Die Wälder rufen ...              

Nun ist es Zeit, noch ein wenig in den litauischen Wäldern an einem See südlich von Kaunas zu verweilen: Unser nächstes Etappenziel ist der Platz Silaiciai.

Bei der Routenplanung mit Marco Polo war die Aufmerksamkeit wohl nicht ausreichend gewesen, wie sich nun herausstellt. Es war seinerzeit beim Vergleich nur aufgefallen, dass die Strecke mit Marco Polo kürzer war als mit Map Source von Garmin.

Diese Brücke führt nicht zum Ziel  ... Kurze Rast unterwegs ...

Also wurde die Strecke für Steffi (bei der Planung war sie ja noch fit) so hingebogen, dass sie der Strecke von Marco Polo entsprach. Diese Strecke wurde dann nur noch schnell für die Ersatznavigatorin Lisa aufbereitet, die sich nun sklavisch daran hält.

Wir fahren jetzt an zahlreichen Schildern vorbei mit "Kaliningrad", "Grenze" und "Zoll". Selbst die Brücke nach Panemune weckt noch kein Misstrauen: Kurz danach endet jedoch die Route auf dem Parkplatz vor dem Grenzübertritt bei Sovjetsk, dem ehemaligen Tilsit - Ooops! Wir sind etwas überrascht, doch findet sich schnell die Lösung.

Die "Marco-Polo-Route" ist deshalb kürzer, weil sie weitere europäische Einigung schon vorweg nimmt und quer durch den Oblast Kaliningrad verläuft, wo wir nun aber weder erneut hin wollen noch können. Also wird Lisa kurzerhand umprogrammiert und schon navigiert sie uns entlang der russischen Grenze unserem heutigen Ziel entgegen durch eine wunderschöne, recht einsame Landschaft mit Wäldern, Feldern, Wiesen und Seen ...

Wir unterbrechen für einen Einkauf: Viel zu bieten hat der Dorfladen nicht. Wir ergattern die letzten 10 Eier, den letzten Chinakohl, deutsches Mineralwasser (als ob die Litauer kein eigenes hätten!), abgepacktes Brot - zum Glück aber frisches saftiges Schwarzbrot. Fleisch oder Fisch hat der Laden nicht, außer ein paar Tomaten und Kartoffeln hat er nicht mehr viel zu bieten.

Weiter geht es: Wieder haben wir eine Koordinate vom Platz und wieder ist an der Koordinate kein Platz zu sehen. Im nahen Ort fragen wir in einem Geschäft nach dem Campingplatz Silaiciai. Da gibt es nun eine Neuerung im Vergleich zu früheren Touren: Zwar ist es üblich, dass man auf die Frage "Do you speak English" oder "Sprechen Sie deutsch" den Kopf schüttelt, aber bei Russisch gab es in der Vergangenheit immer ein "Da" zu hören, also "Ja", denn bis vor fast 20 Jahren war Russisch hier die offizielle Amtssprache. Heute muss die Verkäuferin erst eine Kollegin holen, die dann russisch spricht und den richtigen Weg kennt ...

Diesmal ist die im Campingführer vorzufindende Koordinate ca. 7 km weit vom tatsächlichen Platz entfernt: Es ist eine riesige Feriensiedlung im Wald mit großen Hütten. Zunächst ist keine Möglichkeit für einen Stellplatz zu erkennen. Doch dann werden wir vom Platzwart aufgefordert, hinter ihm her zu fahren - vorbei an einem Schild "Privatwald" - und er bringt uns zu einem wunderschönen Platz für Zelte und Womos nahe eines Sees. Hier gibt es auch endlich die lang erwarteten ersten Mücken auf dieser Tour, die jedoch nach kurzer Zeit schnell von uns ablassen - ein ungewöhnlicher Vorgang, den wir bisher immer nur in umgekehrter Reihenfolge kannten. Ein wenig Autan und eine qualmende Mückenspirale vertreiben sie schließlich nachhaltig.

Ein Platz mit vielen Gesichtern ... Das kann man verstehen ...
Zum Verweilen schön ... Warten auf das Taxi nach Kaunas ...

Wir sind die einzigen Gäste außer einem Pärchen aus Frankreich, das mit Zelt, Tisch, Stühlen und jeder Menge Kram auf dem Stellplatz gegenüber sitzt. Jedoch ist weit und breit kein Auto zu sehen. Wir fragen nach und bekommen wieder einmal eine traurige Geschichte zu hören.

Sie waren am Freitag von Vilnius aus aufgebrochen in diese Region. Nach einem Halt ließ sich das Auto nicht mehr starten. Es wurde ein Abschleppwagen organisiert, der die Franzosen zu diesem Campingplatz und das Auto nach Kaunas - ca. 70 km entfernt - mitnahm. Das Pärchen hatte nur den Namen der Werkstatt, zu der das Auto gebracht werden sollte. Hier gestrandet (der nächste Ort ist 4 km entfernt) wurden sie vom Platzwart versorgt, die Administratorin des Platzes wickelte die nötigen Telefonate ab und fand die Werkstatt in Kaunas, in der das Auto tatsächlich eingetroffen war. Die Kommunikation war schwierig, da die Leute vom Platz nur wenig Englisch sprechen und die Franzosen kein Russisch oder gar Litauisch. Heute am Montag erfuhren sie dann, dass das Auto in der Werkstatt offenbar wieder funktionierte. Sie sollen am nächsten Tag mit dem Taxi und dem Campingkram nach Kaunas fahren.

Als sie uns dies erzählen, kommt der Platzwart mit Holz, macht den Grill an und lädt die beiden Franzosen ein, mit ihm auf dem See zu angeln. Viele Stunden bleiben sie weg. Dann kommen sie wieder mit der Nachricht "no fish". Auch der Platzwart erklärt uns das Sensationelle "no fish today", er schüttelt den Kopf und kann sein Angler-Waterloo kaum fassen. Nun, die Franzosen haben wohl noch andere Vorräte, die dann statt des Fischs auf den Grill kommen.

Am nächsten Morgen ist es schließlich soweit: Nach 4 Tagen Zwangsaufenthalt auf diesem wunderschönen Platz packen sie die Sachen zusammen und tatsächlich, es kommt ein Taxi. Man lädt alles ein und die beiden fahren in Richtung Kaunas davon. Wir wünschen ihnen: Bonne Chance! Bon Voyage!

Nun sind wir also allein auf dem Platz und es gefällt uns so gut, dass wir uns spontan einen weiteren Tag "Zwangsurlaub" verordnen. Wann hat man schon mal so eine riesige Anlage ganz für sich allein? Die Frösche hopsen durch das Gras, die Fische können unbesorgt im See schwimmen, der gutmütige Platzhund schaut immer wieder mal vorbei, das Feuer im Hobo-Ofen lodert, ein Specht leistet uns Gesellschaft und ist höchst irritiert, wenn auch wir auf den Holztisch klopfen.

Unsere Zeit in Litauen endet nun dennoch: Wir machen einen letzten Einkauf in Lazdijai - denn das litauische Bier, insbesondere das Swyturys Ekstra, ist einfach zu gut, um nicht davon einige Dosen mitzunehmen - auch wenn es in den nun noch folgenden vier Ländern sicher ebenfalls gut Trinkbares geben wird ...

Davon muss man welche mitnehmen!


 © 2009 Text/Bilder Sixta Zerlauth