt ist, der kann in die futuristische Bar der Gipfelstation flüchten und sich stärken, doch das Herumlaufen auf den Steigen ist trotz der Wolken einfach zu schön. Über Lautsprecher wird schließlich unsere Platznummer aufgerufen und es geht zurück zur sonnigen Zwischenstation. Von dort aus sehen wir, dass alle Gipfel frei sind, bis auf einen, den Lomnický štít. Trotzdem, es hat sich gelohnt ...
In Tatranská Lomnica gibt es zahlreiche Lokale, die das ganze Jahr über die zahlreichen Touristen bewirten. "Mamas Küche" liegt nahe am Bahnhof, klingt verlockend und das Essen ist auch gut und wie üblich deftig. Gut gesättigt und mit dem einen oder anderen Bier versorgt, fahren wir mit dem Zug die eine Station nach Stara Lesnoy zurück, was pro Person ganz 32 Cents kostet. Das sind noch Bahntarife!
© 2010 Text/Bilder Sixta Zerlauth