Etappe 1: Orumiyeh See, Takt-e Soleiman, Zagros Massiv, 13.03. - 25.03.16
Der Norden Irans
Es ist nach Mitternacht, es stürmt und an Schlafen ist nicht zu denken. Im Auto ist es nur noch knapp über 0°C, die Kälte fällt ins Gesicht und wir beide teilen uns 90 cm zum Schlafen, denn der Sturm verbietet die Nutzung des Hubdachs.
Unser Fahrzeug besteht, energetisch betrachtet, eigentlich nur aus Kältebrücken und sobald die Heizung aus ist, wird es deshalb sofort kalt: Eine Wohnfläche von 2 m x 1,5 m (einschließlich der Einbauten) ist nicht gerade besonders großzügig und alles muss hier seinen festen Platz haben. In so einem Moment kann dann schon mal die Frage auftauchen, warum machen wir dies eigentlich in Anbetracht von solchen Strapazen und Mühsal ..?
Einige Stunden zuvor hatten wir einen herrlichen Sonnenuntergang am Ostteil des Orumiyeh Sees mit Blick auf die schneebedeckten Berge im Westen: Diese Momente und Impressionen sind eine der Antworten, warum wir uns erneut auf den weiten Weg in den Iran gemacht haben. Die Natur, die Gastfreundschaft der Menschen und die Kulturdenkmäler des Landes haben uns das Jahr zuvor doch nachhaltig beeindruckt.
Die Anreise über den Balkan und durch die Türkei folgte auch in diesem Jahr wieder den uns inzwischen bekannten Routen. Im anatolischen Hochland waren Nachttemperaturen bis -16°C avisiert und somit hatten wir den Höhenmesser bei der Wahl unserer Übernachtungsplätze immer im Blick; liegen doch mehrere Pässe mit bis zu 2.400 m Höhe auf der Strecke.
Nach gut vier Tagen Anfahrt konnten wir schließlich ohne Probleme in den Iran einreisen: Das Jahr zuvor sollten wir uns noch ein iranisches Kfz-Kennzeichen besorgen, dieses Jahr wurden wir dafür mit einem Dokument beglückt, welches uns die Reiseroute auf den Autobahnen bis Shiraz vorgab. Inzwischen wurden wir fernab dieser Strecke mehrfach kontrolliert; keiner fragt dabei aber nach einer solchen Streckenvorgabe. Viel wichtiger ist den Polizisten, wie wir heißen, ob wir Lewandowsky oder den Bayerntrainer kennen und wie man am schnellsten Englisch erlernen kann ...
Unsere erste Übernachtung bei der diesjährigen Iranreise erfolgt nicht allzu weit entfernt von der Grenze nach der Einreise: Oberhalb der Stadt Maku bietet sich uns ein fantastischer Ausblick auf den berühmten Berg Ararat ...
Im weiteren Verlauf erreichen wir den Orumiyeh See: Er ist der größte Binnensee Irans, sechsmal so groß wie der Bodensee und verkleinert sich wohl genauso schnell wie der Aral See. In 10 Jahren sank der Wasserspiegel um 4 m, sein Salzgehalt ist heute mit 38% höher als der des Toten Meeres ...
Die Ursache ist die intensive Wasserentnahme aus seinen Zuflüssen und so übernachten wir an einem ehemaligen Bootssteg, der heute mittlerweile einige Kilometer vom Ufer entfernt liegt. 150 km Luftlinie südöstlich des Sees befndet sich Takt-e Soleiman: Diese Feuertempelanlage, deren Name "Thron des Salomon" bedeutet, liegt auf einem Plateau in etwa 2.200 m Höhe und ist von schneebedeckten Dreitausendern umgeben.
Im Zentrum der 300 m x 380 m großen Anlage liegt ein 21°C warmer artesischer Quellsee von 80 m Durchmesser und über 60 m Tiefe. Diese Anlage aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. wurde mit einer 1.100 m langen und 13 m hohen Wehrmauer eingefasst. Diese ist zum größten Teil noch erhalten und mit 38 Bastionen und 2 Toren ausgestattet. Erste Luftaufnahmen stammen von 1937, aufgenommen vor Beginn entsprechender Expeditionen und archäologischer Ausgrabungen.
Wir nächtigen auf dem Parkplatz der Anlage; am kommenden Morgen haben Schneeschauer die Gegend in Weiß gehüllt und überdecken so den Lehmbatz des Parkplatzes ...
Ganz in der Nähe befndet sich "Salomon´s Gefängnis", ein Krater mit 70 m Durchmesser und 100 m Tiefe. Vermutlich wurden damals Opfergaben hineingeworfen. Der Blick in den Krater lässt einen erschauern, so wie die Lehmklumpen an unseren Schuhen nach unserem Aufstieg ...
Das Zagros Gebirgsmassiv erstreckt sich von Khorramabad über die Gegend westlich von Isfahan bis nach Shiraz. Vor Reisebeginn haben wir uns einige entlegene Bergstraßen und Pisten ausgesucht, um diese Gegend ein wenig zu erkunden. Die Berge reichen über 4.000 m hoch und die Schneegrenze liegt aktuell noch bei ca. 2.300 m. Ab Mai bevölkern dann Nomaden mit ihren Viehherden die weiten Hochtäler, wir sehen schon viele bereits bestellte Felder, die bis zur Schneegrenze reichen.
Blendet man in diesen Gegenden Autos, Strommasten und geteerte Straßen aus, dann fühlen wir uns um Jahrhunderte zurückversetzt. Die Menschen leben hier auf einfachste Art und Weise, das Baumaterial ihrer Häuser besteht aus Holz, Natursteinen, Lehm und Stroh. Die landschaflichen Impressionen sind einfach grandios: Das Auge schweift über unendlich weite Hochtäler, die von grandiosen Bergmassiven eingerahmt sind.
Leider können wir nicht die geplante Route komplett befahren, auf einer Höhe von 2.700 m wird unsere Piste zunehmend lehmiger und geht in Schnee über. Trotz unserer grobstolligen Bereifung und Geländegängigkeit wollen wir alleinreisend hier kein Risiko eingehen. Wir sind wohl noch ein bis zwei Monate zu früh hier ...
© 2016 Hans-Jörg Wiebe