Teil 1: "Welcome to Asia"

Mit diesen Worten empfängt uns eine große Tafel, nachdem wir den Bosporus auf einer großen Hängebrücke überquert haben. Zuvor gab es noch etwas Stress an der chaotischen Mautstelle vor der Brücke, aber davon später ...

Planmäßig am 22.04.2010 um 16:00 Uhr sind wir gestartet. Zuvor warf Sonny noch ein letzter Blick in alle Reiseutensilien, die ich abends zuvor parat gelegt hatte und prompt wurde sie fündig: Statt Sonny´s Reisepass lag Sohn Dirk´s Reisepass auf dem Stapel der Dokumente. Wäre dies erst an der türkischen Grenze aufgefallen, hätte ich mächtig Ärger bekommen. Manche Frauen haben zum Glück einen 7. Sinn für solche Dinge …

Um 22:00 Uhr haben wir schließlich auf einem abgelegenen Waldweg südlich von Ljubljana einen ruhigen Übernachtungsplatz gefunden. Um 6:30 Uhr am kommenden Morgen sitzen wir wieder am Steuer, denn gut 1.000 km liegen heute vor uns. Es geht weiter durch Kroatien, Serbien und Bulgarien. Je weiter wir nach Süden voran kommen, um so bedrückender wirkt vieles auf uns: Wenig Farbe ist zu sehen, Häuser sind verlassen, Unordnung, Schmutz und Gammel sind ständige Begleiter. Vielleicht ist es aber auch der Nieselregen, der auf unser Gemüt drückt.

Auf dem Weg zur Hauptstadt Bulgariens ...An Bulgariens Grenze treffen wir zwei ungarische Motorradfahrer mit großen BMW´s; ihr Ziel ist Damaskus und der Libanon. Sie haben nur zwei Wochen Zeit für die weite Tour und sind deshalb auch schon bald wieder entschwunden.

Wir nähern uns Sofia, der Hauptstadt Bulgariens und unser Eindruck von Serbien verstärkt sich noch: Die Umgebung von Sofia wirkt trostlos; an der Einfallstraße konnten wir Slums zu sehen, trostloser und erbärmlicher kaum vorstellbar. Die Umgehungsstraße der Hauptstadt ist streckenweise ein Hindernisparcours um Schlaglöcher, die selbst für unser Auto gefährlich sind. Bis zu 40 cm tiefe Krater größeren Durchmessers lassen alle Slalom fahren, Sicherheitsabstand ist wirklich notwendig. Froh, diese Stadt hinter uns gebracht zu haben, schlagen wir uns auf halber Strecke zwischen Sofia und der türkischen Grenze irgendwo abseits der Straßen zum Schlafen versteckt in die Büsche. Für ein EU-Mitglied gibt es hier noch viel zu tun …

Die Einreise in die Türkei ist beeindruckend: Ein hochmodernes Grenzzentrum steht in einem krassen Kontrast zu den bulgarischen Einrichtungen, die wir Minuten zuvor verlassen haben. Die Türkei glänzt mit bester Infrastruktur, die auf Landkarten gezeichneten Autobahnen gibt es wirklich und dies dreispurig in bester Qualität bis südlich von Ankara. Das Land hat in der Kürze der Zeit einen sehr positiven Eindruck bei uns hinterlassen.

Doch zurück zu unserem Mauterlebnis an der Bosporusbrücke: Man stelle sich 20 chaotische Warteschlangen von Autos, Bussen und LKW´s an der Zahlstelle vor, die versuchen, regelmäßig die Reihen zu wechseln, um schneller ans Ziel zu kommen. Wir suchen uns auch eine vergleichsweise zügige aus, die uns prompt zum Verhängnis wird. Wir achten nicht auf die Schilder, die zumindest für eine grobe Strukturierung des Verkehrs sorgen sollen und landen an einem Automaten, der von uns eine Art "Pre-paid Karte" verlangt.

Wir haben keine Ahnung, verstehen kein Wort; das Hupkonzert hinter uns trägt auch nicht zur Beruhigung bei. Zum Glück gibt es nur eine rote Ampel und keine Schranke, aber dafür viele Kameras, die sicher unser Vergehen aufgezeichnet haben. Unser Kfz-Kennzeichen steht im Reisepass, und ist jetzt sicher auch in der Datenbank der Mautbetreiber gespeichert. Ich bin gespannt, ob sie einen Datenabgleich hinbekommen. In knapp 5 Wochen sind wir wieder hier ...

Erinnerung an die Andenkulisse ...Die Fahrt über die Brücke ist beeindruckend, tolle Motive ziehen vorüber und in Minuten sind wir von Europa in Asien angekommen. Gerne hätten wir noch das Schild "Welcome to Asia" auf der anderen Seite der Bosporusbrücke fotografiert; ein Soldat (als Brückenwacht?) überzeugt uns jedoch mit seiner Maschinenpistole, dass wir besser ohne Bild weiterfahren.

