Isfahan: 19.03. - 22.03.15
Unser erstes Ziel ist Isfahan, wo wir im Zentrum der Stadt ein kleines Hotel vorab gebucht haben. Bereits im 16. Jahrhundert lebten hier 600.000 Menschen und es war eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt. Damals entstand der Ausdruck "Esfahan nesf-e Jahan" oder "Isfahan ist die Hälfte der Welt". Es war die wichtigste Handelsstadt Persiens und es entstanden großartige Bauwerke, die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.
Aber noch trennen uns über 1.000 km von diesem Ziel und wir sammeln unsere ersten Erfahrungen im hiesigen Straßenverkehr. Wegen des bevorstehenden Neujahrsfestes ist anscheinend jeder auf der Straße: Viele PKW´s mit Familien sind unterwegs, voll beladen, das Gepäck in der Regel nur leicht verschnürt auf dem Dach. Oft wird aus den Fahrzeugen heraus gegrüßt und gewunken.
Es herrscht hier eine sehr dynamische Fahrweise, jeder freie Platz auf der Straße wird konsequent genutzt; Abstand halten ist unbekannt, man fährt auf Tuchfühlung. Selbst die Fahrstreifen auf den Autobahnen dienen nur der Grobstrukturierung des Verkehrs. Ist der Platz ausreichend, dann wird auch schon mal zwischen den Spuren überholt und dies bei Tempo 100. Leider geht dies nicht immer gut und einige schwere Unfälle säumen die Strecke ...
Es gibt zwar Raststätten an den Fernstraßen, aber viele Reisende machen direkt Picknick auf dem Seitenstreifen oder auf den Rasenflächen der Ein- und Ausfahrten. Dann werden Decke und Teekocher ausgepackt, ein kleines Zelt gegen den immer währenden Wind aufgestellt und schon sitzt die Familie entspannt im Kreis und keine 10 m entfernt donnert der Verkehr vorbei.
Ein Liter Diesel für 10 ct, da macht das Tanken Spaß! Allerdings sind wir immer auf die Unterstützung von LKW-Fahrern angewiesen: Die PKWs können Benzin ohne Probleme tanken, Diesel ist nur mit dem Besitz einer Tankkarte erhältlich. Also tanken wir im Beisein eines LKW-Fahrers, der uns dann von seinem Kontingent mal 50 l abtritt. Meistens warten wir anschließend noch auf den nächsten LKW, mit dem wir dann auch gemeinsam tanken.
Nach zwei Nachtlagern abseits der Straßen nähern wir uns Isfahan. Inzwischen haben wir uns verkehrsmäßig akklimatisiert und schwimmen im Fahrzeugstrom, bis wir in kleine und kleinste Gässchen der Altstadt auf dem Weg zu unserem Hotel eintauchen ...
Wir finden es direkt und können uns in dem lauschigen Innenhof mit einem Tee entspannen und die beruhigende Atmosphäre dieses Kleinods aufnehmen.
Es ist der Abend vor dem Neujahrsfest Nowruz (Tag/Nachtgleiche im Frühjahr) und die Menschen erledigen ihre letzten Einkäufe. Wir stürzen uns noch in das Getümmel und lassen uns einfach einige Stunden von den Menschenmassen durch die Gassen schieben, bis wir erschöpft in unsere Betten fallen.
An Nowruz haben zwar die meisten Geschäfte geschlossen, aber die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind offen und die reisefreudigen Iraner haben heute die gleichen Ziele wie wir.
Der Meydan-e Imam ist der zentrale Platz, angelegt im Jahr 1602, und mit 510 x 160 m ist er nach Pekings Tiananmen-Platz der größte und sicher einer der schönsten Plätze der Welt. Drei grandiose Bauwerke aus der gleichen Zeit säumen seine Seiten, die prächtige Imam-Moschee, der Ali-Qapu-Palast und die Lotfullah-Moschee.
Die ersten beiden haben wir besichtigt, einige Bilder zeugen von einer Baukunst, die mit Worten nur schwer zu beschreiben ist. Die Iman-Moschee gilt als eines der Meisterwerke islamischer Baukunst, sie wurde in nur 20 Jahren fertiggestellt, ihre doppelwandige Hauptkuppel ist 54 m hoch und komplett mit Fliesendekor verkleidet.
Immer wieder werden wir von Einheimischen angesprochen und willkommen geheißen in ihrem Land. Die Menschen sind stolz darauf, uns begrüßen zu dürfen. Wir werden gefragt, aus welchem Land wir kommen, wie uns der Iran gefällt und was wir noch alles besichtigen wollen. Sie möchten wissen, wie der Iran in Deutschland gesehen wird und welche Meinung wir von ihrem Land haben. Sie wollen natürlich mit uns gemeinsam fotografiert werden und mehrfach sind wir die ersten Westeuropäer, mit denen sie persönlich in Kontakt kommen können.
Viele von ihnen verbringen hier ihre Urlaubstage und so haben wir bereits nach zwei Tagen eine Liste von Kontaktadressen, die uns alle ihre Heimatstadt zeigen wollen. Gerne möchten sie mit uns via Viper, WhatsApp oder Mail kommunizieren, aber zuvor müssen wir uns nach den Feiertagen noch eine iranische SIM-Karte besorgen.
Nach dem Besuch der zweistöckigen
Khaju-Brücke aus dem 16. Jahrhundert können wir eine
Picknickeinladung nicht ausschlagen und ehe wir uns versehen, stehen
Tee sowie Teller mit Bratspießen und Fladenbrot vor uns.
Picknicken ist ein essentieller Teil der iranischen Freizeitkultur
und so verschiebt sich unsere Abfahrt nach Persepolis doch noch
etwas ...
© 2015 Hans-Jörg Wiebe