Teil 4: Amman und der Norden Jordaniens (01.05. - 04.05.2010)
Wir passieren Damaskus am 01.05.: Es gibt zwar eine Umgehungsautobahn, das Verkehrstreiben hier fühlt sich aber eher chaotisch an. Verkehrsregeln bestimmen sich durch die Forschheit der Fahrweise und den Gebrauch der Hupe. Vielleicht sollten wir an unseren Kompressor in Zukunft eine Druckluft-Fanfare anschließen!
Es herrscht eine enorme Betriebsamkeit am Straßenrand: Es wird alles Mögliche produziert, gehandelt und verkauft, die Läden und Werkstätten sind ja verkehrsgünstig gelegen. Der Straßenzustand ist mancherorts ziemlich marode und Dreck und Abfall sind leider unsere regelmäßigen Begleiter. Ex und hopp scheint der Regelfall zu sein, eine Müllentsorgung ist in weiten Bereichen nicht zu erkennen. Ansonsten passieren wir Damaskus wohlbehalten und tanken vor der syrisch-jordanischen Grenze noch einmal voll, da der Diesel hier wesentlich günstiger ist.
Irgendwie hat der clevere Tankwart es geschafft, uns über´s Ohr zu hauen: Ich hatte laut unserer Tankuhr mit ca. 60 l gerechnet, die Zapfsäule zeigte am Ende knapp 80 l. Obwohl der Zähler korrekt genullt war, hat er durch einen Trick 20 l mehr kassiert. Später wurde mir klar, warum er sich so interessiert nach unserer Tankkapazität erkundigt hatte. Bei ca. 30 Cent pro Liter hielt sich das Ganze in Grenzen und wir haben noch länger überlegt, wie der Tankwart dies angestellt hat.
Die Ausreise aus Syrien läuft zügig (dank einer bevorzugten Behandlung von Frauen) und ohne Probleme. Jordanien punktet mit einer sehr gut organisierten Einreiseabwicklung. Obwohl wir Visa, Haftpflicht für das Auto sowie Zollpapiere brauchen, haben wir dies alles in 30 Minuten erledigt, die Wege und Stationen sind klar gekennzeichnet.
Per Zufall lernen wir an der Grenze einen jungen Jordanier namens Baider kennen: Es stellt sich heraus, dass seine Frau 30 Jahre in Deutschland gelebt hatte. Kurzerhand ruft er seine Frau an und drückt dann Sonny das Mobiltelefon in die Hand. So ist der Kontakt schnell geschlossen und wir brauchen uns um unseren nächsten Übernachtungsplatz nicht zu kümmern. Wir folgen einem nagelneuen schwarzen Mercedes S 400 von der Grenze bis quer durch Amman. Im Botschaftsviertel von Amman tauscht Baider dann schnell noch den Firmenwagen gegen seinen eigenen und wir fahren zu seinem Haus, im Süden von Amman gelegen. Baider kam von einer 10-tägigen Dienstreise aus Beirut zurück und seine drei Kinder freuen sich über die Geschenke. Wie selbstverständlich werden wir aufgenommen, das Hausmädchen macht für uns drei noch Abendessen und es gibt natürlich viel zu erzählen. Spät abends kommt noch ein Ehepaar zu Besuch und wir erfahren einmal mehr die enormen kulturellen Unterschiede zu Europa.
Im Islam darf ein Mann bis zu 4 Frauen besitzen, wenn er sich dies finanziell leisten kann. Die Nachbarsfamilie hat 5 Mädchen, aber keinen Jungen. Die Frau wurde von unserer Gastgeberin wegen dieser Situation stark bemitleidet. Ständig ist die Angst in solch einem Falle vorhanden, dass die Männer sich eine junge Zweitfrau nehmen, damit die Familie zu einen männlichen Stammhalter kommt.
Am nächsten Morgen besuchen wir Baider´s Eltern: Sie sind Palästinenser und waren ihr Leben lang Nomaden. Aus diesem Grunde stehen neben ihrem Haus zwei typische Nomadenzelte, in denen sie in den Sommermonaten leben. Wir werden gleich zum Tee eingeladen, später gibt es dann noch etwas Fingerfood (Reis in Weinblättern), zum Trinken haben wir die Wahl zwischen vergorener Schafsmilch und einem bitteren teeähnlichen Getränk. Später wird uns durch Beschreibungen klar, was wir getrunken haben; es war Schafsurin ...
Für unseren Rückweg lädt der Alte uns wieder zum Essen ein, er will dann ein Schaf schlachten. Die Gastfreundschaft ist einfach unermesslich, wir hätten noch Tage in diesem Haus in Amman verbringen können. Wir wollen weiter nach Süden und so listet uns Baider mehrfach alle Ziele auf, die wir ansteuern müssen. Sollten wir unterwegs Geldnöte haben, er würde uns sofort weiterhelfen. Er bringt uns noch zur Autobahn und verabschiedet uns herzlich mit einer nochmaligen Auflistung aller Ziele, damit wir auch ja nichts vergessen; wenn wir am Toten Meer baden, dann sollen wir uns per SMS melden, er käme uns dann mit seiner Familie besuchen, denn von Amman aus sind es nur 40 km ...
Nach so viel Gastfreundschaft müssen wir im Auto erst mal wieder Ruhe finden: So schön und erlebnisreich solche Kontakte sind, sie kosten uns Kraft. So verlassen wir Amman am 02.05. voller Eindrücke einer jordanischen Familie und fahren die nächsten 3 Tage entlang des King Highway mitten durch die jordanische Bergwelt, die sich östlich des Jordans bis auf 1.700 m erhebt. Gewaltige Wadi´s entwässern sich in Richtung des Jordans und des Toten Meeres. Diese Täler sind bis zu 800 m tief und abends finden wir herrliche Übernachtungsplätze oberhalb dieser Canyons. Die Sonne geht jeweils in einem roten Feuerball unter und lässt die Farben des Gesteins in mannigfaltigen Rottönen leuchten ...
Auf dieser Strecke liegt die Stadt Madaba, bekannt für eine Palästina-Landkarte aus 2,3 Mio. Mosaiksteinen. Weiter südlich befindet sich die Stadt Al-Karak, in deren Zentrum sich eine riesige Burganlage thront. Die Burg stammt aus der Zeit der Kreuzritter und fiel im Jahre 1184 in die Hände von Saladin, der damit die Herrschaft der Kreuzritter beendete ...
© 2010 Hans-Jörg Wiebe