Südlich von Ankara suchen wir uns um 22:00 Uhr im karstigen Hochland einen ruhigen Nachtplatz und sinken bald in einen tiefen Schlaf. Morgens um 4 Uhr höre ich leise den Muezzin den Tag ankündigen und bald darauf richten wir uns zu der letzten langen Tagesetappe. Die Ebene südlich von Ankara ist ca. 1.000 m hoch und dünn besiedelt. Erstaunlich viele Tankstellen säumen die 4-spurige Straße, die wohl einen Großteil des Verkehrsaufkommens in die südöstliche Türkei um Adana übernimmt. Gen Süden schimmern schneebedeckte Gipfel aus dem Dunst hervor und bauen eine eindrucksvolle Kulisse auf. Die Berge sind bis zu 3.700 m hoch und erinnern uns in Verbindung mit der Hochebene ein wenig an die Andenkulisse Südamerikas ...

Zügig erreichen wir bald das Mittelmeer, mit 30°C ist es ist herrlich warm hier. Obst und Gemüse wachsen auf weiten Feldern, gleichzeitig ist diese Gegend um Adana durch Schwerindustrie wie Stahlwerke gezeichnet. Wir sind froh, als wir den Küstenstreifen mit seiner Dunstglocke schließlich Richtung Syrien verlassen können ...

Gegen 15:00 Uhr erreichen wir die Grenze und nach gut eineinhalb Stunden sind wir um 200 Euro ärmer. Dafür haben wir:

  • Einreise samt Auto
  • Eine Haftpflichtversicherung für 4 Wochen
  • Dieselsteuer für eine Woche, dafür kostet der Diesel nur 20 Cent/Liter
  • Straßenbenutzungsgebühr entrichtet.

Im Nachhinein folgte die gesamte Einreiseabwicklung schon in weiten Teilen einem festen Muster, zu Beginn wirkt es wie das reine Chaos. Die wichtigsten Etappen:

  1. Polizei, Visa abstempeln lassen

  2. Zoll
    a. Formular in arabischer Schrift von einem der vielen freiwilligen "Hilfskräfte" ausfüllen lassen
    b. Zollbeamter schickt uns zu einem weiteren Beamten zur Bestätigung
    Mit 200 Euro zum Erfolg ...c. Dieser liegt auf einer Couch und versucht, die Amtshandlung im Liegen zu bewältigen (Diagnose: erhöhter Alkoholgenuss)
    d. Wir werden für 5 Minuten rausgeschickt, da gerade eine Kurzfeier stattfindet
    e. Anschließend Ortstermin am Auto, zum Glück hilft uns ein russisches Ehepaar aus Moskau (mit dickem schwarzem Mercedes) beim Dolmetschen
    f. Zurück zum ersten Zollbeamten, der uns zum Bankschalter schickt
    g. Kauf der Versicherung an weiterem Schalter
    h. Kopie von Kfz-Schein und Reisepass an anderem Schalter (der Beamte vergaß die Papiere unter dem Kopierer …), Vergütung der Kopien
    i. Ausfüllen diverser Formulare vom ersten Zollbeamten, diese werden dann von einem dritten Zöllner in einem weiteren Büro in ein dickes Buch eingetragen, Vergütung der Eintragung
    j. OK vom ersten Zollbeamten, Vergütung des OK
    k. Bezahlung der Hilfskraft, die wie ein unsichtbarer Engel uns immer wieder soufflierte, was jetzt als nächstes anliegt
    l. Fahrt mit dem Auto zum Ausgang des Geländes, Überprüfung aller Papiere und des Autos, dann hat man es geschafft!

Am Simeonskloster ...Die Herausforderung besteht darin, den Überblick zu behalten: Wer hat gerade welche Papiere von uns, wie geht es wo weiter; wann muss was warum in welcher Währung bezahlt werden. Bei uns kamen US $; Euro und syrischer Dinar zum Einsatz ...

Unser Ziel ist heute Abend noch das Simeonskloster nördlich von Aleppo. Wir fahren durch kleine Ortschaften und erregen jede Menge Aufmerksamkeit mit unserem Auto. Die Streckenfindung basiert oft aus einer Mischung aus Intuition, Straßenbreite, Gummiabrieb in Kurven und der vorherrschenden Himmelsrichtung.

Kurz vor Sonnenuntergang, 30 km von der Grenze entfernt, können wir unser Nachtlager vor dem Simeonskloster aufschlagen. Der freundliche Wärter zeigt uns einen
Stellplatz, den allgegenwärtigen Müll blenden wir aus.

Sorgen um unsere Sicherheit brauchen wir diese Nacht wohl nicht zu haben, denn der Wärter hatte die ganze Zeit eine Kalaschnikow geschultert ...


© 2010 Hans-Jörg Wiebe